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Etwas anderes

Über falsche und echte Krokodile

 

Hallo Kinder,

Rossipotti war ganz schön sauer, als ich ihm meinen Artikel mailte und er darin nichts über lebendige Krokodile, sondern nur über die Verwendung des Begriffs "Krokodil" fand. Dabei habe ich in meinem Artikel ganz bewusst auf die Beschreibung der Tiere verzichtet. Denn schließlich weiß jedes Kind, wie ein echtes Krokodil aussieht!

Wer von euch weiß dagegen, dass das "Krokodil" die erfolgreichste Lokomotive in der Firmengeschichte der Modelleisenbahnfirma "Märklin" ist?

Und wer von euch weiß, dass eine Metallklemme, die einem ihre Zähne in die Finger schlägt und einen erst wieder loslässt, wenn man ihr auf den Kopf drückt, auch "Krokodil" heißt?

 

Ich gebe zu, dass meine Querverweise zum Logo der Kleiderfirma "Lacoste" und dem kindischen "Schnappi"-Song nicht gerade originell waren.
Deshalb habe ich Rossipotti auch zugestimmt, Esmeralda bei mir vorbei zu schicken, damit sie mir noch Internas aus der echten Krokodilwelt erzählen kann.
Außerdem ist es natürlich immer ein Vergnügen, von dieser eleganten Dame besucht zu werden: Sie sieht einen verführerisch an und schlürft dabei eine heiße Schokolade nach der anderen.
Das ist natürlich keine typische Krokodilsspeise. Krokodile sind zwar sehr gefräßig, doch fressen sie im allgemeinen weniger Schokolade als viel mehr Fisch, Schildkröten, Vögel und sogar Säugetiere. Ich würde euch also nicht raten in der Nähe eines Krokodils zu baden oder dort euer Lager aufzuschlagen!

Doch kommen wir wieder auf Esmeralda zu sprechen: Nach der zwölften Schokolade tätschelte sie sich ihren Bauch und erzählte:

"Ich bin jetzt schon 271 Jahre alt, doch für ein Krokodil bin ich immer noch sehr jung! Wir Krokodile sind nämlich die einzigen noch lebenden Nachfahren der Archosauria, wenn wir von den Vögeln mal absehen. Unsere Vorfahren, die vor 230 Millionen Jahren lebten, waren bis zu 12 Meter lang und gingen teilweise auf zwei Beinen! Es ist also nicht auszuschließen, dass wir Krokodile bereits vor euch Menschen zivilisiert waren. Irgendwann sind wir dann aber wieder auf den Teppich gekommen und ziehen es deshalb heute vor, uns schwimmend oder auf vier Beinen vorwärts zu bewegen. Weil es praktikabler für uns war, sind wir außerdem wieder etwas kleiner geworden. Die größten von uns sind ja mittlerweile nur noch 7 Meter lang.

Weil wir Krokodile schon so alt sind, gab es sogar Völker, die dachten, dass wir älter seien, als die Welt selbst! Die Maya und die Azteken in Mittelamerika stellten sich vor, die Welt wäre der Rücken eines Krokodils, das in einem Seerosenteich schwimmt. Und die alten Ägypter waren so von den Krokodilen begeistert, dass sie einen eigenen Krokodilsgott hatten. Dieser Gott namens Sobek stand für Beständigkeit und langes Leben.

Sind das nicht zwei schöne Mythen? Schade, dass sie so in Vergessenheit geraten sind!

Die Europäer lernten die Krokodile übrigens erst kennen, als Seefahrer die Tiere vor etwa 2.000 Jahren aus Ägypten mitbrachten. Die Römer veranstalteten damals feierliche Krokodilswettkämpfe, bei denen dann entweder der Gladiator aufgefressen oder das Krokodil besiegt wurde.
Europa ist eben ein barbarisches Land, und es ist kein Wunder, dass wir Krokodile uns dort nie so richtig heimisch gefühlt haben. Ich selbst habe ja in meiner Jugend einige Jahrzehnte in Paris gelebt, doch wurde mir das Klima irgendwann zu rau und ich siedelte lieber nach Brasilien um.

Inzwischen sollen bei euch die Bedingungen für Krokodile aber auch weit besser geworden sein. Ich habe gehört, dass der Krokodilsbestand in den letzten hundert Jahren bei euch beständig zunimmt.
Zum einen liegt das sicher daran, dass immer wieder Krokodile von Hobbyzüchtern ausgesetzt werden oder auch aus Zoos verschwinden. An einem Wiener Badestrand wurde erst im Juni 2005 wieder ein Krokodil gesichtet.

Zum anderen leben Krokodile aber auch in Krokodilsfarmen, wie in Pierrelatte in Frankreich. Dort ist ein Nebenarm der Rhône so stark vom angrenzenden Atomkraftwerk aufgeheizt, dass die Reptilien sich hier wohl fühlen. Soll ich mich darüber nun freuen oder nicht?

Wie man ein Krokodil so weit bekommt, dass man seinen Kopf gefahrenlos in sein Maul stecken kann, verrate ich euch hier übrigens nicht. Nicht, dass es einer von euch versucht und es dann nicht 100 prozentig klappt.

Etwas anderes kann ich euch allerdings verraten: Rossipotti hält sich zwar sehr viel auf seine scharfen Zähne, aber in Wirklichkeit hat er in seinem ganzen Leben noch kein Säugetier gefressen. Zu mehr als einem Fisch hat er es nie gebracht. Aber zieht ihn damit nicht auf. Es könnte ihn ernsthaft kränken!"

Gerade als Esmeralda gehen möchte, fällt mir noch eine Frage zu Krokodilen ein: "Warum weinen Krokodile eigentlich, obwohl sie gar nicht traurig sind?"

Esmeralda sieht mich verwundert an und sagt: "Wer sagt, dass wir weinen? Mit den Tränen befeuchten wir nur unsere Augen!"

 © Rossipotti No. 8, Juli 2005