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Abenteuer mit der Flupppuppe

Vorwärts

Baby

Das Baby war riesengroß, fett und hässlich.

Betrüger-Schorschi war es unbegreiflich, wie man so groß, so fett und so hässlich sein konnte. Und bevor er sich das Baby genauer angesehen hatte, hatte er bereits sein ärztliches Urteil gefällt: Das Baby war ein Ding der Unmöglichkeit! Es sprengte die Vorstellungskraft jedes Menschen. Und deshalb musste es so schnell wie möglich verschwinden!

Die Flupppuppe flog einmal in einem großen Bogen um das Baby herum, wie um Betrüger-Schorschi zu zeigen, dass es auch seine schönen Seiten hatte.

Aber Betrüger-Schorschi dachte nicht daran, sich von den weichen Baby-Augen, die verträumt über die Berge sahen, oder den süßen Grübchen auf den Wangen betören zu lassen.

Warum auch?

Das Baby war ein Bedrohung für die Öffentlichkeit. Er hatte von der Flupppuppe und dem Torwart den Auftrag bekommen, das Baby unschädlich zu machen. Er wäre verrückt, wenn er die einmalige Gelegenheit, sich beim Torwart Respekt und dadurch hoffentlich auch einen erfolgreichen Eingang in diese Welt zu verschaffen, nicht nutzen würde. Da konnte ihm eine persönliche Abneigung gegen das Baby nur helfen.

Im Moment war das Baby glücklicherweise so mit Nuckeln beschäftigt, dass es die Flupppuppe und ihren Begleiter nicht bemerkte.

„Kommt Zeit, kommt Rat“, sagte die Flupppuppe.

„Und mit dem Rat die Tat“, setzte Betrüger-Schorschi hinzu.

Die Flupppuppe flog einen kleinen Bogen um die fleischigen Speckarme des Babys.

Das Baby hörte mit Nuckeln auf und lauschte angestrengt.

Hinter seinem Rücken hörte es ein leises Summen.

Was war das?

Es drehte seinen Kopf und quietschte erfreut auf.

Das Summen kam von einem fliegenden Riesenwurm! Oder nein: Von zwei Riesenwürmern, die aneinander geklebt waren!

„Ai!“, lachte das Baby und griff mit seiner großen, plumpem Hand nach der Flupppuppe.

„Vorsicht!“, schrie Betrüger-Schorschi. „Das Baby hat uns entdeckt!“

Die Flupppuppe schraubte sich blitzartig in die Höhe.

Betrüger-Schorschi war auf diese Steilvorlage nicht gefasst und fiel kopfüber nach unten. Direkt in die warme Patschhand des Babys!

„Ai!“, lachte das Baby. „Ai, ai!“

Betrüger-Schorschi schrie.

Die Flupppuppe bremste ab, flog aber nicht zu Betrüger-Schorschi, sondern blieb lieber aus der Reichweite des Babys.

„Flupppuppe!“, rief Betrüger-Schorschi. „Hilf mir!“

„Hast du Suppe?“, fragte die Flupppuppe.

„???“

„Nichts für ungut“, sagte die Puppe.

Das Baby stupste mit dem Finger in Betrüger-Schorschis Bauch. Betrüger-Schorschi fiel um und rappelte sich wieder auf.

Das gefiel dem Baby.

Nochmals stupste es Betrüger-Schorschi um, und nochmals stand er auf.

Das Baby lachte und stupste Betrüger-Schorschi immer wieder um. Und immer wieder stand Betrüger-Schorschi auf.

„Bleib liegen!“, rief ihm die Flupppuppe zu.

„Damit es mich wie einen kaputten Käfer wegschleudert?“, schrie er, nun voller Angst. „Nein, danke!“

Nach zwanzig weiteren Stupsern war es dann aber trotzdem so weit: Betrüger-Schorschi war erschöpft und konnte keinen Finger mehr rühren!

Doch das Baby dachte nicht daran, ihn wegzuschleudern: Es war lange her, dass es ein so lustiges Spielzeug gefunden hatte. Nachdem der Wurm nicht mehr aufstand, hielt es seinen Handteller nahe ans Gesicht, um ihn sich besser ansehen zu können. Oh! Der Wurm hatte Kleider an. Und er hatte einen weichen Pelz am Kopf. Das Baby kreischte: Der fliegende Riesen-Wurm war ein Mensch!

Und da fiel dem Baby wieder ein, dass die Menschen ihm immer nur Schokoladenpudding und Leberpastete zum Essen brachten. Dass es aber keine Lust mehr auf Schokopudding und Leberpastete hatte, und dass es endlich einmal etwas anderes essen wollte!

Das Baby verzog seinen Mund zu einer schrecklichen Grimasse und schrie von einer Sekunde auf die andere aus Leibeskräften los. Es formte seine Hände zu Fäusten und zerquetschte Betrüger-Schorschi dabei um ein Haar.

Soweit Betrüger-Schorschi zwischen den dicken Fingern des Babys hindurch sehen konnte, machte die Flupppuppe keinerlei Anstalten, ihm zu helfen. Im Gegenteil: Sie flog in sichere Entfernung vom Baby und hielt sich die Ohren zu. Zu mehr war sie anscheinend nicht in der Lage.

Doch Betrüger-Schorschi wusste nicht, dass auch die Flupppuppe in Gefahr schwebte! Das Geschrei des Babys versetzte ihre Beine nämlich in so starke Schwingungen, dass sie kurz vor dem Zerplatzen waren! Wenn das Baby noch eine Minute länger schrie, würde es um ihre Beine geschehen sein!

In ihrer Not wusste sich die Flupppuppe nicht anders zu helfen, als auf Ohrhöhe des Babys zu fliegen und ihm beruhigende Worte zuzurufen. Aber das Baby kümmerte sich nicht darum und schrie einfach weiter.

Die Flupppuppe kitzelte nun an einem Ohrläppchen des Babys. Aber das Baby schrie weiter.

Die Flupppuppe streichelte mit ihrer kleinen Hand die Wange des Babys. Aber das Baby schrie weiter.

„Dann eben so“, sagte die Flupppuppe verzweifelt und stieß ihre hochhackigen Schuhe mit voller Kraft in die Wange des Babys.

Das Baby schrie weiter, fasste sich aber mit der einen Hand an die Backe. Dabei erwischte es den Schuh der Flupppuppe und ... hörte endlich auf zu schreien!

„Ai“, seufzte das Baby. „Ai, ai!“

Es erinnerte sich wieder an Betrüger-Schorschi und versuchte ihm jetzt den Schuh anzuziehen.

„Au!“, rief Betrüger-Schorschi. „Lass das!“

Die Flupppuppe machte ihm aufgeregte Zeichen. Sie wollte offensichtlich ihren Schuh wieder haben. Aber, so dachte Betrüger-Schorschi, die Flupppuppe half ihm nicht, weshalb sollte er dann ihr helfen?

Das Baby drückte ungeduldig an dem Schuh und nach einigem Rütteln und Quetschen hatte es Betrüger-Schorschi endlich den Flupppuppenschuh angezogen.

Oh, sah der Mensch jetzt schön aus!

Vorsichtig nahm das Baby ihn zwischen zwei Finger und hob ihn auf Augenhöhe.

„Fei!“, rief es, „fei, fei!“

Betrüger-Schorschi kam eine Idee. Vielleicht verstand das Baby mehr, als es selbst sprechen konnte?! Dann konnte er sich vielleicht mit Worten freikaufen? Er dachte an die zehn Tafeln Schokolade in seinem Korb.

„Baby!“, rief Betrüger-Schorschi so laut er konnte. „Baby, hörst du mich?“

Das Baby schaute ihn interessiert an.

„Baby!“, fuhr Betrüger-Schorschi fort. „Du hast doch bestimmt Hunger?“

Betrüger-Schorschi rieb sich mit kreisenden Bewegungen den Bauch. Das Baby nickte und zog gefährlich die Mundwinkel nach unten.

„Nein!“, schrie Betrüger-Schorschi. „Nicht weinen! Ich bin Schorschi! Der liebe Onkel Schorschi! Und ich werde dir Schokolade bringen!“

Er lächelte sein unschuldigstes Lächeln und wiederholte: „Schokolade, leckere Schokolade!“

Das Baby schrie. Es wollte keine Schokolade!

Betrüger-Schorschi begriff schnell. Das Baby schrie wahrscheinlich, weil man ihm schon zuviel Schokolade gefüttert hatte.

Deshalb rief er hastig: „Baby, ich habe mich versprochen. Ich bringe dir keine Schokolade, sondern koche dir einen leckeren Brei! Hörst du? Onkel Schorschi kocht dem Baby einen leckeren Brei!“

Das Baby verstand offensichtlich, was er sagte, denn es hörte zu Schreien auf und quietschte: „Schoschi. Ontel Schoschi!“

„Ja, genau“, sagte Betrüger-Schorschi einschmeichelnd. „Ich bin Schorschi. Der liebe Onkel Schorschi. Und der liebe Onkel Schorschi will dir ganz viel Brei kochen! Brei nur für dich! Das geht aber nur, wenn du Onkel Schorschi jetzt weg lässt!“

„Schoschi Bei“, sagte das Baby und nickte.

„Genau!“, rief Betrüger-Schorschi. „Baby lässt Onkel Schorschi gehen. Schorschi holt Brei, und dann kommt er wieder zum Baby.“

„Schoschi nicht gehen!“, sagte das Baby. „Schoschi Baby bleiben!“

„Hat das Baby keinen Hunger?“, fragte Betrüger-Schorschi listig.

Das Baby nickte.

„Dann muss Onkel Schorschi Brei holen!“

Das Baby nickte, ließ ihn aber nicht frei.

Nach einigem Überlegen sagte es: „Ontel Schoschi Bei holen, dann wieder kommen?“

Betrüger-Schorschi nickte und sagte: „Onkel Schorschi kommt wieder. Onkel Schorschi kommt mit Brei wieder.“

„Ontel Schoschi wieder kommen?“

„Ja, Schorschi kommt wirklich wieder“, bestätigte Betrüger-Schorschi. „Was Onkel Schorschi verspricht, hält er auch.“

Das Baby setzte Betrüger-Schorschi auf die Hand und sagte: „Schoschi wieder kommen. Ontel Schoschi spicht, hält er auch!“

Betrüger-Schorschi nickte.

Und da gab das Baby ihn tatsächlich frei!

Vorsichtig setzte es ihn auf seinen Handteller und blies ihn mit seinem Schokopuddingatem kräftig in die Luft. Er war fliegend gekommen, dann musste es ihm auch leicht fallen, fliegend wieder zu gehen.

Und Recht hatte das Baby!

Denn die Flupppuppe, die vom Babyohr aus alles genau beobachtet hatte, flog in Windeseile zu Betrüger-Schorschi und fing ihn auf, bevor er in die Tiefe stürzte.

„Auf die Flupppuppe ist immer Verlass“, sagte Betrüger-Schorschi mit zitternder Stimme. Er war so froh, dass er wieder auf ihrem Rücken saß, dass er nicht mehr wütend auf sie war.

„Gut gemacht“, sagte die Flupppuppe. „Kann ich meinen Schuh wieder haben?“

„Aber immer doch“, sagte Betrüger-Schorschi, durch das Lob der Puppe übermütig geworden. Mit einer galanten Bewegung steckte er der Puppe den Schuh an den Fuß.

„Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben“, gab die Flupppuppe zu Bedenken. „Womit willst du den vielen Brei kochen? Du selbst hast keine Milch mitgebracht und die Bewohner haben fast keine mehr.“

„Ich habe einen Plan“, sagte Betrüger-Schorschi und lächelte, „und wenn er klappt, wird es bald kein Baby mehr auf dem Kesselberg geben.“