Figur


Bedeutung

Literarische Figuren sind alle erfundenen Personen in Theaterstücken, in Romanen und Erzählungen. Was sie tun und erleben, bildet die Handlung des literarischen Textes. Um solche Figuren aus Worten zu formen, kann der Autor ganz verschiedene Mittel anwenden.
Am einfachsten ist es, die Figur direkt zu beschreiben. Das nennt man explizite Charakterisierung und hört sich zum Beispiel so an:
"Pippi war ein sehr merkwürdiges Kind".
Ein Autor, in diesem Fall also Astrid Lindgren, beschreibt seine Figur aber auch implizit, nämlich durch das, was sie tut. Das hört sich dann so an:
"Nach einer Weile kam sie zurück. Aber jetzt ging sie rückwärts. Das tat sie, damit sie sich nicht umzudrehen brauchte".
Oder sie beschreibt Pippi durch das, was sie sagt: "Warum ich rückwärts gegangen bin? Leben wir etwa nicht in einem freien Land? Darf man nicht gehen wie man will? Übrigens will ich dir sagen, dass in Ägypten alle Menschen so gehen und niemand findet das auch nur im geringsten merkwürdig."

Wie kommt uns Pippi hier vor? Wahrscheinlich äußerst seltsam. Diese implizite Beschreibung hat uns das viel eindringlicher gezeigt, als die bloße, explizite Behauptung, sie sei ein merkwürdiges Kind.
Autoren versuchen meistens, Beschreibungen von Figuren in eine beispielgebende Handlung zu verpacken, das wirkt stärker und ist auch unterhaltsamer zu lesen.

Aber es gibt noch einen dritten Weg, wie der Autor ganz geschickt und unauffällig seine Figur charakterisieren kann: nämlich durch das, was die anderen Figuren im Buch von ihr halten. So sagt zum Beispiel Annika:
"Wach auf, wir wollen zu dem ulkigen Mädchen mit den großen Schuhen gehen."
So erfahren wir, dass Pippi auch in der Wahrnehmung anderer als ulkig angesehen wird.

Funktion der Figur

Figuren haben bestimmte Aufgaben oder Funktionen in einem Text.
In Kinderbüchern gibt es zum Beispiel fast immer eine Identifikationsfigur. Sie ist so gestaltet, dass es den Kindern leicht fällt, in ihre Rolle zu schlüpfen und in dieser Rolle die Geschichte mit zu erleben. Bei Pippi Langstrumpf treten sogar zwei Identifikationsfiguren auf: Thomas und Annika. Sie sind ganz normale Kinder - so wie die meisten Leser auch. Für manche kann natürlich auch Pippi selbst die Identifikationsfigur sein, je nachdem wie sich der Leser selbst wahrnimmt.

Sehr oft ist die Identifikationsfigur auch die Hauptfigur der Geschichte, der Protagonist. Aber nicht immer. Denn wie das Beispiel Pippi Langstrumpf zeigt, können auch Nebenfiguren wie Thomas und Annika Identifikationsfiguren sein. Trotzdem bildet bei Pippi Langstrumpf die Hauptfigur, also Pippi, die eigentliche Geschichte.

Eine andere Aufgabe als der Protagonist hat übrigens der Gegenspieler, der sogenannte Antagonist. Er legt der Hauptfigur Probleme in den Weg. Das ist wichtig, damit die Geschichte überhaupt in Gang kommt. Ohne Problem müsste die Hauptfigur nicht handeln, und es käme nicht zu all den lustigen, spannenden, traurigen, schönen und seltsamen Geschehnissen, die das Buch ausmachen. Der Antagonist muss nicht immer eine einzige Figur sein. Und er muss auch nicht immer böse sein. Er muss nur etwas anderes wollen als die Hauptfigur.
Bei Pippi gibt es sehr viele Antagonisten: die Schutzleute, die sie in ein Kinderheim stecken wollen. Oder die Diebe, die ihre Goldstücke klauen möchten, oder auch die nette Lehrerin, die möchte, dass sie sich im Unterricht gut benimmt.

Was für Aufgaben die Figuren in Texten haben, hängt nicht nur davon ab, um was für eine Textgattung oder Genre es sich handelt, ob es also ein Theaterstück, ein Krimi oder ein Entwicklungsroman ist, sondern liegt auch sehr stark an der Zeit, in der dieser Text geschrieben wurde.
Heutzutage sind glaubwürdige Figuren beliebt, die wie echte Menschen unterschiedliche Gefühle haben und bei denen verschiedene Charakterzüge zum Vorschein treten.

In der mittelalterlichen Literatur gab es aber auch Figuren, die nur einen einzigen Charakterzug hatten: Sie sollten eine bestimmte Idee verkörpern, zum Beispiel die Liebe oder die Gerechtigkeit. Solche Figuren nennt man Allegorie oder Personifizierung.
Etwas vielschichtiger ist der Typus. Typen sind Figuren, die immer die gleiche Eigenschaft haben wie zum Beispiel der Geizige, Fromme oder Reiche. Außerdem redet man von Typen, die als vorgeprägte Figur in mehr als einer Geschichte erscheinen. Wie zum Beispiel Kasperl und Seppel in unterschiedlichen Kasperltheaterstücken. Solche Typen kommen in allen literarischen Epochen vor.

Rhetorische Figur

Neben handelnden Figuren in Geschichten, gibt es in der Literatur auch rhetorische Figuren. Sie haben überhaupt nichts mit dem, was hier bisher beschrieben wurde, zu tun. Rhetorische Figuren sind nämlich keine erfundene Personen, sondern Stilmittel, die Worte so zu benutzen, damit eine bestimmte Wirkung erzielt werden kann. Mit solchen Figuren kann der Text beispielsweise besser verdeutlicht, veranschaulicht oder ausgeschmückt werden.
Es gibt sehr viele verschiedene rhetorische Figuren. Man teilt sie grob in Wort- und Sinn- oder Gedankenfiguren ein.
Zu Wortfiguren gehören bildhafte Worte, klangvolle Laute und grammatikalische Abweichungen vom üblichen Wortlaut. Metaphern, Wortwiederholungen des gleichen oder synonym verwendbaren Wortes (Parallelismus) oder Satzanfangs (Anapher) und Alliterationen (die Anfangsbuchstaben aufeinanderfolgender Wörter sind gleich) sind beispielsweise beliebte Wortfiguren.
Sinn- oder Gedankenfiguren strukutrieren dagegen den Text so, dass eine bestimmte Aussage deutlich wird. Sinnfiguren sind beispielsweise die Antithese, in dem zwei Aussagen gegenüber gestellt werden, der Vergleich, der verschiedene Stellen in Beziehung setzt, um sie aneinander zu messen und die Exclamatio (Ausruf), der das Gesagte unterstreicht oder die persönliche Anteilnahme darstellt.

Nachtisch


Animation: © Cx Huth
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