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Salon Albert

Freie Zeit ist für Schriftsteller ein kostbares Zaubermittel.
Es verwandelt ihren Alltag in Ereignisse, Ereignisse in Ideen und Ideen in Geschichten.
Unter den Zauberhänden der Schriftsteller verwandelt sich jedoch auch die freie Zeit selbst. Und zwar in Freiheit. Oder genauer: In die Freiheit, Gedanken bis in die gefährlichsten oder unglaublichsten Gegenden schweifen zu lassen.
Da die Schriftsteller ihre Leser oft mit auf die Reise nehmen, kommt es immer wieder vor, dass alte Ideale zu Bruch gehen und ungeahnte Kräfte entfesselt werden.
Kein Wunder also, dass dort, wo Müßiggang als aller Laster Anfang betrachtet wird, Schriftsteller für gewöhnlich nicht als kreative Bohemiens gefeiert, sondern als faule, die Gesellschaft störende Subjekte missachtet werden. Und kein Wunder, dass regelmäßig dort, wo Freiheit unterdrückt wird, Literatur zensiert und verboten wird.
Es ist also ein aufregendes, manchmal auch sehr gefährliches Spiel mit dem Zaubermittel "Freie Zeit". Selbst dann, wenn man nur in seiner stillen Kammer sitzt und scheinbar unbeachtet seine Geschichten schreibt.
Behalten wir dies im Hinterkopf, wenn wir jetzt unseren Helden im literarischen Salon: besuchen. Noch ist er kein Schriftsteller. Doch deuten alle Zeichen darauf hin, dass er es eines Tages sein wird: Er sitzt reglos in seinem Zimmer, entwickelt eigenartige Theorien und schläft lieber in einem Park als seine Freiheit aufzugeben...

 
 © Rossipotti No. 12, August 2006