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Rossipottis Leibspeise
und andere Lieblingsbücher

 

Rossipottis Leibspeise

Lieblingsbuch

vorgestellt von Helma Hörath

* * *

affenheiß und schweinekalt: Die Überlebenstricks der Tiere

"Da bist du ja endlich", sagt Rossipotti, als ich die Tür zur Bibliothek aufmache. "Ich muss unbedingt mit dir reden. Bestimmt weißt du, um was es geht?"

Ich schüttle den Kopf. Ich habe keinen blassen Schimmer.

"Hier!" sagt Rossipotti und zeigt auf ein Blatt auf meinem Schreibtisch. "Dieser herzliche Brief ans 'Ministerium für Inneres'! Den hast doch wohl du geschrieben?"

Mir wird es abwechselnd heiß und kalt! Seit wann kramt Rossipotti in meinen persönlichen Papieren?

"Du wunderst dich sicher, seit wann ich in deinen persönlichen Papieren krame?" fragt Rossipotti.

"Allerdings", sage ich und fasse mich wieder. "Wie kommst du dazu?!"

"Du schämst dich also nicht?" fragt Rossipotti und verdreht damit völlig den Sachverhalt. "Erstens hast du dich mit dem Schreiben total lächerlich gemacht und zweitens hätte ich dir nie zugetraut, dass du hinter meinem Rücken intrigierst und uns alle denunzierst!"

"Wofür soll ich mich schämen?" verteidige ich mich, laufe aber zu meinem Unglück trotzdem puterrot an. "Dafür, dass du uns alle explodieren lässt und Pudding Wackel und die Qualle Albert mich an einen Bratspieß hängen? Es war eindeutig Gefahr im Verzug!"

"Dass ich nicht lache", sagt Rossipotti. "Wenn wir alle längst tot sind, warum können wir dann hier jetzt gesund und munter zusammen sitzen?"

"Weil alles nur ein dummer, simulierter Spaß war!" krächze ich, als hätte ich eine meiner eigenen Gräten im Hals.

"Genau!" sagt Rossipotti. "Weil alles nur ein simulierter Spaß war, um das Thema unserer Ausgabe besser zu veranschaulichen."

"Vor allem auf meine Kosten!" sage ich. "Das ist einfach geschmacklos."

"Ich dachte, du wärst ein Fisch?" sagt Rossipotti.

Ich sehe ihn misstrauisch an. Was soll diese Frage?

"Und Fische sind wie wir Krokodile Kaltblüter!" fährt Rossipotti fort. "Dann erwarte ich von dir auch ein kaltblüterisches Verhalten!"

"Was soll das denn sein, ein kaltblüterisches Verhalten?" frage ich schnippisch.
Ich weiß zwar, dass wir Kaltblüter im Vergleich zu Warmblütern unsere Körpertemperatur nicht selbst regulieren können. Bei Hitze werden wir deshalb heiß und bei Kälte kalt. Aber was das mit Rossipotti und dem Brief zu tun haben soll, verstehe ich nicht.

"Ein kaltblüterisches Verhalten ist eben kein warmblüterisches", erklärt Rossipotti. "Warmblüter wie Vögel, Säugetiere und Menschen sind totale Weichlinge! Sie können Kälte nicht vertragen, sie können Hitze nicht vertragen, sie brauchen dauernd etwas zu essen und zu trinken und ein paar Minuten ohne Luft und das war's."

"Na und?" sage ich und weiß immer noch nicht, worauf dieses unfruchtbare Gespräch hinauslaufen soll. "Das hat dich bisher doch auch nicht interessiert!"

"Stimmt!" gibt Rossipotti unverblümt zu. "Aber bevor ich mir von dir weiter anhören muss, dass ich dein sensibles, weiches Gemüt beschädigt haben soll, muss ich dich daran erinnern, dass du von Natur aus gar kein weiches Gemüt hast! Bei entsprechenden Außentemperaturen kühlst du sogar zum Eiszapfen ab! Überlass das Jammern, Intrigieren und Denunzieren also den verweichlichten Menschen und sei wieder der ernstzunehmende Gesprächspartner, den ich kenne!"

Ich räuspere mich.
Hat Rossipotti da gerade gesagt, dass ich ein ernstzunehmender Gesprächspartner bin? Nicht schlecht! Vielleicht sollte ich tatsächlich nicht länger die beleidigte Leberwurst spielen?

"Dann können wir jetzt ja das Buch 'affenheiß und schweinekalt' weiter vorstellen?" sagt Rossipotti.

"Was heißt hier 'weiter'? " frage ich verwundert. "Wir haben doch noch gar nicht damit angefangen!"

"Aber natürlich!" meint Rossipotti. "Das mit den verweichlichten Menschen und Säugetieren kommt doch nicht von mir, sondern steht so beinahe wörtlich in dem Buch 'affenheiß und schweinekalt'."

"Stimmt!" erinnere ich mich wieder. "In dem Buch schneiden wir Kaltblüter wirklich ganz gut ab. Erinnerst du dich noch an den Satz 'Überall auf der Welt gibt es Tiere und Pflanzen, die Lebensbedingungen klasse finden, die einen Menschen schneller umbringen würden, als du 'Sargnagel' sagen kannst'? Ich liebe diesen Satz! Er ist so wahr und eingängig."

Rossipotti grunzt zustimmend.

"Und ist es nicht unglaublich", schwärme ich weiter, "dass die ebenfalls kaltblütigen Insekten und Spinnen es ewig lange ohne Essen und Trinken aushalten können? Bei einer Spinne hat man sogar beobachtet, dass sie 18 Monate ohne Nahrung auskommen konnte!"

"Je kleiner umso zäher", stellt Rossipotti fest. "Wie zum Beispiel diese wärmeliebenden Bakterien, die in Vulkanen leben und sich von giftigen Chemikalien ernähren."

"A propos Chemiekalie", sage ich. "Ich habe in dem Buch auch gelesen, dass das Pippi von Krokodilen in heißen Tagen fast kein Wasser enthält. Aus was besteht euer Pippi denn dann?"

"Äh", macht Rossipotti und sagt dann völlig aus dem Zusammenhang gerissen: "Manche Warmblüter sind überhaupt nicht so weichlich wie ihr Ruf. Die Kaiserpinguine vom Südpol halten zum Beispiel im Winter eine Temperatur von bis zu - 88 Grad Celsius aus!"

"Und das trotz ihrer dünnen Vogelfüße!"

"Und der schlimmen Winterstürme!"

"Und der Eier, die sie komischerweise auf den Winter hin ausbrüten!"

"Kaiserpinguine sind einfach spitze! Und sie sind die Gewinner der winterhärtesten Säugetiere!" sagt Rossipotti. "Gibt's sonst noch was?"

"Ja", sage ich, "dass das Buch mit witzigen, comicartigen Zeichnungen zeitgemäß illustriert, frech und erfrischend unpädagogisch erzählt ist und von vorne bis hinten Spaß macht zu lesen!"

Nicola Davies (Text) und Neal Layton (Illustration): affenheiß und schweinekalt. Die Überlebenstricks der Tiere. Sauerländer bei Patmos. Düsseldorf 2007.

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Am Südpol, denkt man, ist es heiß

"Kaiserpinguine sind übrigens nicht nur die kälteresistentesten Säugetiere, sondern auch noch sehr musikalisch!" sagt Rossipotti überzeugt.

"Woher weißt du das?"

"Von Elke Heidenreich", sagt Rossipotti. "Als ich vor ein paar Jahren noch im Amazonas lebte, hat sie mich einmal angerufen und gesagt: 'Du, ich verrate dir ein Geheimnis, wenn du mir zwei Fragen richtig beantworten kannst. Erstens: Ist es am Südpol heiß oder kalt?' 'Kalt natürlich', habe ich geantwortet. 'Richtig. Und zweitens: Wer lebt dort? Die Eisbären oder die Pinguine?' 'Die Kaiserpinguine', habe ich ohne mit der Wimper zu zucken gesagt. Bei Pinguinen kenne ich mich ganz gut aus. 'Richtig!' hat Elke Heidenreich gejauchzt und mir dann aufgeregt erzählt, dass sie herausbekommen habe, dass sich die Kaiserpinguine einmal im Jahr in Schale werfen würden, um die drei Tenöre singen zu hören!"

"Und deshalb sollen sie musikalisch sein?" frage ich skeptisch. "Vielleicht sind sie auch nur eitel?"

"Ach was!" sagt Rossipotti. "Aus Eitelkeit würden sie sich in der antarktischen Kälte nicht stundenlang anstellen, um an ein paar Opernkarten zu kommen! Um auf das Opernschiff der Tenöre zu gelangen, schwimmen sie sogar durch's Eismeer! Und als Violetta in der Oper 'La Traviata' in den Armen ihres Geliebten Alfredos stirbt, weinen die Pinguine heiße Tränen. Ist das nicht Beweis ihrer Musikalität genug?"

"Und woher weiß Elke Heidenreich das alles so genau?"

"Von Quint Buchholz", antwortet Rossipotti. "Er hat von den Pinguinen, dem Opernschiff und den Tenören phantastisch realistische Bilder gemalt."

"Und woher weiß Quint Buchholz von den Pinguinen und dem Opernschiff?" bohre ich weiter.

"Von Elke Heidenreich!"

"Ach so!" sage ich, weil bei mir endlich der Groschen gefallen ist. "Dann haben die beiden die Geschichte nur erfunden? Mir kam das mit den drei Tenören gleich komisch vor. Die gibt's doch gar nicht mehr!"

"Aber sie hat es gegeben", sagt Rossipotti. "Und wenn du mir zwei Fragen beantworten kannst, verrate ich dir jetzt sogar auch ein Geheimnis!"

Ich sehe Rossipotti gespannt an.

"Erstens: Reimt sich die Geschichte von Elke Heidenreich oder nicht?"

Ich tippe auf gereimt.

"Richtig!" sagt Rossipotti. "Und zweitens: Sind die Illustrationen von Quint Buchholz schwarz-weiß oder farbig?"

"Farbig. Wie grobkörnig entwickelte Farbfotos", sage ich ohne mit der Wimper zu zucken. Mit Quint Buchholz kenne ich mich ganz gut aus.

"Wieder richtig!" jauchzt Rossipotti und grunzt mir dann leise das Geheimnis ins Ohr: "Seit das Opernschiff mit den drei Tenören nicht mehr zum Südpol fährt, haben die Pinguine ein eigenes Orchester mit Neuer Musik gegründet. Und weißt du, wer einmal jährlich hinfährt, um sich diese eigenartige, aber bezaubernde Eis-Musik anzuhören? Elke Heidenreich und Quint Buchholz!"

Elke Heidenreich (Text)/ Quint Buchholz (Illustrationen): Am Südpol denkt man, ist es heiß. Carl Hanser Verlag. München Wien 1998.

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Drachenglut

"Bei den ganzen Pinguin-Geschichten sinkt meine Körpertemperatur bald unter den Gefrierpunkt", sage ich. "Stellen wir jetzt nicht besser eine heiße Geschichte vor?"

Rossipotti sagt nichts. Aber sein Kopf dreht sich langsam, ganz langsam in meine Richtung und nickt kaum wahrnehmbar. Offensichtlich hat er im Gegensatz zu mir jetzt schon Probleme, seine erstarrten Glieder zu bewegen.

"Wie wäre es mit einer Drachengeschichte?" schlage ich vor. "Erstens ist dieses Genre zur Zeit sehr beliebt und außerdem wird uns der heiße Drachenatem wieder etwas aufwärmen."

Rossipotti versucht das Maul aufzureißen. Aber nichts zu machen, alles vereist.

"Ich habe erst neulich 'Drachenglut' von dem Bestseller-Autor Jonathan Stroud gelesen", sage ich, "in dem Buch kommen so viel heiße Begriffe vor, dass dir gar nichts anderes übrig bleibt, als aufzutauen."

Rossipotti sieht mich interessiert an.

"Schon auf der ersten Seite im ersten Kapitel steht zwei Mal Sonne, zwei Mal Flamme, brannte und Asche."

Rossipotti zieht eine schiefe Grimasse. Seine Muskeln scheinen sich bereits aufzuwärmen.

"Und auf der zweiten Seite geht es munter so weiter", fahre ich fort und lese eine Stelle aus dem Buch vor: "'Zünglein züngelten und tranken von dem brennenden Gedanken, während die Kleider des Jungen an den Rändern schwelten und sein Gesicht erblasste.'"

Rossipotti hebt langsam seine rechte Pranke, was ich als Ermunterung deute, ihn weiter mit heißen Worten zu füttern: "Überall herrschte Röte. Alles um ihn herum brannte - die Bäume, die Felsen, die Erde, der Himmel. Obwohl seine Augen fest geschlossen waren, setzte die Hitze der lodernden Welt auch sie in Brand. Aber als er fürchtete, dass bald sein ganzes Gesicht verbrennen könnte, ließ die schreckliche Hitze nach, und er öffnete die Augen. Er sah einen Himmel, an dem ein wilder Sonnenuntergang wütete, der die ganze Welt in Brand zu stecken schien."

Erfreut sehe ich, dass Rossipotti wieder fast ganz aufgewärmt ist. Sein Schwanz zuckt und offensichtlich bekommt er auch schon wieder sein Maul auf.

"Und sonst?" fragt er gedehnt.

"Sonst?"

"Gibt es in dem Buch außer brennen, Flammen, Hitze und Sonne auch noch etwas anderes?"

"Natürlich!" sage ich schnell. "Es gibt das Geräusch von geschmolzenem Gold, den Geschmack von geschmiedetem Eisen, es gibt aber auch Sonnenstiche, Fieberschübe, Schweißausbrüche, Feuersbrünste, Brandwunden, einfach alles, was dein Herz begehrt!"

"Alles, was mein Herz begehrt?" fragt Rossipotti und sieht mich gefährlich an. "Mein Herz begehrt keine Wortwiederholungen, sondern Inhalt! Oder hat das Feuer die Substanz des Buchs gleich mit verbrannt?"

Beinahe bereue ich es, dass ich Rossipotti mit meinen Worten aufgetaut habe!
Aber da ich weiß, dass das Buch durchaus einen Inhalt hat, lasse ich mich von Rossipottis hitzigem Geschwätz nicht aus der Ruhe bringen:
"Natürlich hat das Buch einen Inhalt! In der Nähe eines englischen Dorfs schläft unter einem Hügel seit über tausend Jahre ein teuflischer Drache. Immer wieder entsteigen dem Hügel giftige Blasen, die einzelne Dorfbewohner einlullen und dem Drachen untertan machen. Gemeinsam wollen diese fremdgesteuerten Dorfbewohner den Drachen befreien. Als der neue Dorfpfarrer eines Tages ein Holzkreuz nahe der Kirche ausgraben lässt, ist der Bann des Drachens gebrochen und der große Tag seiner Befreiung rückt gefährlich nahe ..."

"Wann wurde das Buch denn geschrieben?" unterbricht Rossipotti. "Das hört sich ja nach einer uralten Geschichte an. Wer interessiert sich heute denn noch für Dorfpfarrer und Holzkreuze?"

"Pah!" sage ich und fange an, mich über Rossipotti zu ärgern. "Das Buch ist brandneu! Außerdem soll das gar keine historische Geschichte sein, sondern ein Fantasy-Roman. In Fantasy-Romanen geht es häufig etwas altertümlich zu."

"Ein Punkt für dich", sagt Rossipotti gnädig. "Erzähl weiter."

"Eine der giftigen Blasen hüllt den Jungen Michael und einen Tag später auch seinen Bruder Stephen ein. Beide bekommen wie die anderen Drachenmenschen den Blick mit dem sie in die Seele anderer Menschen sehen können. Außerdem hat der Drache ihnen auch die Gaben, anderer Leute Gedanken lesen zu können, mitgegeben. Doch während Stephen die Gaben nur einsetzen will, um die Dorfbewohner vor der Gefahr zu beschützen, verschreibt sich sein jüngerer Bruder den anderen drachengesteuerten Dorfbewohnern und dem Bösen."

"Welchem Bösen?"

"Dem bösen Drachen natürlich", sage ich ungeduldig und wundere mich über Rossipottis Begriffsstutzigkeit.

"Sicher", sagt Rossipotti. "Aber warum ist der Drache böse?"

"Das steht in dem Buch nicht so genau. Er ist eben böse und er will nur Böses."

"Und warum sind die Dorfbewohner mit dem Blick und den Gaben böse?"

"Weil sie unsterblich werden wollen!"

"Das ist alles?" fragt Rossipotti. "Unsterblich wollen wir doch alle werden."

"Aber in dem Buch ist das sehr böse."

"Nur weil man das Wort 'böse' ständig wiederholt, wird es auch nicht plausibler!" sagt Rossipotti und versucht nach dem Buch "Drachenglut" auf meinem Schreibtisch zu greifen. Ich ziehe es schnell weg, weil ich ahne, dass er es nur verreißen will.

"Aber der Dorfpfarrer und Michaels Schwester Sarah haben auch enorme Angst vor dem Drachen und den Dorfbewohnern mit dem Blick!" versuche ich mich zu verteidigen. "Stell dir vor, die Drachenanghänger brennen sogar ein Feld ab und entführen Sarah!"

"Interessant!" sagt Rossipotti und gähnt.

"Sie sind im Bund mit dem Teufelsdrachen!" rufe ich. "Reicht dir das nicht?"

"Weißt du was?" fragt Rossipotti und sieht mich belustigt an. "Ich glaube, du bist einem großen Stück Trivialliteratur auf den Leim gegangen. Heraufbeschwörung des gesichtslosen Bösen, Phrasendrescherei um die gleichen Begriffe, platte Charaktere, eine unplausible, schlecht motivierte Handlung usw. Wenn der Schluss genauso schlecht wie der Anfang ist, wird der Drache sicher in letzter Sekunde in einer dramatischen, flammenden Szene mit einem eichernen Speer, der eine eiserne Spitze hat, besiegt."

"Woher weißt du das?" frage ich erstaunt.

"Durch den Blick!" sagt Rossipotti ernst. "Hast du nicht gewusst, dass ich den Blick dafür habe?"

Jonathan Stroud: Drachenglut. Boje Verlag. Köln 2007.

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Lucas

"Jetzt habe ich mir daran beinahe die Zunge verbrannt", sagt Rossipotti und spuckt schnell ein Stück schwarze Pappe aus, auf der noch ein Stück Drachenflamme zu erkennen ist. "Hast du nicht etwas Erischendes zum Hinterherspülen?"

"Wie wäre es mit dem 'Regenroman' von Karen Duwe?", schlage ich vor.

"Gut!" sagt Rossipotti. "Aber leider nicht wirklich für Kinder geeignet."

"Dann vielleicht 'Lucas'?" frage ich. "Der Roman ist zwar auch nichts für unsere jüngeren Leser, aber immerhin hat er von der Jungendjury den Deutschen Jugendliteraturpreis bekommen. Außerdem regnet es in ihm erfrischend oft."

"War das nicht diese packende Liebesgeschichte zwischen dem Landstreicher-Jungen und der Autorentochter?"

"Wenn du mit 'Liebesgeschichte' die einwöchige, allein auf den Augenblick konzentrierte Bekanntschaft zwischen Lucas und Cait meinst, ja!" antworte ich. "Aber von einer Liebesgeschichte zu reden, ist doch etwas übertrieben. Die beiden umarmen sich nur ein einziges Mal und Lukas küsst Cait gerade Mal auf die Wange."

"Ich glaube, du verwechselst Leidenschaft mit Liebe", sagt Rossipotti. "Beides schließt sich zwar gegenseitig nicht aus, aber man kann den anderen durchaus lieben und sich im sehr nah fühlen, ohne ihn zu berühren. "

Ich frage mich, woher Rossipotti das weiß. Ich habe ihn noch nie in Begleitung einer Krokodilsdame gesehen. Außer Esmeralda vielleicht, aber die ist schon 270 Jahre alt! Oder meint Rossipotti gar nicht die Liebe zwischen zwei Verliebten?

"Die Geschichte läuft einem auf alle Fälle heiß-kalt den Rücken runter", sagt Rossipotti und schüttelt sich erschaudernd. "Wenn ich da nur an den brutalen, stumpfsinnigen Jamie Tait denke oder die Hetzjagd auf Lucas. Oder auch die Szene, wo Lucas Jamie beinahe den Penis abschneidet. Wobei 'heiß' in dem Buch unerwarteterweise nicht für die Liebe zu Luca und das warme, vertrauensvolle Verhältnis zwischen Cait und ihrem alkoholabhängigen, schreibenden Vater steht, sondern eher für Wut, Gier, Hass, Ausgrenzung und Gewalt. Und 'Kalt' eher für Liebe, die wie eine abkühlende, frische Brise die heißen Wunden heilt."

Rossipottis pathetische Reden um Liebe und Hass machen mich ganz nervös. Wo ist sein kühler Kopf geblieben?
"Soll ich das Buch jetzt vorstellen, oder willst du noch länger um den heißen Brei reden?" frage ich deshalb.

Rossipotti sieht mich verklärt an und nickt.

"Gut!" sage ich und versuche mich möglichst kurz zu halten: "Auf einer kleinen Insel erscheint eines Tages ein sechzehnjähriger Junge, der zu niemandem zu gehören scheint und den Inselbewohnern von Anfang an ein Rätsel ist. Wo wohnt er? Was will er? Wann geht er wieder? Von was lebt er? Aus schlechter Gewohnheit allem Fremdem gegenüber fassen sie eine tiefe Abneigung gegen ihn und versuchen, ihn mit Intrigen und üblen Nachreden zu vertreiben. Der Junge, Lucas, hätte sicher auch nach zwei Tagen wieder das Weite gesucht, wäre da nicht die fünfzehnjährige Cait. Cait ist anders als die anderen Inselbewohner und er hat ihr versprochen, sie noch ein letztes Mal am Sonntag beim Stadtfest zu treffen. Doch es kommt, wie es kommen musste. Ein Mädchen wird fast ermordet und der Schuldige schnell gefunden: Lucas."

Kevin Brooks: Lukas. Aus dem Englischen von Uwe-Michael Gutzschahn. Deutscher Taschenbuch Verlag. München 2005.

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Lieblingsbuch

vorgestellt von Helma Hörath

Da rinnt es heiß und kalt den Rücken runter

Was verbindest du mit dem Wort warm? Ganz sicher fällt dir sofort ein: die Sonne, der Sommer, ein entspannendes Bad in warmem Wasser, der Zustand nach einem schnellen Lauf, Afrika, die Wüste Sahara, der Regenwald in Südamerika, aufsteigende Hitze im Körper bei einer unangenehmen, aber auch bei einer angenehmen Situation, Feuer, Vulkanausbruch ... Woran denkst du sofort, wenn du das Wort kalt hörst? Sicher an Winter, Schnee, Frost, Frieren, Eisbär, Nordpol, Südpol, kalte Dusche, aber auch an ein kühlendes Getränk in der Sommerglut, an eine große Portion Speiseeis; vielleicht denkst du auch an den Mond, dessen Licht im Gegensatz zur Sonne nicht wärmt ... Bei Freude kann es dir heiß den Rücken runterrieseln. Bei Angst rieselt es dir kalt den Rücken runter, du fröstelst, deine Haut zieht sich zusammen und du bekommst eine Gänsehaut.
Du merkst schon, die Wörter warm und kalt können positive Erinnerungen, aber auch negative Gefühle erzeugen.
Wenn du wissen willst, was in deinem Körper bei Wärme und Kälte vor sich geht und warum das so ist, dann empfehle ich dir die Sachbuchreihe Wieso, Weshalb, Warum? Spielerisch die Welt entdecken vom Ravensburger Buchverlag. Es sind toll aufgemachte Bücher, die du ganz alleine lesen und untersuchen kannst (es gibt viele Abbildungen mit Klappen zum Öffnen). Du kannst sie dir aber auch gemeinsam mit deinen kleineren Geschwistern gemeinsam ansehen, denn die Bücher haben Pappseiten. Aber auch deine ältere Schwester und dein großer Bruder werden darin ganz interessante Fakten zum Auffrischen ihres Wissens finden. Es sind großformatige Bücher mit einer Ringbindung, die das gute Aufblättern und Ablegen der dicken Seiten gestatten. Ich habe mir zu unserem Stichwort Warm-Kalt aus dieser Buchreihe die Nummern 1 mit dem Thema Körper, die Nummer 10 zum Wetter und 34 zum Thema menschliche Sinne angesehen. Die Titel sind in der Kinderbibliothek oder im Buchhandel vorhanden. Alle Bände dieser Reihe kosten 12,95 €.

Aus der Reihe Wieso, Weshalb, Warum?:

  • Tommi Piper/Doris Rübel: Wir entdecken unseren Körper. Ravensburger Buchverlag, Ravensburg 1998.
  • Gabriele Libbach/Angela Weinhold: Unser Wetter. Ravensburger Buchverlag. Ravensburg 2000.
  • Angela Weihold: Wir entdecken unsere Sinne. Ravensburger Buchverlag. Ravensburg 2005.

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Die Tschuktschen in der Kälte Sibiriens, die Ju/'hoansi in der Wärme Namibias

Wir Menschen haben die Fähigkeit, uns den extremsten Bedingungen auf der Erde anzupassen. Dabei bestimmen die Jahreszeiten mit Wärme und Kälte, mit Dunkelheit und Helligkeit unseren Alltag. Märchen, Sagen und Lieder erzählen von den Naturgewalten, von Mensch und Tier, die gemeinsam diesen trotzen oder sie nutzen. Ich machte mich auf die Suche nach Büchern, die das Leben im hohen Norden und im südlichen Afrika zeigen, vernachlässigte dabei Bildbände, Volksmärchen und Sachbücher. Und trotzdem: Es gibt unheimlich viele Titel. Überall leben Menschen, die ihre Umwelt nicht nur beobachten, sondern ihre Erkenntnisse in Gedichten, Erzählungen und Romanen aufschreiben. Auch die Tschuktschen, ein eskimoartiges Volk im Nord Sibiriens, haben ihren Schriftsteller. Er heißt Juri Rytcheu und wurde 1930 als Sohn eines Jägers geboren. Dass er selbst einst in der Tundra, einem Gebiet der arktischen Zone in Russland, lebte, merkt man seinen Romanen und Erzählungen an, denn er weiß sehr genau, wovon er erzählt. Er dokumentiert in vielen beeindruckenden Einzelheiten das Leben von Mensch und Tier in der Wärme der kurzen Sommer und in der Kälte der langen dunklen Polarwinter. Dabei mischt er in der Geschichte, die ich für dich ausgesucht habe, das reale Leben mit dem Zauber eines Märchens:
Hauptheld ist der Polarhund Monder. Ihm gelingt es, bei Vollmond auf dem Tonstrahl seines Heulens in den Himmel zu fliegen und ein Stück vom Mond abzubeißen. (So erklären sich z. B. die Tschuktschen die unterschiedlichen Formen des ab- und zunehmenden Mondes.) Monder aber erhält dadurch die Fähigkeit, alle Tiere - ganz gleich ob es Mücken, Raben oder Robben sind - zu verstehen sich sogar in sie zu verwandeln und mit ihnen eine Zeit lang zu leben. In keiner Tiergestalt wird er wirklich glücklich. Doch dann trifft er ein Menschenmädchen, das jeden Abend zum Himmel aufsteigt und die Scheibe des Mondes wieder vervollständigt. Monder nimmt ein letztes Mal eine neue, eine menschliche Gestalt an. Damit verliert er seine magischen Kräfte, aber er hat seine Liebe und seinen Platz im Leben gefunden.

In eine ganz andere Welt des Lebens in sengender Sonne und Kälte der Nacht entführt uns die Geschichte des Mädchens Be, das zum Volk der Ju/'hoans gehört. Wir Europäer sagen auch Buschmänner zu ihnen. Diese leben im südlichen Afrika, in Namibia. und befinden sich gerade - wie Monder - auf einem Weg der Verwandlung, denn ihr altes Leben können sie nicht mehr führen. Das neue Leben in Namibia - seit 1989 kein durch Südafrika besetztes Gebiet mehr, sondern ein selbständiger Staat - ist für viele von ihnen fremd und unverständlich.
Die Schriftstellerin Lesley Beake ist eine Frau aus Schottland, die aber schon seit Jahrzehnten in Afrika lebt. Sie schildert die Geschichte aus der Sicht der 15jährigen Be. Sie lässt uns teilnehmen an Situationen und Ereignissen, in denen es Be ganz heiß und auch ganz kalt wird. Sie muss mit ihrer Mutter das heimatliche Dorf verlassen. Auf einem tagelangen Fußmarsch legen sie Kilometer um Kilometer zurück. Der alte und kranke Vater der Mutter hat sie gerufen. Sie sollen einen Teil seiner Arbeit auf einer Farm übernehmen. Auf eigenartige Weise verknüpft sich das Leben von Be mit dem der weißen, doch sehr kranken Farmersfrau. Als diese stirbt, fühlt sich Be schuldig und meint, bereits am Ende ihres Weges angelangt zu sein. Sie glaubt, das, was passiert ist, nicht verkraften zu können. Sie nimmt ihre Sachen und geht in die Kälte der Nacht. Aber da ist Khu, der sie liebt, der sie im Busch findet und der sie mit seiner Wärme ins Leben zurückruft.

Beide Bücher kannst auch deinen Eltern zum Lesen weitergeben, damit ihr gemeinsam über Monder und Be sowie die bedrohte Kultur der Völker im hohen Norden und tiefen Süden unserer heutigen Welt sprechen könnt.

  • Juri Rytcheu: Der Mondhund. Unionsverlag. Zürich 2005.
  • Lesley Beake: Lied der Erinnerung. Erika Klopp Verlag. Hamburg 1994.

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Schmetterlinge im Bauch und Herzklopfen im Ohr

Es gibt aber nicht nur die unterschiedliche Geografie der Erde, die vorgibt, ob wir Menschen mehr schwitzen oder mehr frieren. Es gibt im täglichen Leben von uns allen immer wieder Situationen, in denen uns unabhängig von Außentemperatur und Wetter ganz heiß oder ganz kalt wird. Sicherlich hast du so etwas auch schon erlebt. Hier nur einige Beispiele: Wenn eine Klassenarbeit zurückgegeben wird und man nicht genau weiß, ob die eigene Leistung gut oder nicht so gut war, dann können die Hände kalt und schweißig werden. Wenn man gerade eine große Freude erlebt hat, z.B. wenn man das entscheidende Tor geschossen hat, dann merkt man, wie der Bauchraum ganz warm wird.
Aber die Liebe ist auch so ein Geheimnis, das uns heiße oder kalte Schauer den Rücken hinunterlaufen lässt.
Manchmal fühlt man sich ganz allein, wenn sich der Freund oder die Freundin gerade einem anderen Menschen zugewandt hat. Dann ist es gut, wenn in einem Buch davon erzählt, dass es anderen Jungen und Mädchen auch schon so gegangen ist und wie sie es geschafft haben, aus dem scheinbaren Chaos herauszufinden. Liebesgeschichten gibt es natürlich in Hülle und Fülle. Sie lassen sich auch schnell nebenbei lesen und meist wird einem auch ganz warm ums Herz dabei. Ich habe für dich eine Anthologie, eine Sammlung von sieben Erzählungen, ausgesucht. Sieben freche Geschichten rund um die erste Liebe erzählen die Thienemann-Autorinnen Sabine Both, Christamaria Fiedler, Sissi Flegel, Bianca Minte-König, Hortense Ullrich, Irene Zimmermann und das Team Brinx/Kömmerling.

Sabine Both, Christamaria Fiedler, Sissi Flegel (u.a.): Sommer, Sonne, erste Liebe, Thienemann Verlag. Stuttgart 2006.

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Kalter Krieg und Eiserner Vorhang

Beide Begriffe stammen aus einer Zeit, die vor deiner Geburt liegt, als deine Eltern Kinder waren. Als der Zweite Weltkrieg 1945 zu Ende war, da hatten sich zwei politische Machtblöcke gebildet. Der eine wurde von der Sowjetunion (dieser Staat löste sich nach 1990 auf, es bildeten sich mehrere selbständige Länder, das größte davon ist Russland) und der andere von den Vereinigten Staaten von Amerika angeführt. Die Interessenskonflikte beider Blöcke werden als Kalter Krieg bezeichnet. Es waren keine direkten militärischen Auseinandersetzungen. Aber man bekämpfte sich mit wirtschaftlichen und politischen Mitteln. Dazu gehörte auch der sogenannte Eiserne Vorhang zwischen dem Ost-Block und den so genannten westlichen Ländern. Im Zeichen des beginnenden Kalten Krieges schloss Josef Stalin, der Führer der Sowjetunion, die Grenzen Osteuropas. Der britische Premierminister Winston Churchill benutzte dafür in einer berühmt gewordenen Rede ein sprachliches Bild. Er sagte, ein Eiserner Vorhang habe sich gesenkt und spalte Europa. Aber nicht nur Europa, sondern auch Deutschland, auch die Stadt Berlin und damit auch viele Familien. Diese Grenze war so fest, dass die einfachen Menschen sie in der Regel nicht durchdringen oder überspringen konnten. Also ein Reisen von Ost nach West, von West nach Ost war nicht möglich. Sogar das Telefonieren war ein fast unlösbares Problem. Die Menschen, die auf der jeweilig anderen Seite des Eisernen Vorhangs wohnten, lebten in einer anderen, unbekannten Welt. Erst 1990 erklärten die Sowjetunion und die USA offiziell den Kalten Krieg für beendet.
Natürlich hatte diese Zeit auch Auswirkungen auf das Leben der Kinder.
Davon erzählt Klaus Kordon in einem Roman um Matthias, genannte Matze, aus dem Osten und Angelika, genannt Lika, aus dem Westen. Matze wirft eine Flaschenpost in die Spree: Mein Name ist Matthias Loerke. Ich wohne in der Krugallee 72, DDR-1193 Berlin. Ich bin fast 12 und gehe in die sechste Klasse. Wer diesen Brief findet, soll mir schreiben. Ich schreibe garantiert zurück.
Und eigentlich hofft Matze, dass die Flasche bis nach Afrika, Indien oder Australien schwimmt. Doch dann antwortet ihm Lika aus West-Berlin, dem Teil seiner Heimatstadt, der ihm so unbekannt ist wie ein fremder Stern ...

Das Buch findest du in der Kinderbibliothek. Es ist aber noch heute im Buchhandel bestellbar. Du kannst es für einen Preis von 6,90 € kaufen.

Klaus Kordon: Die Flaschenpost. Ein GULLIVER-Roman von Beltz & Gelberg. Weinheim 1999.

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Was wärmt Herz und Verstand?

Natürlich Freundschaft, Liebe, Anerkennung und der Stolz auf eine gute Tat, auf eine gelöste Aufgabe und sicherlich noch vieles mehr. Vieles empfinden wir alle gleich. Vieles empfindet jeder Mensch auch ganz anders als der Nachbar oder die Nachbarin. Mir wird immer ganz warm ums Herz, wenn ich ein Gedicht, eine Geschichte oder ein Manuskript für Rossipotti fertig habe und es beim nochmaligen Durchlesen als gelungen einschätze, wenn ich also mit mir zufrieden bin.
Schreibst du auch Gedichte oder Geschichten? Wenn nein, dann entgeht dir etwas. Versuch es doch einmal! Wer schreibt, hat keine Langeweile. Ich habe da zwei Bücher, bei denen mir schon beim Lesen und Durchblättern ganz warm geworden ist. Du kannst dir darin Anregungen zum Schreiben holen. Wenn du aber schon Profi im Schreiben bist, dann empfehle ich dir diese beiden Bücher trotzdem. Denn Inspirationen kann jeder Künstler oder jede Künstlerin immer wieder gebrauchen.

  • Heinz Janisch: Eine Wolke in meinem Bett. Mit Illustrationen von Isabell Pin. Aufbau-Verlag. Berlin 2007.
  • Esther Spinner und Anna Luchs: Genau! Sagt Paul Schlau. Ein Sprachspielbuch. Bajazzo Verlag. Zürich 2005.

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Echt heiße Effekte

Hast du schon einmal gesehen, welch ein Muster ein heißes Bügeleisen auf ein T-Shirt brennt, wenn man es beim Bügeln aus Versehen ohne Bewegung zu lange auf einer Stelle abgestellt hat? Das macht sich eine kreative Mal-Technik zu Nutze. Sie heißt Encaustic.
Wenn ich dich neugierig gemacht habe und du wissen möchtest, was das ist, dann komm mit mir auf eine Zeitreise in die Blütezeit der Encaustic-Malerei. Wir fliegen mit unseren Gedanken 3000 Jahre zurück und zwar nach Ägypten und Griechenland. Das Wort Encaustic stammt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie einbrennen oder mit Feuer erwärmen. Bei dieser Maltechnik werden besondere Wachsfarben (du kannst also keinen normalen Wachsmalstift dazu verwenden) heiß, fast flüssig auf ein Spezialpapier oder einen anderen Malgrund aufgetragen. Während heute elektrisch beheizte Geräte verwendet werden, wurden in der griechischen Antike die kalten Farben mit glühenden Spachteln, den cauteria, heißflüssig auf Stein, Holz oder Elfenbein aufgetragen. Erkaltet, erstrahlen die Farben in mattem Glanz. Uns noch heute beeidruckende Zeugnisse dieser Kunst sind die berühmten ägyptischen Mumienporträts, die heute im Britischen Museum in London und dem Nationalmuseum Kairo gezeigt werden. Geheimnisvoll klingt die alte Rezeptur, nach denen die Künstler damals das sagenumwobene Wachs im Meerwasser kochten und der Einwirkung von Sonne und Mond aussetzten.
Wiederentdeckt wurde diese alte Maltechnik im 20. Jahrhundert. Heute erlebt die Encaustic eine neue Hochzeit. Diese speziellen Wachsfarben kann man im Handel kaufen. Es gibt auch verschiedene Einsteiger-Sets mit Farben, einem elektrischen Mal-Eisen und einigen Blättern des Spezialpapiers zu ganz erschwinglichen Preisen. Vielleicht ist das ein Wunsch für deinen nächsten Geburtstag? Vorher solltest du dir aber Werke dieser Maltechnik in einem Buch ansehen, damit du entscheiden kannst, ob dich das interessiert oder nicht. Dazu solltest du dich erst einmal in der Bibliothek kundig machen. Denn es gibt mittlerweile sehr viele Bücher zu diesem Thema. Aber wirst du mit einem Erwachsenen dort hingehen müssen, denn du wirst diese Anleitungen sicherlich nicht in der Kinderbibliothek finden. Da mit einem elektrisch aufheizbaren Eisen gearbeitet wird, ist die ganze Sache nicht ganz ungefährlich und du wirst anfänglich auch nur unter Aufsicht arbeiten können. Aber das ist eine Sache, die du mit deinen Eltern klären musst, vielleicht kann es auch ein gemeinsames Hobby für dich und deine Mutter oder deinen Vater werden. Das ist aber eine ganz andere Sache. Ich möchte dir hier ein Buch vorstellen, in dem du sehr viel über Materialien, Techniken und Beispiele zu dieser alten Technik erfahren kannst:

Christel Krones: Encaustic. Malen mit heißen Wachsfarben. Urania Verlag. Stuttgart 2002.

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Na ja, nun könnte ich dir im Gegenzug auch etwas zu Kunstwerken aus Eis und Schnee erzählen. Dazu gehören auch ganz sicherlich die Iglus, die Rundhäuser, die die Eskimos aus Eisblöcken bauen, um darin warm und sicher den Winter zu überstehen. Es gibt auch Künstler in Europa, die mit dem Material Eis arbeiten. Leider ist mir vorher nicht eingefallen, dass ich dir auch solch einen Buchtitel vorstellen könnte. Wenn du in die Bibliothek gehst, dann kannst du ja, wenn du das möchtest, auch danach suchen. Aber ob es im diesjährigen Winter bei uns hier in Deutschland noch einmal so kalt werden wird, dass dir bei einer Schneeballschlacht oder beim Wettbewerb um den lustigsten Schneemann ganz heiß werden kann, das bezweifle ich doch stark.

Darum wünscht dir heute wie immer viel Spaß beim Lesen und Schreiben Deine Helma

 
 © Rossipotti No. 17, Februar 2008