Der Kater, der keine Mäuse fraß

Ulrike Brykczynski (13 Jahre)

Sonntagnachmittag. Familienversammlung im Wohnzimmer der Familie Schmitz. "Was machen wir denn nun mit dieser verfressenen Maus? Und diesem unsäglichen Kater, der alles tut, außer Mäuse zu fangen?" Ja, das war eine schwierige Frage, die Johanna und Christoph, die Eltern, sowie Patricia und Felicitas, zwei der drei Kinder, beschäftigte. Victor, der Fünfte im Bunde, war zwar anwesend, schrieb aber lieber eine SMS nach der anderen an seine Freundin und diverse Kumpels, als sich aktiv an dem Gespräch zu beteiligen. Was interessierten ihn denn auch schon die Belange seiner Eltern - gerade, wenn es um Katzen und Ähnliches ging?

"Wir sollten dem Kater einfach verbieten, mit der Maus zu kuscheln, vielleicht frisst er sie ja dann!", schlug Felicitas vor. "Häh? Wie kommst du denn darauf, dass Carlo mit dem kleinen Viech schmust? Meinst du nicht, dass er sie einfach nicht mag? Also, ich würde ja einfach Mausefallen aufstellen und, wenn Carlo die toten Mäuse sieht, sie ihm zum Fressen anbieten!", fuhr Patricia ihrer kleinen Schwester über den Mund. "Klar, er kuschelt mit ihnen, das habe ich doch gestern gesehen! In der Speisekammer!" Felicitas protestierte entrüstet. "So ein Quatsch. Also, Feli, ich glaube dir ja eine Menge, aber jetzt fängst du wirklich an, zu spinnen!"

Felis Mundwinkel verzogen sich nach unten und mit einem lauten Türenknall verschwand das Mädchen aus dem Wohnzimmer. "Pah, der Kater kuschelt mit den Mäusen! Was die sich immer so ausdenkt... tja, das hat sie nun davon..." Triumphierend schaute die Ältere ihre Eltern an. "Patti, du sollst nicht immer deine Schwester ärgern! Vielleicht hat sie ja Recht!" Der Vater erwiderte ihren Blick etwas tadelnd. "Oder warum fängt dein Carlo, von dem du versprochen hast, dass er Mäuse für sein Leben gern jagt, dann nicht eines der Viecher?" Musste er jetzt wieder damit kommen, dass sie den Kater von ihrer Freundin mitgebracht hatte? Das hatte sie doch vorher nicht wissen können! - Die Freundin hatte jedenfalls noch nie Mäuse gehabt. Auch Patricia stand nun wie vorher ihre Schwester auf, drehte sich auf dem Fuß um und verließ den Raum. "Zicken!", murmelte Victor, freute sich aber, dass die Mädchen die Versammlung so vorzeitig beendet hatten und folgte ihnen.

"Und was machen wir jetzt? Das kann ja mit dem angeknabberten Essen wirklich nicht mehr lange so weitergehen!" "Ach, uns wird schon was einfallen. Hör mal zu, ich glaube, ich habe da schon was..." Und Johanna Schmitz fing an, ihrem Mann einen Plan zu erläutern, den sie sich gerade ausgedacht hatte.

"Mama? Kann ich noch mal schnell zu Laura gehen? Ich will mir was von ihr borgen!" Felicitas hatte mehrere Minuten (mindestens 20 Stück, und das war für sie schon eine lange Zeit) überlegt, wie sie den anderen zeigen konnte, dass der Kater die Mäuse gern mochte und eben mit ihnen kuschelte. Nun hatte sie einen Geistesblitz, brauchte aber, um ihren Einfall zu verwirklichen, den alten Kaninchenstall ihrer Freundin.

"Na gut. Aber beeil dich, heute gibt es früher Abendbrot, weil Papa und ich ja noch weggehen, Victor passt dann auf euch auf, du weißt schon..." "Ja, ja...", murmelte Feli noch, bevor sie ihre Plastiktüte nahm, die sie extra aus der großen Kiste, in der solche immer gelagert wurden, herausgesucht hatte. Den Berg, der übrig geblieben war, konnte man ja später immer noch wegräumen... Dann rannte das Mädchen die Treppe herunter, bevor sich ihre Mutter das noch anders überlegen konnte.

Eine riesige, mit etwas Viereckigem gefüllte Plastiktüte hinter sich herschleifend, erreichte Felicitas am Abend das heimatliche Haus. Natürlich hatte sie es nicht zu sieben Uhr geschafft, sich vom Spielen loszureißen, war daher etwas länger geblieben, um einem Donnerwetter der Mutter zu entgehen, sodass es nun schon dunkel war. Sie klopfte an und Patricia öffnete, den Fön in der Hand. "Ach, na endlich, Feli! Du kannst doch heute bestimmt mal alleine zu Hause bleiben... Weißt du, Julius hat gerade angerufen und ich wollte..." "Geh doch! Victor ist ja auch noch da...!" "Ich fürchte, nicht! Er hatte ja heute Abend schon lange geplant wegzugehen! Ach Feli-Maus, du schaffst das doch alleine! Und bevor Mama und Papa wieder da sind, sind wir es schon lange!" Patricia schaute ihre kleine Schwester so flehend an, dass diese fast lachen musste. Normalerweise war Feli ja nicht gern allein in dem großen Haus - sie konnte sich noch gut an die Gruselgeschichten erinnern, die ihre Oma ihr früher immer erzählt hatte - doch heute freute sie sich fast. Dann konnte sie ihre Mause-und-Katzen-Falle gut bauen... Außerdem hatte sie die Große nun schon lange genug auf die Folter gespannt. "Na gut!", sagte sie deshalb, "Aber wenn ihr wieder zu spät kommt - ich bin unschuldig!"

Was fehlte jetzt noch? Ein schönes Stück Käse - vorhanden. Ein Schale Katzenfutter auch. Der alte Hasenkäfig stand schon lange in der Diele. Und mehr brauchte sie ja nicht - ach, doch! Die Taschenlampe zur Beleuchtung des Flures, die stand noch in ihrem Zimmer. Nun stand dem Beweis der Liebe zwischen Carlo und der Maus ja nichts mehr im Wege! Feli kauerte sich hinter den Regenschirmständer und versuchte, die bequemste Position zu finden. Das Mädchen hatte sich auf stundenlanges Warten eingestellt, doch schon etwa 10 Minuten nach Beginn des Experiments passierte etwas - allerdings auf eine etwas andere Weise, als sie sich das vorgestellt hatte. Carlo kam und sprang in den Käfig. Dabei machte er einen riesigen Radau. Dann stürzte er sich erst auf das Katzenfutter und dann, als das alle war, auf den Käse. Nein, das durfte er doch nicht! Das war doch für die Mäuse gedacht! Aber wenn Feli ihn daran hinderte, würde bestimmt auch keine Maus mehr kommen. Also warf sie von ihrem Schirmständer mithilfe des langen IKEA-Schuhanziehers die Käfigklappe zu.

Wo blieb denn diese Maus? Kam denn gar keine? Wohl doch stundenlanges Warten. Nach einer halben Stunde war Felicitas tief und fest eingeschlafen und bekam gar nicht mit, wie die Hausmaus in den Käfig hineinkletterte, sich mit der Katze brüderlich den Käse teilte, sich in ihr Fell einkuschelte und der gleichen Tätigkeit nachging wie die eigentlich Versuchsleiterin.

Aber deren Eltern bekamen es mit, als sie nach Hause kamen und waren durchaus gerührt. Während nun der Vater seine schlafende Tochter ins Bett trug und sie behutsam zudeckte, nahm die Mutter die schlafende Maus aus dem Katzenfell und setzte sie ins Gebüsch vor dem Haus. Vielleicht wurde so ja aus der Hausmaus eine Feld-, Wald- oder Wiesenmaus.

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