Anagramm


Herkunft und Geschichte des Anagramms

Die Bezeichnung Anagramm kann erstmals im Frankreich des 16. Jahrhunderts nachgewiesen werden. Seine Wurzeln reichen aber weit zurück bis in die griechische Sprache des dritten Jahrhunderts vor Christus. Anàgramma beinhaltet das Umstellen der Buchstaben eines Wortes oder eines ganzen Satzes. So entstehen neue Wörter und Satzinhalte, die sich in dem ersten verbergen und durch das Anagramm auftauchen.
Es steckt aber noch ein anderes griechisches Wort in dem Begriff, nämlich anagraphein. Das bedeutet im Deutschen so viel wie aufschreiben, einschreiben oder auch umschreiben.
Das Anagramm ist also ein aufgeschriebenes Worträtsel oder ein durch Buchstabenumstellung verrätseltes Wort. Nur durch Rücktausch der Buchstaben kann das Ausgangswort erraten bzw. gefunden werden.
Die ältesten Anagramme sollen von Aristandros stammen. Er war Wahrsager des griechischen Königs Alexander des Großen (336-323 v. Chr.). Manche antike Quellen aber schreiben die Erfindung des Anagramms den Juden von Hebron zu. Diese erklärten nämlich, dass in die Anzahl der Buchstaben die verschiedensten Rätsel verwoben seien, deren Wahrheiten nur der Wissende erkennen würde. In den verwendeten Begriffen lägen religiöse Vorbedeutungen, die durch das Anagrammieren - so wird die Tätigkeit bei der Herstellung eines Anagramms bezeichnet - hervortreten würden. Durch das Anagramm eines Personennamens könnten Charakter und Schicksal des Menschen herausgelesen werden. Aus dieser Sicht war das Anagramm also eine Geheimwissenschaft, die nur von einem kleinen Kreis der Eingeweihten erkannt und in ihren Gelehrtenstuben betrieben werden konnte.
Ans Tageslicht soll das Anagrammieren aber von dem griechischen Grammatiker Lykophron von Chalkis (320-250 v. Chr.) gebracht worden sein. Er arbeitete in der Zeit des ägyptischen Königs Ptolemaios II. (308-246 v. Chr.) in der Bibliothek von Alexandria. Gleichzeitig soll er einer der sieben Hofdichter des Herrschers gewesen sein. Um dem Pharao zu schmeicheln, bildete er aus dessen Namen das Anagramm „apo melitos“ und das heißt im Deutschen „wie Honig“.
Es wird vermutet, dass gerade auch Schmeichelei und Herrscherlob zur Verwendung und Verbreitung des Anagramms geführt haben.
Im Europa des Mittelalters war es sehr beliebt, aus den Namen berühmter oder adliger Menschen Anagramme zu deren Lob zu bilden, wobei der Wahrheitsgehalt des Anagramms dadurch bewiesen werden sollte, wenn kein einziger Ausgangsbuchstabe übrig blieb.
Bis ins 17. Jahrhundert hinein wurde dem Anagramm eine herausgehobene Bedeutung beigemessen. So hatte der französische König Ludwig XIII. (1601-1643) an seinem Hof einen Anagramm-Schreiber, der den Titel trug: Anagrammist des Königs. Er hieß Thomas Billon.
Im 19. Jahrhundert verlor das Anagramm als mystische Namensdeutung an Bedeutung und wanderte - von Pädagogen aufgegriffen - als geistige Trainingsmöglichkeit in die Rätsel- und Spielesammlungen.
Auch Wissenschaftler betreiben das Anagrammieren, wenn sie zum Beispiel ihre neuen Erkenntnisse für eine gewisse Zeit verstecken wollen. Es entsteht ein Geheimtext, den nur Eingeweihte entschlüsseln können. Nachgewiesen ist das u. a. bei dem Italiener Galileo Galilei (1564-1642), dem Niederländer Christiaan Huygens (1629-1695) und dem Engländer Robert Hooke (1635-1703). So wurde aus der Sprachspielerei eine Verschlüsselungstechnik, die sogar heute noch manchmal vor allem bei Entdeckungen und Erfindungen von Naturwissenschaftlern benutzt wird.
Erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts erlebten Anagramm und Magisches Quadrat einen neuen Höhepunkt. Zuerst tauchte eine Verbindung von Kreuzworträtsel, Wortquadrat und Anagramm auf. Bereits 1931 von dem Amerikaner Alfred Butts entwickelt, erreichte es erst in den 1950er Jahren unter dem Namen Scrabble einen internationalen Durchbruch. Seitdem ist dieses Wortspiel über alle Kontinente verbreitet und gilt als das meistverkaufte Kreuzwortspiel.

Beispiele für Anagramme

Durch einfache Buchstabenumstellungen lassen sich zahlreiche Wörter aus einem einzigen Wort sozusagen herauslösen.
Zum Beispiel:

Lied - Leid
Palme - Lampe
Nebel - Leben
Klammer - Merkmal
Erich - reich

In der weniger strengen Form, bei der nicht immer alle Buchstaben des Ursprungswortes genommen werden müssen, lassen sich noch viel mehr neue Wörter finden wie beispielsweise:

Erich - reich - hier
Manuela - Laune - Auen - nanu - aua - Lena
Dennis - Sinn - Sein - nie - denn - dein
Charlotte - Athlet - Torte

Die einfachste Form eines Anagramms ist der Buchstabendreher oder das Vertauschen von Silben wie bei:

Lager - er lag

Viele Pseudonyme entstehen durch ein Anagramm des Vor- oder/und des Familiennamens.
Dafür gibt es unendlich viele Beispiele aus allen Jahrhunderten, so von dem deutschen Dichter Christoffel von Grimmelshausen (1622-1676) mit vielen Pseudonymen u. a. German Schleifheim von Sulsfort. Aus dem 20. Jahrhundert gibt es als Beispiel das Anagramm aus dem Namen der berühmten englischen Krankenschwester Florence Nightingale (1820-1910): Flit on, cheering angel = Husche weiter, fröhlicher Engel.

In Zeitschriften und Zeitungen findet man manchmal auch Rätsel in Anagrammform, sogenannte Visitenkartenrätsel. (Eine Visitenkarte ist eine kleine Karte, auf der Name, Beruf, Anschrift, Telefon/E-Mailnummer usw. vermerkt ist.) Bei so einem Rätsel ist meist der Beruf einer Person aus dem Namen der angegebenen Stadt zu erraten. Ein Beispiel dafür bietet das elektronische Lexikon Wikipedia an und fragt: Welchen Beruf übt die Person mit der folgenden Visitenkarte aus? Dort ist zu lesen:

Fr. Inge C. Sonst, Rheine.
Antwort: Schornsteinfegerin.

Eine Sonderform des Anagramms ist das Palindrom. Das Wort ist hierbei von links und rechts zu lesen beispielsweise wie bei Anna und Otto.
Solche Palindrome wurden auch als Erkennungszeichen benutzt, zum Beispiel von den ersten Christen. Denn AVE von rechts gelesen, ergibt EVA.
Es gibt auch Satz-Palindrome wie die bekannte Fügung:

EIN ESEL LESE NIE.


Bildausschnitt aus Albrecht Dürer
  Melancolia I
 

Diese Sprach-Technik wird bei den magischen Quadraten genutzt, bei denen die verwendeten Wörter von links nach rechts, von rechts nach links, von oben nach unten und umgekehrt gelesen werden können. Diese Form ist sehr alt. In den ersten Jahrhunderten nach Christus tauchte sie u. a. in Europa, Kleinasien und Nordafrika auf.

Neben diesen Buchstabenquadraten kennen wir auch magische Quadrate mit Zahlen, die in jeder Lesrichtung die selbe Summe ergeben. Ganz berühmt ist das magische Quadrat, das der deutsche Maler und Zeichner Albrecht Dürer (1471-1528) auf seinem Bild Meloncolia I sichtbar neben die große Sanduhr gesetzt hat. Es hat insgesamt 16 Zahlen, die in jeder Reihe und sogar in den Diagonalen die Summe 34 ergeben.

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