| [Diese 
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             "te gri ro ro" 
             "Albert?" 
             "gri ti 
              gloda sisi dül fejin iri" 
             "Ist das deine neue Geheimsprache?" 
             "back back" 
             "Ja?"  
             "glü glodül ül irisi 
              glü bü bü da da"  
             "Oder ist das türkisch?" 
             "ro ro gro dülhack bojin gri ti 
              back
 denn 
 berge mit eingebauten lärmapparaten 
              apportieren erzene schmetterlinge" 
             "Albert, wann fängst du denn endlich 
              mit dem literarischen Salon an?" 
             "irigri ro to gri gloda iridül 
              gro bo gro 
             ro ro back ro ro back glodül dül 
              irisi bojin 
             jin jin irisi sisi ro ro jin bü bü 
              ro 
             denn  
             beeten eisiger monde  
             folgen lämmer in stählerner rüstung.// 
             gro bo gor gi gridül to te ti bü 
              bü bo" 
             "Halt! Stopp!"  
             "to dül 
              düljin sisi glo irisi ro ro gri sisi ti" 
             "Hör doch endlich auf mit dem Quatsch!" 
              ruft Palmina empört. 
             "Das ist kein Quatsch!" blubbert 
              Albert beleidigt in seinem Glas. "Das ist Kunst!" .  
             "Das soll Kunst sein?" Palmina 
              ist erstaunt. Und ihre Freundin Leila, die Palmina heute in den literarischen 
              Salon mitgebracht hat, auch.
 "Das kann ich auch!" sagt Leila 
              und dichtet gleich drauf los: "Ari tari tolem glott ..." 
               
             "... was du dichtest, das ist Schrott!" 
              reimt Palmina weiter.  
             "Ist es nicht!" sagt Leila.  
             "Ist es doch!" sagt Palmina. "Gerade 
              hast du doch selbst gesagt, dass das Gedicht mit dem te gri ro 
              ro Quatsch ist!"  
             "Hab ich nicht!" verteidigt sich 
              Leila. "Ich habe nur gesagt, dass ich auch so dichten kann. 
              Ich bin eben auch eine Künstlerin!"  
             "Von wegen", sagt Palmina. "Du 
              ahmst doch nur nach, was andere vorgemacht haben. Wenn du wirklich 
              eine Künstlerin wärst, hättest du das Gedicht geschrieben, 
              bevor du es gehört hättest!"  
             "So ein Quatsch!" sagt Leila wütend. 
              "Ich bin doch nicht dieser Künstler! Also hätte 
              ich sicher nicht genau das selbe geschrieben!"  
             "Eben!" sagt Palmina.  
             "Wer hat  das Gedicht überhaupt 
              geschrieben?" lenkt Leila ab. 
             "Hans Arp!" sagt Albert und freut 
              sich, dass das Gespräch endlich eine andere Richtung bekommt. 
              "Hans Arp war übrigens nicht in erster Linie Dichter. 
              Er war auch Maler, Graphiker und Bildhauer. Und er war 1916 Mitbegründer 
              der Dada-Bewegung in der Schweiz." 
             "Dada?" fragt Leila. "Was 
              ist denn das? Hört sich an wie Babysprache." 
             "Stimmt", sagt Albert. "Dada 
              wollte sich auch ganz bewusst von der alten Kunst absetzen. Mit 
              Geräuschkonzerten, Lautpoesie wie der von Hans Arp, gleichzeitig 
              gesprochenen Simultangedichten, Zufallstexten und aus verschiedenen 
              Gegenständen zusammen gewürfelten Collagen rebellierten 
              Dada-Künstler gegen die bürgerliche Kunst und den 'Wahnsinn' 
              ihrer Zeit."  
             "Was denn für ein Wahnsinn?" 
              fragt Leila. 
             "1916 war gerade der erste Weltkrieg", 
              erklärt die Qualle Albert, "und Künstler fühlen 
              sich in Kriegen meistens nicht besonders wohl. Außerdem gab 
              es zu der Zeit eine allgemeine Sinnkrise. Man glaubte nicht mehr 
              an eine objektiv gültige oder beweisbare Wahrheit - Wahrheit 
              schien plötzlich relativ zu sein. Die Dadaisten erklärten 
              deshalb alle bisher geltenden ästhetischen Wertmaßstäbe 
              und Spielregeln für ungültig und forderten die absolute 
              künstlerische Freiheit. Getroffen haben sich die schweizer 
              Dada-Künstler übrigens im 'Cabaret Voltaire'. Dort wurde 
              an einem Programm gebastelt, das als Ziel hatte, kein Programm zu 
              haben."  
             "Heute ist auch alles erlaubt", 
              stellt Palmina fest. "Und Sinn ist heute auch nur eine Frage 
              des Geschmacks und nicht der Weisheit letzter Schluss. Sind wir 
              deshalb auch Dadaisten?" 
             "Hm", macht Albert und blubbert 
              ein paar Blasen ins Wasser. "Vielleicht sind wir heute wirklich 
              alle ein bisschen dada. Aber im Unterschied zu den Dadaisten fehlt 
              uns wahrscheinlich die Empörung über unseren Sinnverlust. 
              Geblieben sind uns allerdings die Stilmittel der Dada-Bewegung wie 
              die Lautpoesie oder Material-Collagen. Sie existieren heute allerdings 
              ganz unprovokativ neben den anderen Kunstformen."  
             "Hat Hans Arp auch das Gedicht mit dem 
              Knie geschrieben?" fragt Palmina.  
             Albert runzelt fragend die Stirn.  
             "Ein Knie ging 
              einsam durch die Welt / es war ein Knie, sonst nichts / es war kein 
              Baum, es war kein Zelt / es war ein Knie, sonst nichts", 
              zitiert Palmina. 
             "Ich bin mir nicht sicher", sagt 
              Albert. "Es könnte auch von Christian Morgenstern sein." 
               
             "Christian Morgenstern?", wiederholt 
              Palmina. "Dann schau ich da mal nach. Ich will wissen, wie 
              das ganze Gedicht geht. Denn das finde ich echt klasse!"  
             "Klasse?" sagt Leila und verschluckt 
              sich fast. "Was soll denn daran klasse sein? 'Ein Knie ging 
              einsam durch die Welt ...' Das ist nicht klasse, das ist Nonsense!" 
             "Nonsense ist immerhin höherer 
              Sinn" sagt Palmina. "Aber das verstehst du natürlich 
              nicht!" 
             "Nonsense makes no sense!" 
              sagt Leila. "Aber das verstehst du natürlich nicht!" 
             "Und wisst ihr, was ich nicht verstehe?" 
              mischt sich Albert ein. "Dass ihr schon wieder streitet!" 
               
             Palmina und Leila sehen sich wütend 
              an.  
             "Fangen wir lieber nochmal von vorne 
              an", versucht Albert zu vermitteln. "Am besten mit einem 
              völlig anderen Autor und einem völlig anderen Text. Zum 
              Beispiel mit Rabelais' 'Gargantua und Pantagruel'."  
             "Hört sich uralt an", sagt 
              Palmina.  
             "Ist es auch", sagt Albert. "Das 
              Buch ist zwischen 1532-1552 erschienen und ein Jahr später 
              war sein Autor François Rabelais tot. Garagantua und Pantagruel 
              sind übrigens zwei lebenslustige, zünftige Riesen, Sohn 
              und Vater." 
             "Ist das Buch spannend?" fragt 
              Palmina neugierig. 
             "Spannend?" fragt Albert. "Ich 
              weiß nicht, ob das die richtige Bezeichnung dafür ist. 
              Aber ein kurioser Spaß ist es auf jeden Fall."  
             Er blättert in einem dicken Buch mit 
              sehr dünnen Blättern, bis er an einer Seite mit einem 
              seiner Tentakeln hängen bleibt: "Wie wäre es mit 
              dieser Stelle? Sie ist kurz und knackig:  
             
               
                |  | Edeler Kacker!Lasse
 wacker
 nasse
 Masse,
 schissig,
 flüssig,
 munter
 unter
 dir sich
 breit ergießen;
 aber höre
 diese Lehre
 und die Witzung:
 Eh die Sitzung
 sich darf schließen,
 wische säuberlich den Hintern,
 soll's nicht durch die Hosen sintern!"
 
 |  "Kurz und knackig?" sagt Leila. 
              "Ich würde eher sagen, derb und ..."  
             "Und was passiert in dem Buch sonst?" 
              fragt Palmina. 
             "Einiges", sagt Albert. "Es 
              ist immerhin fast tausend Seiten dick. Im ersten Teil wird Gargantua 
              erzogen und zum Studium nach Paris geschickt. Doch dann wird das 
              Reich des Vaters vom Nachbarn mit Krieg überzogen und Gargantua 
              muss ihm helfen. Nach dem Sieg wird zu Ehren eines mitkämpfenden 
              Freundes die Abtei Theleme gegründet, deren Leitsatz 'Tu, was 
              immer du willst!' ist ..."  
             "Kommt mir irgendwie bekannt vor", 
              unterbricht Palmina.  
             "Und wo ist der Gag?" fragt Leila. 
               
              "Der Gag?" fragt Albert irritiert. 
              "Das Buch steckt voller Gags! Die Erziehung von Gargantua zum 
              Beispiel ist eine reine Satire auf die damalige Erziehung. Dazu 
              gehört auch das Gedicht, das ich euch vorhin vorgelesen habe." 
               
             "Sind Satiren nicht spöttische 
              oder ironisch-witzige Geschichten über Zeitgenossen und zeitgemäße 
              Zustände?" fragt Leila ein wenig altklug. 
             "Ja, so könnte man sie zumindest 
              nennen, wenn man ihren Zweck nicht vergisst", sagt Albert. 
              "Satiren sollen meistens die Lächerlichkeit, Kritikwürdigkeit 
              oder sogar Gefährlichkeit der geschilderten Personen oder gesellschaftlichen 
              Zustände bloßstellen." 
              "Aber wenn Satiren vor allem Zeitkritiken 
              sind, dann verstehen wir heute ja gar nicht mehr, worüber sich 
              Rabelais lustig gemacht hat", sagt Leila schlagfertig. "Warum 
              sollen wir es dann heute lesen?" 
             "Du hast Recht", gibt Albert kurz 
              entschlossen zu. "Das Buch ist ein altmodischer Schinken! Legen 
              wir es also zur Seite."Er zwinkert Leila zu, dann wirft er das Buch in einem hohen Bogen 
              aus seiner Flasche!
 Leila fängt es geschickt auf. Und obwohl 
              sie davon eigentlich nichts wissen wollte, blättert sie neugierig 
              in dem Buch und liest sich an der einen oder anderen Stelle fest. 
              Plötzlich fängt sie laut an zu lachen: "Albert, du 
              hast vorhin gelogen! Das Buch ist zwar lustig, aber keine Satire! 
              Es beschreibt viel mehr unsere Charaktereigenschaften! Zwar auf 
              eine etwas derbe, aber auch auf unheimlich komische Art!"
 Albert nickt und grinst, und dann lachen 
              er und Leila gemeinsam. 
             "Ähm", Palmina räuspert 
              sich. Ohne Buch und Wissen fühlt sie sich ausgeschlossen. "Albert, 
              welchen Autor wolltest du heute eigentlich vorstellen?" 
             "Ernst Jandl", antwortet Albert 
              gleich, grinst aber weiter in Leilas Richtung. "Beim Thema 
              Quatsch fällt mir komischerweise immer zuerst Ernst 
              Jandl ein. Wahrscheinlich, weil er einer der bekanntesten Autoren 
              in diesem Genre ist." 
             "In welchem Genre denn?" fragt 
              Palmina. 
             "In seinem eigenen", sagt Albert 
              vorwitzig und macht dann Leila auf eine besonders skurrile Stelle 
              in Garagantua aufmerksam. 
             "Jandl?" überlegt Palmina. 
              "Der Name kommt mir irgendwie bekannt vor. Wie gehen Jandls 
              Gedichte denn?"  
             "Die gehen alle anders", sagt Albert 
              und zwinkert Leila schon wieder zu.  
             "Und wie geht dann ein Gedicht 
              von Ernst Jandl?" fragt Palmina verärgert. Es stört 
              sie, dass Albert sie so schnell abfertigt, während er Leila 
              lustige Blicke zuwirft. 
             Doch zum Glück merkt Albert, dass Palmina 
              beleidigt ist und deshalb sieht er endlich auch wieder Palmina an! 
              Er schlägt einen schmalen Band auf und sagt: 
              "Also ein Gedicht von Jandl 
              geht so: 
              
               
                 
                  
                    hünpisch  per hunpqellt
 wepelt
 dißt
 unp
 schnuddert
 pssnt
 es pssniest
 ein psnychologe
 
  
             "Das war's schon?" fragt Palmina. 
              "Ha, Ha!" Offensichtlich ist sie immer noch schlecht gelaunt, weil Albert 
              vorhin Leila Blicke zugeworfen hat. "Das Gedicht könnte 
              von meinem Opa sein! Der macht auch immer so blöde Sprachwitze 
              und Buchstabenverdrehspiele."
 "Du bist heute aber kritisch", 
              sagt Albert. "Und das ausgerechnet beim Thema Quatsch!" 
               
             "Wahrscheinlich genau deshalb", 
              sagt Palmina. "Unter Quatsch stelle ich mir etwas anders vor." 
               
             "Was denn?" fragt Albert gespannt. 
              Endlich interessiert er sich wieder für Palmina!  
             "So genau weiß ich das auch nicht", 
              sagt Palmina. "Aber Quatsch ist etwas, das mit dem Verstand 
              gar keinen Sinn macht, einen gefühlsmäßig aber doch 
              trifft und weiter bringt. So etwas wie 'Farblose grüne Ideen 
              schlafen wütend'. Das ist zwar unsinnig, aber Poesie." 
               
             "Aber wenn es Poesie ist, ist es doch 
              kein Quatsch!" gibt Albert zu Bedenken.  
             "Du hast Recht", sagt Palmina. 
              "Wenn ich es richtig überlege, gibt es Quatsch gar nicht! 
              Zumindest nicht in der Poesie!"  
             "Halt!" sagt Albert. "So schnell 
              geben wir den Quatsch nicht auf. Wie wäre es zum Beispiel mit 
              diesem Gedicht von Ernst Jandl?:  
             im delikatessenladen 
             bitte geben sie mir eine maiwiesenkonserve 
              etwas höher gelegen aber nicht zu abschüssig
 so, dass man darauf noch sitzen kann.
 nun, dann vielleicht eine schneehalde, tiefgekühltohne wintersportler. eine fichte schön beschneit
 kann dabeisein.
 auch nicht. bliebe noch - hasen sehe ich 
              haben sie da hängen.zwei drei werden genügen. und natürlich einen jäger.
 wo hängen denn die jäger?"
 "Zwar quatschiger als das erste Gedicht von Jandl", meint 
              Palmina gnädig. "Aber trotzdem nicht unsinniger als die 
              farblosen grünen Ideen!" meint Palmina. "Ich bleibe 
              bei meiner Meinung: In der Poesie, ja wahrscheinlich in der ganzen 
              Kunst, gibt es keinen Quatsch!" 
             Leila klappt "Gargantua und Pantagruel" mit einem lauten 
              Schlag zu und mischt sich in das Gespräch ein: "Für 
              mich ist Quatsch offensichtlich etwas ganz anders als für dich, 
              Palmina. Für mich muss Quatsch die Welt auf den Kopf stellen 
              oder bekannte Regeln durchbrechen. Oder auch meine Wahrnehmung so 
              verändern, dass ich das Gefühl habe, dass es einfach nicht 
              normal ist, was da beschrieben wird. Das war im delikatessenladen 
              auf jeden Fall der Fall. Und deine "farblosen grünen Ideen" 
              sind sowieso nichts als Quatsch!" 
             "Trotzdem macht das Gedicht 'im delikatessenladen' in seiner 
              Verkehrung Sinn", beharrt Palmina. "Also ist es nicht 
              Quatsch!" 
             "So gesehen macht alles Sinn!" sagt Leila. 
             "Genau!" sagt Palmina. "Aber nur in der Kunst! In 
              der Realität ist dagegen vieles Quatsch." 
             "Was denn zum Beispiel?" fragt Leila. 
             "Zum Beispiel ein Jäger am Haken einer Fleischerei!" 
              sagt Palmina. 
             "Und was ist mit dem Dada-Gedicht von Hans Arp, Palmina?" 
              hakt Albert nach. "Vorhin hast du doch noch behauptet, das 
              sei Quatsch!" 
             "Wirklich?" sagt Palmina und fischt sich eine imaginäre 
              Wimper aus dem Auge, "da habe ich wohl Quatsch gemacht!" 
              
              Die Gedichte stehen zum Beispiel in den folgenden 
              Büchern: 
             
              Hans Arp: te gri ro ro Aus: Hans Arp/Hugo 
                Ball: Dada. Dichtungen der Gründer. Die Arche. Zürich 
                1957. Francois Rabelais: Gargantua und Pantagruel. 
                Insel Taschenbuch. Frankfurt a. Main/Leipzig 1974.Ernst Jandl: im delikatessenladen. Mit Illustrationen 
                von Volker Pfüller. Der Kinderbuchverlag. Berlin 1988.  
              
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