Feuilleton


Geschichte und Gegenwart des Feuilletons

Am Ende des 18. Jahrhunderts begann die französische Zeitschrift Journal des Débats ihren Berichten ein Feuilleton, ein Blättchen, mit kurzen Theaternachrichten und Buchkritiken beizulegen. Die Beilage mit den Kulturnachrichten war bald so gefragt, dass man das Feuilleton ins Hauptblatt aufnahm. Dafür wurde der untere Teil der Zeitungsseite durch einen dicken Strich abgetrennt. Dieser „Keller“ war nun den speziellen Kulturthemen vorbehalten. Durch den Strich fand der Leser diese beliebten Abschnitte schneller. Er konnte sie heraustrennen, sammeln und in Bücher mit leeren, unbedruckten Seiten einkleben. Diese selbst gestalteten Bücher wurden oft für die Unterhaltung in der Familie benutzt. Das war in der damaligen Zeit eine beliebte Freizeitbeschäftigung. 
Das Kultur-Blättchen wurde im 19. Jahrhundert von Zeitungen in Deutschland übernommen und behielt dabei seinen französischen Namen „Feuilleton“. Bis in die 1920er Jahre fand man das Feuilleton in der Regel von der ersten Seite der Zeitung an sozusagen „durchlaufend unter dem Strich“. Erst später wurde ihm ein eigener Seitenbereich zugeordnet.

Ziel des Kulturteils, also des Feuilletons einer Zeitung, ist es, mit einer breiten Themenvielfalt und einer gut aufbereiteten, kurzweiligen Darstellung die Aufmerksamkeit von vielen Lesern zu erregen und über längere Zeit zu fesseln. Dabei werden Neuigkeiten aus Literatur, Theater, Film, Bildende Kunst, Tanz, Mode (in jüngster Zeit auch oft aus Wissenschaft und Technik) berichtet. Daneben werden aber auch Diskussionen über das kulturelle Leben nicht nur begleitet, sondern manchmal sogar angestoßen. Gerade auch bei Büchern, die zum ersten Mal veröffentlicht werden, findet deren erste öffentliche Bewertung durch die Besprechung eines Literaturkritikers im Feuilleton statt.


Illustration: Tine Neubert

Im Vordergrund steht dabei aber die Unterhaltung der Leserschaft. Darum finden sich im Feuilleton viele relativ kurze Texte. Diese kleinen Feuilletonformen wurden Anfang des 19. Jahrhunderts vor allem durch Dichter und Denker in die Presse hineingebracht. Sie werden unter anderem auf die deutschen Dichter Ludwig Börne (1786-1837) und Heinrich Heine (1797-1856) zurück geführt.

Im Feuilleton lassen sich viele journalistischen Genres wie zum Beispiel Kommentar, Glosse, Bericht, Interview, Kurzreportage, Kritik, Reisebericht  verarbeiten. Der Schreibstil kann dabei leicht, heiter, bildhaft, ernst, manchmal witzig, aber auch nachdenklich sein. Aber auch literarische Formen wie beispielsweise Gedichte ließen sich über dieses Genre und die Presseveröffentlichung bekannt machen.

Man umschrieb diese feuilletonistischen Formen häufig mit Plauderei. Gerade hier setzten auch die Kritiker an. Sie warfen den Autoren, die sich besonders mit dem Feuilletonschreiben befassen, also den Feuilletonisten vor, dass sie oberflächlich und halbgebildet seien, bei ihren Lesern nur das Streben nach Spaß bedienen würden. Dabei geht es im Feuilleton aber oft um Erfahrungen im Alltag, um Beobachtungen am Rande, die den Leser bei der Bearbeitung durch den Schreiber zu neuen Einsichten im Leben führen können.

Seinen Höhepunkt hatte das Feuilleton als intelligente Plauderei in den 1920er Jahren. Autoren war es wichtig, ihre Texte auch in Zeitungen und Zeitschriften literarisch anspruchsvoll zu gestalten. Und diejenigen, die oft meisterhafte journalistische Beiträge schrieben, waren bei vielen Lesern bekannt und beliebt, was sich sehr positiv auf den Verkauf einer späteren Buchveröffentlichung mit Sammlungen von Feuilletons auswirkte.
Zahlreiche Autoren waren übrigens jüdischer Herkunft. Aus dem Grund wurde das Feuilleton durch die Nationalsozialisten als „jüdisch“ beschimpft und verschwand zwischen 1933 und 1940 fast vollständig aus den deutschen Zeitungen. Nach 1945 konnte das Feuilleton nicht mehr seine frühere Qualität und Beliebtheit erlangen. Aber die Erkenntnis der Feuilletonisten von damals, dass nämlich „in der Kürze die Würze“ liegen kann, machen sich die Journalisten von heute manchmal zu nutze. So lassen sich Kurzkommentare und Glossen auf Spalten der ersten Seite mancher Tageszeitungen finden.

Seit den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts hat sich das Feuilleton jedoch vor allem in der sogenannten Kolumne erneuert. Die Kolumne umfasst meist eine Spalte in der Zeitung, die einem bestimmten Autoren vorbehalten bleibt und immer auf einer bestimmten Seite zu finden ist. Es ist immer eine persönliche Meinungsäußerung des Schreibenden zu einem aktuellen, gesellschaftlichen Sachverhalt.
Im Rundfunk ist etwas Ähnliches entstanden und wird hier bei manchen Sendern mit Tageskommentar, Wort zum Tag, im Fernsehen Wort zum Sonntag (hier Kirchenvertretern vorbehalten) bezeichnet.

In diesen Kolumnen melden sich nicht nur Journalisten zu Wort, sondern auch Schriftsteller. Zu nennen sind hier etwa Elke Heidenreich, Michael Rutschky, Maxim Biller, Wiglaf Droste und insbesondere Max Goldt.
Schriftsteller machen sich im Feuilleton übrigens nicht nur in Kolumnen und Kommentaren bemerkbar, sondern veröffentlichen im Kulturteil Aufsätze, Gedichte und zum Teil ganze Fortsetzungsromane oder -Erzählungen.
Der Fortsetzungsroman als Bestandteil des Feuilletons, des Kulturteils, war besonders im 19. Jahrhundert beliebt. Zuerst wurden vorhandene Roman als Fortsetzung im Feuilleton abgedruckt, bald entwickelte sich daraus die Praxis, direkt für die Zeitungsveröffentlichung in Fortsetzungen zu schreiben. Ein bekanntes Beispiel dafür ist das Leben von Pinocchio. Sein „Vater“, der Schriftsteller Carlo Collodi (1826-1890), hatte die Abenteuer der italienischen Holzpuppe aus Florenz zuerst für die Zeitschrift Giornale per i bambini in 36 Folgen geschrieben. Erst später ist diese Geschichte als Buch erschienen.
Heute erscheinen Fortsetzungsgeschichten übrigens weniger im Feuilleton und mehr in Zeitschriften, die durch ihre unterhaltsam vorgetragenen Themen zu Gesellschaft und Kultur insgesamt feuilletonistischen Charakter haben. Aber auch kostenlose Werbe- und Anzeigenzeitungen, die regelmäßig in die Hausbriefkästen gesteckt werden, bedienen sich manchmal dem Sog einer Erzählung in Fortsetzung. So können sie ziemlich sicher sein, dass ihre Publikation durchgesehen wird.

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