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Das geheime Buch

Herrn Maiteufels wundersame Reise in die Wirklichkeit

von

Annette Kautt

Fortsetzung Teil 7

Wer den letzten Teil noch nicht kennt und mehr als die kurze Zusammenfassung lesen möchte, geht zurück zur letzten Rossipotti-Ausgabe

Was bisher geschah:

Herr Maiteufel arbeitet in einer Butterbrotpapierfabrik und lauscht jeden Tag dem verheißungsvollen Gesang der Butterbrotpapiere, die sich auf ihr großes Leben in der Welt vorbereiten. Doch je länger er dem Gesang der Papiere lauscht, umso mehr sehnt er sich danach, selbst ein Butterbrotpapier zu werden! Da er ein Mensch mit Visionen ist, setzt er eines Tages seinen Wunsch in die Tat um: Er baut anhand des originalen Konstruktionsplans von Herrn Knobel, seinem Chef, eine Butterbrotpapiermaschine, in die er selbst hineinpassen und zum Butterbrotpapier werden kann! Doch aus irgendeinem Grund funktioniert die Maschine nicht. Irgendein Detail muss Herrn Maiteufel beim Bau der Maschine entgangen sein ...
Eines Tages bekommt Herr Maiteufel ein Paket. Herr Maiteufel ist fest davon überzeugt, dass ihm der Finder seiner Gasluftballonkarte, die er beim letzten Betriebsfest verschickt hat, das Paket geschickt hat. Doch leider ist es nicht von einem unbekannten Finder, sondern nur von seiner ehemligen Klassenkameradin Mara. Zuerst ist Herr Maiteufel enttäuscht darüber, weil in dem Paket nichts weiter als ein paar alte Fotografien und ein alter Stadtplan seiner Heimatstadt sind. Doch dann entdeckt er, dass die Streckenverhältnisse des Stadtplans und seines Konstruktionsplans genau gleich sind! Und das
kann für Herrn Maiteufel nur eins bedeuten: Wenn sich das fehlende Detail seiner Maschine nicht auf dem Konstruktionsplan entdecken lässt, muss es in seiner Heimatstadt zu finden sein! Kurz entschlossen packt Herr Maiteufel deshalb seine Siebensachen und reist mit dem Zug dorthin.
Doch kaum hat er seine Reise begonnen, weiß er nicht mehr, ob er nicht lieber zu Hause geblieben wäre. Im Zug bringt ihn sein Gegenüber stark in Verlegenheit, im Hotel seiner Heimatstadt verwirrt ihn eine "Brötchenfrau" und auch der eigentlich ganz harmlose Kaffeklatsch-Besuch bei seiner alten Bekannten Mara ruft bei ihm vor allem Beklemmung hervor. Zum Glück ist da auf einmal von einem Finder die Rede, und Herr Maiteufel weiß sofort, dass nur der Finder seiner Luftballonkarte gemeint sein kann! Er möchte ihn unbedingt kennen lernen und stattet ihm deshalb gleich einen Besuch ab.
Dort erfährt er, dass der Finder nicht nur seine Karte, sondern auch noch viele andere Dinge gefunden hat. Außerdem weiht ihn der Finder in die seltsamen Geschehnisse der Stadt ein:
Eine wichtige Person der Stadt, der Läufer, ist verschwunden. Und so lange der Läufer verschwunden ist, bleibt in der Stadt alles gleich und kann sich nichts mehr verändern! Der Finder ist deshalb beauftragt worden, den Läufer zu finden, hat aber bisher noch keine Spur.
Herr Maiteufel fühlt sich beim Finder wohl und möchte ihm gerne helfen. Doch nach einem merkwürdigen Traum, sieht Herr Maiteufel die Dinge plötzlich in
einem anderen Licht: Der Finder erscheint ihm gefährlich und die Brötchenfrau dagegen als ernst zu nehmende Persönlichkeit. Nur sie scheint sowohl Herrn Maiteufel bei der Suche nach seinem Detail als auch der Stadt bei der Suche nach dem Läufer wirklich helfen zu können. Er sucht deshalb die Brötchenfrau auf, erfährt aber nichts von ihr. Stattdessen schleppt sie ihn zu einer wundersamen Gartenparty mit. Und bevor er es richtig wahrnimmt, hat Herr Maiteufel das Detail seiner Maschine und den verschwundenen Läufer beinahe vergessen. Denn in dem Garten riecht es unglaublich gut, es gibt leckere Regenbogen-Getränke und vor allem Meringue.
Während Herr Maiteufel sich in dem Garten immer heimischer fühlt, unternehmen Maras Familie und Freunde große Anstrengungen, den Läufer zu finden: Nachdem die Suche auf dem Erdboden bisher ergebnislos war, möchten sie jetzt den Himmel über der Stadt mit einem selbst gebastelten Ballon nach dem Läufer absuchen. Gleichzeitig entdeckt der Finder, dass Herr Maiteufel verschwunden ist. Er findet Herrn Maiteufels alten Stadtplan und glaubt zu wissen, warum Herr Maiteufel verschwunden ist: Die Hindernisse haben ihn verschleppt und halten ihn gefangen!
In der Stadt unten entdecken dagegen Lena und Arturo, dass sich die Hindernisse verdoppeln können und somit fast unschlagbar sind!
Kaprize überbrückt ihre Ferienlangeweile mit einem selber erfundenen Murmelspiel, bei dem die Kanaldeckel beim Finanzamt eine wichtige Rolle spielen, und schließlich kommen die Luftreisenden ohne den Läufer wieder nach Hause.
Die Lage in der Stadt und im Garten ist also beinahe wie zuvor, wäre da nicht Larifari, den Herrn Maiteufel beim Rätsel-Spielen kennen gelernt hat und der behauptete, dass Herr Maiteufel nicht freiwillig im Garten wäre ...

 

Zwölftes Kapitel, in dem Herr Maiteufel überlegt, was für ihn Glück ist

 

Herr Maiteufel wälzte sich im Bett. Es war schon längst nach Mitternacht. Aber er konnte nicht einschlafen.
Er dachte daran, was Larifari ihm in den letzten Tagen immer wieder gesagt hatte: Dass der Garten eine Endstation ohne Ausweg sei. Dass man in dem Garten seine eigenen Wünsche nicht verwirklichen könnte. Und ob er, Herr Maiteufel, keine Wünsche mehr habe? Ob er denn schon alle Möglichkeiten aufgegeben habe?
Am Anfang hatte Herr Maiteufel über Larifaris Reden nur gelacht und gemeint, dass es ihm noch nie so gut gegangen wäre wie in diesem Garten. Und wenn es nach ihm ginge, könnte er sogar für immer in dem Garten bleiben.
Aber Larifari hatte jeden Tag so lange auf ihn eingeredet, bis Herr Maiteufel wütend wurde und ihm sagte, dass er nichts mehr von ihm hören wolle. Er wisse selbst sehr gut, was für ihn richtig sei und was nicht.
Doch Larifari kam immer wieder auf diese Punkte zu sprechen und nun - Herr Maiteufel gestand es sich selbst nur ungern ein - hatte er ihn so weit gebracht, dass er nicht mehr ruhig schlafen konnte!
Er dachte an seine Maschine und an seine Sehnsucht nach Frühlingsgefühlen.
Ob es in dem Garten wohl jemals Frühling wurde?
Er dachte an Odette und daran, dass er sie immer noch nicht angerufen hatte. Sogar an Herr Knobel musste er denken. Ob er ihm wohl schon gekündigt hatte? Herr Maiteufel dachte an an Mara, die Kaffeerunde und an den Finder. Ob er inzwischen den Läufer gefunden hatte?
Herr Maiteufel rieb sich mit der Hand die Stirn.
Alle Personen, die er außerhalb des Gartens gekannt hatte, schienen ihm unendlich weit weg zu sein. Als ob sich eine dicke Nebelschicht zwischen den Garten und alles, was jenseits war, geschoben hätte.
Er versuchte sich vorzustellen, wie Odette die Teetasse an den Mund hob und daraus trank. Oder wie sie mit vollen Einkaufstüten in die Küche kam und sich seufzend auf einen Stuhl fallen ließ. Aber der Nebel in seinem Kopf ließ ihn nur noch Schemen und Umrisse erkennen.
"Was ist nur mit mir los?" dachte er. "Warum fällt es mir so schwer, mir meine eigene Schwester vorzustellen?!"
Er setzte sich in seinem Bett hoch, drückte seine Augen fest zu und sagte leise vor sich hin: "Odette, Odette, Odette."
Doch je mehr er an Odette denken wollte, umso mehr sah er Meringue. Statt der Teetasse an Odettes Mund sah er Meringues große runde Augen und statt Odettes Seufzen hörte er Meringues fröhliches Kichern.
Herr Maiteufel sagte resigniert: "Also gut. Dann stelle ich mir eben nicht Odette, sondern Herrn Knobel vor. Seine Ohren und seine Nase werden mich sicher nicht an Meringue erinnern."
Aber seltsam, die Ohren von Herrn Knobel verwandelten sich in seiner Vorstellung in den kleinen Teich im Garten und die Nase erinnerte ihn an die grauen Kieselsteine.
"Irgend etwas stimmt mit mir nicht", dachte Herr Maiteufel und spürte ein beklemmendes Gefühl auf der Brust. "Aber wenigstens ist mein Verstand noch in Ordnung! Denn immerhin kann ich noch an Odette und Herrn Knobel denken, auch wenn ich sie mir nicht mehr vorstellen kann!"
Durch diesen Gedanken einigermaßen beruhigt, legte er sich wieder hin und schlief ein.

Am anderen Morgen fühlte sich Herr Maiteufel das erste Mal, seit er hier war, unwohl.
Meringue zog ihn nach dem Frühstück mit sich in den hinteren Teil des Gartens und fragte ihn neckend: "Warum guckst du denn heute so fürchterlich?"
Herr Maiteufel erwiderte nichts darauf. Er legte sich ins Gras und schloss die Augen.
Meringue beugte sich zu ihm hinunter und piepste ihm ins Ohr: "Tschiep, tschiep, tschiep ... weißt du, was das für ein Vogel ist?"
Herr Maiteufel überlegte unkonzentiert. Dann schüttelte er den Kopf.
"Das ist der Tschieppiep", meinte Meringue.
"Sicher nicht", sagte er verärgert. "In Wirklichkeit ist das viel eher eine Amsel oder ... oder eine Haubenmeise. Ein Tschieppiep ist es auf jeden Fall nicht, weil es Tschieppiepse gar nicht gibt!"
Meringue starrte Herrn Maiteufel erschrocken an.
So erschrocken, dass sich Herr Maiteufel über sich selbst wundern musste.
Was war nur in ihn gefahren?
"Entschuldige!" sagte Herr Maiteufel.
"Schon gut", sagte Merinque.
"Weißt du, Meringue, ich kann mich an so viele Dinge nicht mehr erinnern. Das macht mir Angst."
Meringue sah ihn erstaunt an: "Weißt du etwa nicht mehr, dass wir zusammen Steine gesammelt haben?"
"Doch", meinte Herr Maiteufel.
"Und kannst du dich noch daran erinnern, wie Xander dir gestern eine Ohrfeige gegeben hat, weil du weiter spucken konntest als er?" fragte Meringue weiter.
"Natürlich kann ich mich daran noch erinnern!" rief Herr Maiteufel. "Aber ich weiß kaum noch, wie meine Schwester aussieht oder mein Chef in der Butterbrotpapierfabrik."
"Wo ist denn hier eine Butterbrotpapierfabrik? Und wer ist hier deine Schwester?" fragte Meringue erstaunt.
"Doch nicht hier", sagte Herr Maiteufel ungeduldig, "sondern außerhalb des Gartens. Da ist die Butterbrotpapierfabrik und da ist meine Schwester".
"Aber wenn es nicht hier ist, ist es nicht wichtig", meinte Meringue unbekümmert. "Und was nicht wichtig ist, darf man ruhig vergessen!"
Sie zwickte Herrn Maiteufel ins Bein und lief schnell weg, damit er sie nicht zurück zwicken konnte. Herr Maiteufel sprang schnell auf, rannte Meringue hinterher und bekam sie beim Brunnen zu fassen.
Sein Ärger war verflogen.
Den weiteren Tag verbrachten sie gemeinsam mit Melle, Pistazie und Zeber, und es wurde wieder ein schöner, glücklicher Tag.
Erst als es dunkel wurde und Herr Maiteufel an die lange Nacht dachte, die ihm bevorstand, wurde er wieder nachdenklich und still.

Wie die Nacht zuvor lag Herr Maiteufel wach in seinem Bett und dachte nach.
Im Inneren des Hauses hörte man keinen Laut. Durch die dicken Fenstervorhänge sickerte nur wenig Mondlicht.
Vielleicht hatte Larifari Recht und der Garten war tatsächlich eine Art Endstation? Vielleicht blieb man in dem Garten eingeschlossen wie in einer Traumblase?
Aber wenn schon? War er hier nicht gut aufgehoben? War es hier nicht viel schöner als alles was er sich bis dahin überhaupt hatte vorstellen können? War sein Traum von der Maschine nicht kindisch gegen das, was er hier vorgefunden hatte?
Doch obwohl Herr Maiteufel hier sehr glücklich war, empfand er auch einen Mangel. Einen Mangel an Konzentration. Es fiel ihm so unglaublich schwer, sich zu besinnen, was außerhalb des Gartens war.
Gab es Odette denn wirklich?
Und wer überhaupt war Herr Knobel, dessen Name ihm seit gestern immer wieder durch den Kopf ging?
Herr Maiteufel zitterte. Es musste irgend etwas mit ihm passiert sein. Entweder, es hatte nie einen Herrn Knobel gegeben, und dann war es sehr merkwürdig, warum er ständig an ihn denken musste. Oder, es gab ihn, und dann war es sehr beängstigend, dass er nicht mehr wusste, wer das war!
"Womöglich hat mich der Larifari mit seinem Geschwätz ganz durcheinander gebracht", dachte Herr Maiteufel und entschloss, sofort zu ihm zu gehen, um ihn zur Rede zu stellen.
Er stieg aus dem Bett, zog sich ein Paar Hausschuhe an und ging zu Larifaris Zimmer, das einen Stock höher lag als seines. Ohne vorher anzuklopfen öffnete Herr Maiteufel leise die Tür, schlich sich durchs Zimmer und trat an Larifaris Bett.
Larifaris bleiches Gesicht erschreckte ihn.
Es sah aus wie das einer leblosen Wachspuppe. Die Lider waren bläulich und schienen geschwollen zu sein und aus dem leicht geöffnete Mund mit seinen schmalen Lippen lief ein dünner Speichelfaden.
Obwohl Herr Maiteufel sich vor diesem Gesicht ekelte und er am liebsten wieder in sein Zimmer zurück gegangen wäre, rüttelte er sanft an Larifaris Schulter.
Nach kurzer Zeit öffnete er seine geschwollenen Lider.
"Was machen Sie denn hier?" fragte er erstaunt.
"Sie haben mich durcheinander gebracht", stotterte Herr Maiteufel. "Ich möchte, dass Sie das wieder klarstellen. Und wenn Sie es auch nicht wissen wollen: Es gefällt mir hier außerordentlich, und ich habe nicht vor, diesen Ort jemals wieder zu verlassen. Auch wenn Sie mir vorgaukeln, dass ich irgendwann mal eine Beziehung zu einer gewissen Odette oder einem Herrn Knobel unterhalten habe. Ich falle auf Ihre verwirrenden Einfälle nicht mehr herein!"
Larifari rieb sich die Augen, setzte sich im Bett auf und sagte nichts.
"Nun, da sind Sie sprachlos, was?" sagte Herr Maiteufel.
Doch Larifari schüttelte nur bekümmert den Kopf und sagte: "Ich wusste nicht, dass es bei Ihnen so schnell ging. Sonst hätte ich mich sicher noch mehr um Sie bemüht. Mir scheint, dass es für Sie jetzt zu spät ist."
"Zu spät für was?" fragte Herr Maiteufel gereizt.
"Für Ihre Möglichkeiten."
"Ich habe hier alle Möglichkeiten, die ich brauche!" sagte Herr Maiteufel.
"So?" fragte Larifari schnippisch, "Sie haben ja noch nicht einmal die Möglichkeit, dieses Haus hier und seinen Garten zu verlassen."
"Dass ich nicht lache", erwiderte Herr Maiteufel ungehalten. "Ich brauche nur die Türklinke zu betätigen und nach draußen zu gehen!"
"Ach, haben Sie das schon einmal versucht?"
Herr Maiteufel erwiderte nichts darauf.
Statt dessen sagte er: "Wenn es Ihnen hier absolut nicht gefällt, warum sind Sie dann nicht selbst schon längst wieder abgereist?"
"Sie scheinen nicht der Hellste zu sein. Kein Wunder, dass Sie alles so schnell vergessen konnten!" Larifari drehte sich seufzend auf die andere Seite. "Ich versuche schon seit Jahren diesen Ort zu verlassen. Aussichtslos. Als ich festgestellt habe, dass man das Haus auf keinen Fall durch die Tür verlassen kann, habe ich versucht, unterirdisch wieder in die Stadt zurückzugelangen. Tage- und nächtelang bin ich schon unter der Stadt hin- und hergelaufen, doch der Weg nach oben blieb mir bisher immer versperrt."
Herr Maiteufel starrte erstaunt auf den Rücken von Larifari. Nicht er, sondern dieser Mann schien verwirrt zu sein! Was redete er da von unterirdischen Wanderungen und der Unmöglichkeit, die Türklinke drücken zu können?
"Und Sie sind sich ganz sicher, dass Sie nicht einfach nur Parbleu zu bitten brauchen, Ihnen die Tür zu öffnen?"
Larifari nickte nur schwach mit dem Kopf.
"Wie ist es Ihnen überhaupt möglich, unter der Stadt zu wandern?"
Larifari drehte sich wieder mit dem Gesicht zu Herrn Maiteufel. Seine Augen bekamen einen eigentümlichen Glanz.
"Ich habe vor längerer Zeit entdeckt, dass der Teich im Garten an die Kanalisationsschächte der Stadt angeschlossen ist. Seither bin ich schon oft in den Gängen umher geirrt, konnte aber nirgends einen Kanaldeckel oder sonst eine Öffnung nach draußen entdecken."
Ungläubig schaute Herr Maiteufel Larifari an.
Larifari schien dies zu bemerken, denn er sagte: "Wenn Sie mir nicht glauben, kommen Sie das nächste Mal doch einfach mit. Es besteht für Sie auch gar kein Risiko. Denn hierher kommen Sie zwangsläufig zurück."
Larifari wandte sich wieder von Herrn Maiteufel ab und gab ihm zu verstehen, dass er jetzt schlafen wollte.
Herr Maiteufel wünschte ihm eine "gute Nacht" und ging leise zurück in sein Zimmer.

Am anderen Morgen, gleich nach dem Frühstück, wollte Herr Maiteufel die Tür nach draußen öffnen.
Nicht, weil er etwa gehen wollte, sondern weil er die Worte Larifaris überprüfen wollte. Auch wenn er eigentlich nichts von dem glaubte, was ihm Larifari zur nächtlichen Stunde mitgeteilt hatte, so blieb doch ein leiser Zweifel übrig, ob Larifari nicht doch Recht haben könnte.
Er ging also den Korridor entlang auf die Tür zu.
Doch gerade in dem Moment, als er seinen Arm ausstreckte, um nach der Klinke zu greifen, kam Meringue angerannt und fragte ihn, ob er nicht Lust habe, mit ihr Kirschen zu pflücken.
"Die Alabaster-Schönheit will Kirsch-Krapfen backen!" rief Meringue erhitzt. "Kirsch-Krapfen sind meine Leibspeise!"
"Macht nichts", dachte Herr Maiteufel, als er Meringue in den Garten folgte, "dann öffne ich die Tür eben später."
Das Kirschenpflücken machte ihm großen Spaß. In den letzten Tagen hatte er seine Höhenangst verloren, Zeber erzählte einige lustige Geschichten und Pistazie erklärte ihnen, wofür man die einzelnen Kräuter im Garten verwenden konnte.
Erst als die Alabaster-Schönheit zum Kaffee rief und sich Herr Maiteufel an den von heißen Krapfen dampfenden Kaffeetisch setzte, fiel ihm wieder ein, dass er ja die Türklinke hatte versuchen wollen!
"Gleich nachher werde ich hinausgehen", dachte er und biss in einen Krapfen.
Doch die Kaffeetafel war längst vorbei und auch das Geschirr vom Abendessen war schon weggeräumt, als ihm einfiel, dass er die Tür immer noch nicht probiert hatte.
Entschlossen ging es deshalb wieder den Korridor entlang, trat auf die Tür zu und nahm die Klinke in die Hand.
Doch da kam plötzlich Parbleu die Treppe hinunter.
"Ah, Herr Maiteufel!" sagte er. "Waren Sie zufällig gerade auf dem Weg zu mir, um mir den Stein, den Sie bisher zurück gehalten haben, wieder zu bringen?"
Beschämt schüttelte Herr Maiteufel den Kopf, lies die Klinke los und ging schnell in den Garten zu den anderen zurück.

Nach zwei Tagen hatte Herr Maiteufel immer noch nicht herausbekommen, ob sich die Tür öffnen ließ oder nicht: Immer war ihm etwas dazwischen gekommen, oder es war ihm plötzlich nicht mehr so wichtig erschienen, die Türe zu öffnen.
Am Mittag des zweiten Tages, Herr Maiteufel lag gerade im Garten und ließ sich die Sonne ins Gesicht scheinen, setzte sich Larifari zu ihm und fragte ihn: "Nun, was habe ich gesagt? Es stimmt doch, dass sich die Tür nicht öffnen läßt?!"
"Ach was", erwiderte Herr Maiteufel, "Ich denke immer noch, dass sich die Tür leicht öffnen läßt."
"Was heißt hier 'ich denke'. Haben Sie die Tür nun versucht oder nicht?"
"Wenn ich ehrlich sein soll", sagte Herr Maiteufel, "habe ich nie so richtig daran gedacht. Vielleicht, weil ich Ihnen sowieso nicht glaube. Warum sollte die Tür denn auch nicht zu öffnen sein? Das alles ist doch nur ein lächerlicher Gedanke von Ihnen."
Doch obwohl Herr Maiteufel Larifari gegenüber so selbstsicher auftrat, ärgerte er sich im Stillen doch über sich selbst. Warum hatte er nur immer und immer wieder vergessen, die Tür zu öffnen? Er fühlte sich unwohl und unselbständig. Er musste an einen Traum denken, in dem er dringend irgendwohin musste, aber so schwere Füße hatte, dass er sie kaum vom Boden lösen konnte.
Larifari sah Herrn Maiteufel skeptisch an und sagte nach einer Weile: "Fragen Sie sich doch einmal, warum Sie die Tür immer vergessen. Es liegt doch auf der Hand, dass die Tür für Sie verschlossen bleibt, weil Sie sie immer vergessen. Und Sie vergessen die Tür, weil irgendwer daran interessiert ist, dass Sie die Tür nicht öffnen. Also habe ich Recht und die Tür kann von uns nicht geöffnet werden."
"Wer sollte denn daran interessiert sein, dass ich hier bleibe?" fragte Herr Maiteufel. "Parbleu vielleicht? Was soll denn das Ganze für einen Sinn machen?"
Larifari machte ein säuerliches Gesicht: "Sehen Sie, Sie stellen die falschen Fragen. Es ist nämlich durchaus egal, wer hier warum daran interessiert ist, dass wir hierbleiben. Entscheidend ist doch die Tatsache, dass wir hier nicht fortkommen und dass wir hier festgehalten werden. Die einzige Frage, die sich deshalb für mich stellt, ist die, wie ich hier so schnell wie möglich wieder herauskomme!"
Nachdenklich sagte Herr Maiteufel: "Vielleicht sind Sie ja auch nur deshalb hier, weil Sie es in diesem Garten gut haben und Sie es in Wirklichkeit gar nicht so eilig haben, wegzukommen?"
"So, so", meckerte Larifari. "Und warum versuche ich dann schon seit Jahren mit großer Anstrengung, doch ohne Erfolg, nach draußen zu kommen?"
Darauf konnte auch Herr Maiteufel nichts einwenden.
Schweigend saßen sie noch eine Weile nebeneinander.
Dann stand Larifari auf und sagte förmlich zu Herrn Maiteufel: "Wenn Ihnen doch noch die Augen geöffnet werden sollten, können Sie sich ja überlegen, ob Sie morgen Nacht mit mir mitkommen möchten. Dann nämlich werde ich wieder einmal mein Glück in den Kanalschächten versuchen. Bis dann."
Mit steifen Schritten ging Larifari auf's Haus zu.

Dreizehntes Kapitel, das unter die Stadt führt

"Ich sagte Ihnen doch bereits, dass es hier nicht weiter geht", sagte Larifari etwas unwirsch zu Herrn Maiteufel. "Lassen Sie uns endlich weiter gehen. Ich schlage vor, nach rechts abzubiegen. Nach einigen Metern kommt dort eine Öffnung. Ich bin zwar schon einmal durch sie hindurch geklettert, aber vielleicht habe ich damals ja etwas übersehen, was uns zum Ausgang führen könnte."
Herr Maiteufel nickte. Er klopfte nochmals mit einem herumliegenden Stein das Gewölbe ab, zuckte mit den Schultern und folgte Larifari, der bereits in den rechten Gang eingebogen war.
Sie mochten nun schon zwei Tage in diesen dunklen Schächten und Kanälen unter der Stadt herum irren, ohne jedoch einen Ausgang - oder auch nur die Möglichkeit eines solchen - entdeckt zu haben.
Tatsächlich hatte sich Herr Maiteufel dazu entschieden, mit Larifari den Garten durch den Teich zu verlassen, um über die unterirdischen Kanäle und Gänge wieder in die Stadt zu gelangen.
Warum er sich dazu entschieden hatte und nicht bei Merigue in dem süßduftenden Garten geblieben war, wusste er selbst nicht genau. Vielleicht war er aus Angst mitgekommen, die Tür wirklich nicht öffnen zu können, wenn er es endlich versuchen würde? Oder war er mitgegangen, weil er fürchtete, dass er, wenn er bliebe, alles, was außerhalb des Gartens war, völlig vergessen würde? Oder trieb ihn nur die bloße Neugier an, mit Larifari durch die feuchten Gemäuer zu stapfen, in der seltsamen Idee, unbedingt einen Ausweg finden zu müssen? Er wusste keine richtige Antwort darauf. Und doch musste er zugeben, dass er sich in dem Garten nicht mehr richtig wohlgefühlt hatte, seit er die Türe hatte öffnen wollen.
"Hier, sehen Sie", sagte Larifari und deutete mit dem Lichtstrahl seiner Taschenlampe auf ein dunkles Loch, das ungefähr zwei Meter über ihnen lag.
"Da sind Sie schon mal hindurchgekrochen? Ganz alleine?" fragte Herr Maiteufel anerkennend.
Larifari lächelte dünn. "Wenn Sie wüssten, was ich hier schon alles hergeschleppt habe. Dieses Mal haben wir mit der einwöchigen Verpflegung, den Schlafsäcken, dem Seil, den paar Werkzeugen und Taschenlampen nur das Nötigste mitgenommen. Als ich zum ersten Mal hier her gekommen bin, hatte ich neben einem Gaskocher, einer Leiter, und einem kleinen Schlauchboot, sogar noch Rattengift dabei. Wissen Sie, ich fürchte mich schrecklich vor Ratten. - Leider ist mir die Tüte mit dem Rattengiftpulver aber schon am zweiten Tag kaputt gegangen. Das Pulver hat meinen ganzen Lebensmittelvorrat vergiftet, und ich musste wieder umkehren. Aber zum Glück gibt es hier gar keine Ratten, und ein Schlauchboot kann man hier auch nirgends einsetzen."
"Merkwürdig", meinte Herr Maiteufel. "Eigentlich müsste hier doch das Abwasser der Stadt fließen. Oder sind wir hier gar nicht unter der Stadt?"
"Natürlich sind wir hier unter der Stadt. Wo denn sonst?" erwiderte Larifari etwas hochnäsig. "Wahrscheinlich befinden wir uns in dem alten Kanalsystem der Stadt. Dann ist es sehr verständlich, dass hier kein Wasser mehr fließt."
"Aber dann ist es auch sehr verständlich, dass wir keinen Ausgang finden", sagte Herr Maiteufel schlagfertig. "Wenn wir uns hier wirklich in dem alten und damit stillgelegten Kanalsystem befinden, werden alle Verbindungen zum neuen zugemauert sein!"
Larifari schaute Herrn Maiteufel erschrocken an.
"Das habe ich mir so noch gar nicht überlegt!" sagte er. "Aber sicher, Sie haben Recht. Es kann hier gar keinen Ausgang geben."
Er ließ sich mit dem Rücken die Wand hinuntergleiten und stöhnte. "Eigentlich habe ich es schon lange gewusst. Ich habe es Ihnen ja selbst gesagt, dass es hier keinen Ausgang gibt, und dass der Garten unsere Endstation ist. Aus der Traum von meinen Möglichkeiten! Vorbei die kühnen Zukunftspläne. ‚Adieu' mein visionärer Katalog!"
Er winkte mit der Hand seinen unsichtbaren Möglichkeiten hinterher. Dann schlang er seine Arme um die Knie und war nicht mehr ansprechbar.
Herr Maiteufel seufzte. Er hätte sich nie auf Larifari einlassen sollen! Erst war es Larifari gelungen, ihm den Garten madig zu machen. Dann hetzte er ihn unaufhaltsam durch all diese Gänge. Und nun verlor er schon bei der ersten Schwierigkeit (denn als solche betrachtete Herr Maiteufel den Umstand, dass sie in dem alten Kanalsystem waren) allen Mut und dachte daran aufzugeben.
Er hockte sich neben Larifari und dachte nach.
Eigentlich war es ihm ganz angenehm, dass sie keinen Ausgang fanden. So würde er bald wieder in den Garten zurückkehren können. Andererseits wollte er die Suche noch nicht abbrechen. Und sei es nur, um Larifari davon überzeugen zu können, dass es einen Ausweg aus dem Garten gab, und dass sich dort niemand gezwungenermaßen aufhalten musste.
"Wenn wir uns wirklich in dem alten System befinden", dachte er, "dann muss es das neue entweder kreuzen oder die beiden Systeme verlaufen parallel. Irgendwo muss es also eine Stelle geben, wo beide Mauerwerke aneinander stoßen. Wir müssen diese Stelle nur finden und dann durchbrechen."
Larifari saß immer noch zusammengesunken an die Mauer gelehnt und regte sich nicht.
Herr Maiteufel stand deshalb leise auf und ging den Gang zurück, den sie gekommen waren. An der Stelle, wo er vorhin die Wand abgeklopft hatte, hob er den Stein auf, ging ein paar Schritte weiter und schlug mit ihm gegen das Gemäuer. Ein stumpfes "Tock" hallte ihm entgegen.
Langsam, Meter für Meter, hörte Herr Maiteufel die Wand ab. Doch er hörte immer den gleichen Laut: "Tock, Tock ... Tock, Tock."
Er bog gerade in einen anderen Gang, um auch dort die Wand abzuhorchen, als ihm eine Hand auf die Schulter gelegt wurde.
Erschrocken drehte er sich um.
"Ach, Sie sind es!" stöhnte er erleichtert auf.
"Wer denn sonst?" erwiderte Larifari. "Erwarten Sie etwa noch jemanden? - Was machen Sie denn da? Ich wollte jetzt eigentlich wieder in den Garten gehen. Da ist es auf jeden Fall gemütlicher als in diesen kalten Katakomben."
"Ach, auf einmal?" sagte Herr Maiteufel gereizt. "Und warum haben Sie mich dann beinahe gezwungen mit Ihnen hier her zu kommen, wenn es Ihnen oben viel besser gefällt?"
Larifari sah ihn erstaunt an. "Und ich wusste nicht, dass es Ihnen hier unten so gut gefällt."
"Vielleicht sollten Sie wieder nach oben gehen, während ich hier noch ein Weilchen den Ausgang suche," meinte Herr Maiteufel.
"Das könnte Ihnen wohl so passen. Erst muss man Sie dazu fast gewaltsam drängen, den Garten zu verlassen, und dann wollen Sie sich hier unten heimlich aus dem Staube machen."
"Was heißt denn hier 'aus dem Staube' machen?" fragte Herr Maiteufel empört. "Sie glauben doch gar nicht mehr daran, dass man sich hier überhaupt aus dem Staube machen kann! Sie ereifern sich völlig umsonst."
"Wieso ereifere ich mich umsonst? Wenn Sie an einen Ausweg glauben, können Sie sich doch wohl aus dem Staube machen, oder etwa nicht?"
"Ja, ich schon, aber Sie nicht!"
"Genau! Ich nicht. Ich will mich aber auch aus dem Staube machen. Das war ohnehin meine Idee und nicht Ihre!"
Herr Maiteufel stutzte. Irgend etwas stimmte an Larifaris Argument nicht, doch er wusste nicht, was. Deshalb fragte er nur matt: "Kommen Sie jetzt mit mir oder gehen Sie in den Garten zurück?"
"Natürlich komme ich mit Ihnen mit!" sagte Larifari. "Sie glauben doch nicht, dass ich sie alleine gehen lasse?!"
Herr Maiteufel stieß einen zufriedenen Seufzer aus. Eigentlich wäre es ihm sehr unangenehm gewesen, alleine durch diese dunklen Schächte gehen zu müssen.
Er erzählte Larifari, was er sich ausgedacht hatte.
Larifari schüttelte bedächtig seinen Kopf. "Ich denke, dass es beinahe unmöglich ist, durch Klopfen die neue Kanalisation ausfindig zu machen. Die Mauern sind viel zu dick, als dass man irgendwelche Schlüsse aus den Klopfgeräuschen ziehen könnte. Und selbst wenn. Wie sollten wir denn die Mauern durchbrechen? Wir haben dafür doch gar keine Werkzeuge dabei."
"Könnten wir uns nicht etwas von Parbleu ausleihen?" meinte Herr Maiteufel.
Larifari verzog das Gesicht. So, als wolle er sagen, Herr Maiteufel habe wohl noch gar nichts verstanden.
"Dann müssen wir uns eben etwas anderes ausdenken", seufzte Herr Maiteufel.
So einfach, wie er sich das vorgestellt hatte, war die Suche nach dem Ausgang wohl doch nicht.
"Und was ist mit Ihrem Möglichkeitenkatalog?" fragte er. "Ich denke, Sie haben unzählige Möglichkeiten gesammelt. Dann müssten Sie doch auch eine davon haben, aus diesen dunklen Tunneln herauszukommen."
Larifari schüttelte betrübt den Kopf und sagte leise: "Warum machen Sie sich immer über mich lustig? Sie wissen doch ganz genau, dass ich in meinem Katalog nur Möglichkeiten habe, die die Möglichkeit zur Umsetzung schon voraussetzen. Wie sollte ich hier zum Beispiel einen Stand mit den größten Würsten der Welt eröffnen können? Oder wie könnte ich in diesen Schächten eine Versammlung einberufen, die über das ausschließliche Tragen von Schnallenschuhen mit hohen Absätzen entscheiden soll? Oder wo ist hier genug Platz, Luft und Licht für eine Parkallee, deren Baumkronen mit Watte gepolstert sind, damit man es sich dort so richtig schön gemütlich machen kann? Oder wissen Sie etwa ..."
"Ich wollte Ihnen nicht wirklich zu nahe treten", sagte Herr Maiteufel ungeduldig. "Trotzdem verwundert es mich, dass Sie sich lieber überlegen, wie etwas wäre, wenn, als dass Sie versuchen, sich auf die jetzige Situation zu konzentrieren und mit mir zu überlegen, wie man hier heraus kommt."
"Oho. Sie verdrehen ja schon wieder die ganze Angelegenheit! Was glauben Sie denn, wieso ich hier die ganze Zeit - als Sie noch nicht einmal die Existenz des Gartens ahnten - nach einem Ausgang suchte?!"
"Vielleicht sollten wir nochmals in dem Gang hinter der Öffnung nachschauen", versuchte Herr Maiteufel das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. "Womöglich haben Sie ja bei Ihrer ersten Suche tatsächlich etwas übersehen. Immerhin könnte es auch sein, dass wir nicht nur über das neue Kanalsystem ins Freie gelangen können."
Larifari nickte.
Gemeinsam gingen sie den Gang wieder zurück, bogen rechts ab und hielten vor der Öffnung.
"Der stärkere von uns sollte als erstes hochsteigen, damit er den anderen nach oben ziehen kann", schlug Herr Maiteufel vor.
"Richtig", sagte Larifari. "Deshalb bleibe ich hier unten und gebe Ihnen die Spitzbubenleiter."
Herr Maiteufel staunte, dass Larifari ihn für den Stärkeren hielt. Er selbst glaubte kaum, dass er die Kraft hatte, Larifari nach oben zu ziehen. Aber er wollte nicht schon wieder mit Larifari streiten. Deshalb nickte er nur, stemmte sich mit Larifaris Hilfe kurz entschlossen nach oben und kletterte in die Öffnung.
"Ahh! Hier ist es ganz glitschig."
Vorsichtig versuchte er sich aufzurichten, doch die Decke war viel zu nieder zum Stehen. Er kniete sich deshalb auf den nassen Boden und reichte Larifari die Hand.
"Können Sie nicht stärker ziehen?" rief Larifari Herrn Maiteufel zu.
"Nein", stöhnte Herr Maiteufel. "Sie sind zu schwer für mich. Können Sie sich nicht etwas leichter machen?"
"Ich habe nun mal mein Gewicht", sagte Larifari. "Bestimmt geht es besser, wenn Sie sich flach auf den Boden legen."
"Dann werde ich doch völlig nass und schmutzig!" widersprach Herr Maiteufel.
"Nun haben Sie sich nicht so, oder wollen Sie etwa alleine weitergehen?"
Herr Maiteufel grummelte. Mit einiger Überwindung legte er sich auf den Boden und versuchte Larifari nach oben zu ziehen. Nun ging es tatsächlich viel leichter.
Noch zwei Atemzüge und noch einen.
Dann kniete Larifari neben Herrn Maiteufel.
"Vielen besten Dank", sagte Larifari übertrieben freundlich. "Hier haben Sie auch mein Taschentuch. Damit können Sie sich ein wenig sauber machen."
Etwas angewidert nahm Herr Maiteufel Larifaris Taschentuch. Sein eigenes hatte er tief unten im Rucksack verstaut. Als er den gröbsten Schmutz von sich abgerieben hatte, krochen sie langsam und bedächtig hintereinander den Gang entlang.
"Wir müssen ungefähr zweihundert Meter weit kriechen", sagte Larifari.
"Aha!" sagte Herr Maiteufel und rutschte Zentimeter um Zentimeter vorwärts.
Nach einer halben Stunde waren seine Knie wund gescheurt, seine Hose durchweicht und seine Hände eiskalt.
"Ich glaube, der Gang ist bald zu Ende", sagte Larifari.
"Hoffentlich!" sagte Herr Maiteufel. "Viel länger hätte ich es auch nicht mehr ausgehalten."
"Was glauben Sie, warum ich erst einmal durch diesen Gang gekrochen bin?" sagte Larifari.
Plötzlich griff Herrn Maiteufels Hand ins Leere.
"Oh!", machte Herr Maiteufel. "Wir sind da!"
"Wunderbar! Wenn wir hier hinab klettern, kommen wir in einen größeren Raum, in dem man wieder gut stehen kann", erklärte Larifari. "Am besten lassen Sie mich zuerst hinab klettern."
Er quetschte sich an Herrn Maiteufel vorbei und rutschte rückwärts auf den Boden. "Endlich!" sagte Larifari.
Er leuchte den Raum ab und Herr Maiteufel bemerkte, dass er wie ein abgeschnittenes Tortenstück aussah. An einer Seite liefen zwei Wände spitz aufeinander zu. Am breiteren Ende des Raumes gähnte ein schwarzes Loch. Da also ging der Gang weiter.
Herr Maiteufel ließ sich vorsichtig auf den Boden gleiten. Es war schön, wieder stehen zu können.
"Eine seltsame Form für einen Raum", bemerkte er. "Finden Sie nicht auch?"
"Schon", meinte Larifari, "aber vielleicht bauen sie unterirdisch anders als oberirdisch." "Wahrscheinlich. Trotzdem kann ich mir nicht vorstellen, wozu der Raum hier gebraucht wurde."
Herr Maiteufel leuchtete langsam die Wände ab. Sie schienen ziemlich trocken zu sein. Nur aus der Öffnung, aus der sie vorhin geklettert waren, schimmerte die Wand algengrün und war ganz klamm. Larifari zog seinen Rucksack fest und ging zum Ausgang.
"Irgendetwas ist hier merkwürdig", sagte Herr Maiteufel zu sich selbst.
Nachdenklich schüttelte er den Kopf, folgte dann aber trotzdem Larifari, der den Raum bereits verlassen hatte.
Ein matter Lichtschein wies Herrn Maiteufel den Weg.

Ende Teil 7

Die Fortsetzung der Geschichte könnt ihr im Rossipotti No. 14 lesen!

 © Rossipotti No. 13, Nov. 2006