Gänseblümchen auf dem Mars

Quatschgeschichte von Tine Neubert

Als ich heute Morgen aus dem Fenster schaute, schneite es - Gänseblümchen. Und was für Riesenblüten! So ein tolles Wetter, das wird ein Supertag. Da konnte ich endlich mal wieder auf dem Pferd zur Schule reiten, denn es liebte Gänseblümchen, genauso wie ich. Schnell schnappte ich mir meinen Regenschirm, die Schultasche und dann ab in die Schule.

Auf dem Weg traf ich einige meiner Klassenkameraden, die auch das schöne Wetter nutzten. Olaf hatte seinen Papagei dabei, der eifrig nach den Gänseblümchen schnappte und hinten kam Rita, in ihrem Barbie-Puppenwagen - typisch Mädchen eben. In der Schule angekommen, hatte sich unsere Lehrerin Fräulein Bella einen Kranz aus Gänseblümchen geflochten und sah supersüß aus. Herr Müller, so heißt mein Pferd, trabte gleich hin und knabberte an den Blumen, beinahe hätte er auch einen Zopf von Fräulein Bella erwischt, in letzter Sekunde warf ich mich dazwischen.

Erste Stunde - Physik bei Herrn Centrino. "Heute besprechen wir die Schwerelosigkeit." "Ooch bei dem schönen Wetter", maulten wir. "Können wir nicht lieber einen Ausflug machen?" Olafs Papagei kicherte zustimmend. Herr Centrino hatte auch schon ein Gänseblümchen im Knopfloch und war in abenteuerlicher Stimmung. "Einen Ausflug? Könnte gehen … Aber wohin?"

"In den Zoo", kam es von der letzten Bankreihe. "Ach nee, da kann ich meinen Papagei nicht mitnehmen." Das war ein berechtigter Einwand.

"Ins Puppenmuseum", natürlich brachte Rita diesen Vorschlag. Einstimmig abgelehnt.

Ich meldete mich: "Wir könnten doch die Schwerelosigkeit mal praktisch testen? Neulich im Werkunterricht haben wir ein Raumschiff gebaut. Wie wär's mit einem Ausflug ins All?" Alle stimmten begeistert zu. Und schrien durcheinander: "Oh ja toll! Da könnten wir die neuen Raumanzüge ausprobieren! Und Gänseblümchensamen aussäen! Kosmonautennahrung zum Mittag!" Auch Herrn Centrinos Augen leuchteten auf. Dann fuchtelte er mit den Armen: "Ruhe bitte! Okay, ein guter Vorschlag. Aber wir schreiben nächste Woche eine Klassenarbeit über die Schwerelosigkeit, damit ihr mir auch aufpasst heute!" Jajaja, von uns aus.

"Rita, Du holst die Raumanzüge aus der Garderobe, Olaf Tubennahrung aus der Schul-Cafeteria und dann muss das Raumschiff noch aufgetankt werden. Was nehmen wir da?"

Mir fiel zum Glück ein, dass wir vom letzten Schulfest noch eine Kiste Cola übrig hatten. Das müsste gehen … "Hoffentlich verklebt uns der Tank nicht", befürchtete Herr Centrino. "Ist ja Cola light!" Na, dann kann nichts schiefgehen.

Wir beeilten uns mächtig und schoben schon nach 10 Minuten das Raumschiff auf den Pausenhof hinter der Schule. Fräulein Bella bemerkte unser Vorhaben und wollte natürlich mit. Da Herr Centrino ein Auge auf sie geworfen hatte, gab es keine Einwände. Nur Olafs Papagei mussten wir zurücklassen, denn er passte nicht in den Raumanzug. Nachdem alles eingeladen war und im Tank die Cola gluckerte, hielt unser Hausmeister ein Streichholz an die Zündschnur und pfff ging es ins All. Wir winkten aus den Raumschiffbullaugen und die Schule wurde immer kleiner. Da unten wedelte eine Ameise mit irgendetwas … Ich nahm das Fernrohr und was sah ich? Meine Mutter, die meinen Schal schwenkte. Den hatte ich früh vergessen und sie wollte ihn mir in die Schule nachbringen. Zu spät … Da wird es heute Abend Gemeckertes geben. Aber egal jetzt, wir fliegen doch ins All.

Gänseblümchenschnee wirbelte an den Bullaugen vorbei und Fliegende Fische. Herr Centrino verteilte Aufgaben: Tankstand messen, Geschwindigkeit kontrollieren, Tubenmittagessen austeilen, Kartenstudium. Wir falteten die Karte vom All auf: "Welchen Planeten könnten wir ansteuern?" "Wie heißen denn die Planeten überhaupt?" Das kam von Herrn Centrino. Klar, er muss uns immer an die Schule erinnern. Rita ratterte alle runter: "Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun." Diese Streberin! Herr Centrino zückte gleich das Klassenbuch (wieso hatte er diesen unnötigen Ballast mitgeschleppt?) "Eins mit Sternchen." Eins mit Planet wäre treffender.

Die Meinungen über unser Ziel gingen auseinander, schließlich stimmten wir ab und einigten uns auf den Mars. "Bisschen heiß", wollte Rita alles besser wissen, aber wozu hatten wir unsere Raumanzüge? Die würden doch die Hitze leicht abhalten. Oder hatten die Mädchen im Handarbeitsunterricht beim Raumanzugnähen gepfuscht?

Mittlerweile machte sich auch die Schwerelosigkeit bemerkbar und wir flogen im Raumschiff herum. Fräulein Bella klebte an der Decke und machte einen unglücklichen Eindruck. Doch schon kam ihr Retter, Herr Centrino, und pflückte sie mit starker Hand ab. Olaf hielt alles mit seinem Fotoapparat fest - für wissenschaftliche Zwecke natürlich!

Inzwischen hatten wir schon Lichtgeschwindigkeit erreicht und der Mars kam bald in Sichtweite. Jetzt mussten wir uns auf die Landung vorbereiten, das hieß Handbremse anziehen, Blinker raus und langsam einparken. Zum Glück saß Rita nicht am Steuer, sonst wären wir bestimmt irgendwo angeeckt. Aber so ging alles glatt. Ich hatte noch in letzter Minute die alte Leiter aus dem Schulgarten ins Raumschiff geworfen, auf der konnten wir nun auf den Mars klettern. Vorher aber noch Raumanzüge anziehen, Eiswürfel in die Taschen stecken (gegen die Hitze), Gänseblümchensamen, Klassenbuch (Herr Centrino) und Fotoapparat mitnehmen.

"Aua, ganz schön feurig hier!" Wir hüpften alle rum, weil der Mars uns die Fußsohlen verbrannte. Aber mit ein paar Eiswürfeln im Mund kühlten wir uns innerlich ab und so ging es hüpfend weiter. Weit kamen wir zu Fuß nicht, Marsmobile hatten wir im Werkunterricht nämlich noch nicht gebaut - muss unbedingt nachgeholt werden - aber eine kleine Runde wollten wir drehen, ein Foto mit Klassenbuch machen und die Gänseblümchensamen säen. Dazu brauchten wir ein kühleres Fleckchen Mars. Im Schatten eines großen Kraters legten wir ein kleines Beet an und säten die Gänseblümchen. Mit einem Rest Cola light aus dem Raumschifftank begossen wir das frisch gesäte Beet und machten uns auf den Heimweg.

Viel Zeit war nicht mehr, denn wir wollten pünktlich zu Schulschluss wieder zu Hause sein. Wir gelangten problemlos ins Raumschiff, ich zog die Schulgartenleiter wieder ein und dann löste Herr Centrino die Handbremse. Auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigen und den Tankstand kontrollieren. "Oh, nur noch so wenig Cola drin? Wer hat sich davon bedient?" Olaf wurde rot: "Hab nur einen winzigen Schluck genommen, zu Hause darf ich doch nur Apfelsaft und Tee trinken …" Olaf klimperte mit den Augendeckeln. Na ja, das ist wirklich hart. Wir konnten ihn verstehen. Hauptsache, die Cola reicht bis auf den Schulhof.

Wir zogen die Raumanzüge aus, oh weh, die waren ziemlich angesengt. Da haben die Mädchen im Handarbeitsunterricht wieder zu tun, sie auszubessern.

Die Heimreise verging wirklich schnell, weil wir Rückenwind hatten und der Gänseblümchenschneesturm nachgelassen hatte. Aus den Bullaugen sahen wir schon unsere Spielzeugstadt und die vielen Ameisen darin - ach nein, das waren ja Leute.

Herr Centrino legte eine saubere Landung hin, Fräulein Bella klatschte ganz verliebt.

Wir schnappten unsere Sachen und dann nichts wie raus. So ein Ausflug ist zwar toll, aber wenn Schulschluss ist, ist Schluss! Herr Centrino rief uns noch hinterher: "Nicht vergessen, in der nächsten Woche Klassenarbeit über die Schwerelosigkeit." Aber das hörte schon niemand mehr.

Ich holte mein Pferd, das ich früh an den Fahrradständern angebunden hatte und Olaf seinen Papagei. Der war noch beleidigt, weil er nicht mit ins All durfte. Aber Olaf hatte ihm heimlich etwas Tubennahrung mitgebracht und die stimmte den Papagei wieder freundlicher.

Zu Hause erwartete mich schon meine Mutter. "Du hast heute schon wieder deinen Schal vergessen, wie oft soll ich dir noch damit hinterherlaufen? Wo wart ihr eigentlich, ich konnte deine Klasse in der Schule gar nicht finden." "Auf dem Mars."

"Ach so, na ja. Da ist es ja sowieso warm, hätte dich der Schal nur gestört."

"Genau."

Ich warf meine Schultasche in die Ecke. Dann schickte mich meine Mutter raus zum Gänseblümchenauffegen. Es hatte ziemlich viel davon geschneit. Eine Handvoll gab ich Herrn Müller, aber dann reichte es ihm auch.

Nach dem Abendbrot war ich doch ganz schön müde von diesem anstrengenden Schultag und ich ging ohne Murren ins Bett. Als ich schon halb eingeschlafen war, hörte ich ein Rascheln und Krabbeln und Murmeln und Piepsen. Was war das? Ich machte vorsichtig ein Auge auf und schaute mich damit um. Aus meiner Schultasche kamen die Geräusche. Meine Taschenlampe habe ich immer griffbereit, mit der funzelte ich in die Richtung. Was leuchtete denn da so grünlich? Ich zog die Tasche etwas näher und hob den Deckel an. Hoppla! Was huschte da? Grünes? Zitterndes? Ich erwischte es gerade noch, bevor es sich unter dem Bett verstecken konnte.

Da zappelte in meiner Hand - Ein Marsmännchen! Zwar noch ziemlich klein, aber immerhin. Das hatte keiner in meiner Klasse. Super! Und wie war es in meine Tasche gekommen? Jetzt fiel es mir wieder ein: Beim Rundgang auf dem Mars hatten wir die Tür vom Raumschiff offen gelassen und auch die Leiter blieb angelehnt. Wahrscheinlich war es so in das Raumschiff gekommen. In meiner Schultasche steckte noch ein altes Pausenbrot. Das Marsmännchen hatte es gerochen und war schwups in die Tasche geklettert. Und jetzt saß es hier in meinem Zimmer und schaute mich ängstlich an. Ich streichelte es vorsichtig und holte ihm aus meinen Reserven einen angeknabberten Schokoweihnachtsmann. Gierig machte sich der kleine Marsbewohner über die Schokolade her. Sieh mal an, ein kleines Leckermaul.

Aber es war schon spät und wir beide, Marsmännchen und ich, gähnten ziemlich müde. Also bettete ich meinen neuen Mitbewohner in meinen Kleiderhaufen, der immer griffbereit auf dem Kinderzimmerboden liegt und machte es mir auch wieder im Bett gemütlich. Morgen werde ich mich weiter darum kümmern …

Alles Quatsch und Unsinn? Neeeeeee.

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