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            Rossipottis Leibspeise 
              und andere Lieblingsbücher
             
            Rossipottis Leibspeise
            
            Lieblingsbuch
            vorgestellt von Helma Hörath 
            
            * * * 
            Das schwarze Buch der Farben
            "Wenn du eine andere Welt betrittst, siehst du zuerst einmal 
              schwarz!" sagt Rossipotti. Er hält die Augen geschlossen 
              und fährt mit dem Finger über das Cover eines schwarzes 
              Buchs mit silber-grauem Schriftzug. 
            "Dann öffne die Augen", sage ich. "Und du wirst 
              erstaunt sein, was es in der anderen Welt noch zu sehen gibt!" 
            "Das ist keine Frage der Augen!" grunzt Rossipotti. "Sondern 
              der inneren Bereitschaft, sich auf Fremdes einzulassen." 
            "Sage ich ja", beharre ich. "Und weil du dich nicht 
              einlässt, siehst du nur schwarz." 
            "Ach was", sagt Rossipotti. "Ich lasse mich mehr 
              ein als du! Ich gehe nämlich nicht mit unseren Vorstellungen 
              in eine andere Welt, sondern vorurteilsfrei." 
            "Hm?" frage ich verwirrt. "Willst du damit sagen, 
              dass es eine Farbe für vorurteilsfrei gibt und dass 
              diese Farbe schwarz ist?" 
            "Genau!" sagt Rossipotti. "Schwarz ist die Farbe 
              des allerersten Anfangs! Wenn alles Schwarz um einen ist, spürt 
              man sofort jede Erhebung, jede kleine Abweichung vom bereits Bekannten." 
             
             "Aha!" sage ich. "Und was spürst du gerade?" 
            "Eine Linie", meint Rossipotti. "Nein, zwei Linien, 
              die sich zu einem spitzen Kreis hin öffnen!" 
            "Spitze Kreise gibt es nicht", sage ich. "Kreise 
              sind bekanntlich rund." 
            "Eben!" sagt Rossipotti, immer noch mit geschlossenen 
              Augen. "Und damit haben wir den Beweis, dass ich bereits in 
              einer anderen Welt bin, während du immer noch mit unseren bescheidenen 
              Dimensionen kämpfst!" 
            Ich sehe mir das Cover mit dem Titel Das schwarze Buch der Farben 
              genauer an und bemerke, dass sich von dem matten, schwarzen Grund 
              eine glänzende, schwarze Silhouette abhebt. Die Silhouette 
              stellt Gras, einen Grashüpfer und Blätter dar. 
              "Was du gerade gefühlt hast", erkläre ich Rossipotti, 
              "war kein spitzer Kreis, sondern ein ganz normales Blatt!" 
             
            "Psst!" sagt Rossipotti. "Du störst mein Versinken 
              in andere Dimensionen!"  
              Er schlägt das Buch auf und fährt über eine Zeile 
              Blindenschrift, die, wie ich weiß, nach seinem Erfinder auch 
              Braille-Schrift heißt.  
            "In der Dimension der spitzen Kreise gibt es kleine, schwarmartig 
              auftretende Punkte", fährt Rossipotti mit seinen Betrachtungen 
              fort. "Sie treten in einer Spur auf. Vielleicht eine Art armeeartig 
              auftretender Insekten?" 
            "Sicher", sage ich, denke aber genau das Gegenteil.  
            Rossipotti gibt ein zufriedenes Grunzen von sich und blättert 
              das Buch um. 
              Ich sehe mehrere schwarz-glänzende Federn, die sich von dem 
              matten Grund abheben.  
            "Die inseketenartige Armee trifft auf längliche Raumschiffe", 
              übersetzt Rossipotti mir seine Version der Geschichte. Er blättert 
              weiter, fährt mit seinen Fingern über die Erhebungen im 
              Papier und erfindet: "Die Raumschiffe treffen auf einen großen 
              und zwei kleinere Sterne. Sie überlegen, ob sie darauf landen 
              sollen." 
            "Interessant", sage ich und schaue mir die drei glänzenden 
              Erdbeeren an, die Rossipotti für Sterne hält.  
              Leise lese ich die silber-graue Schrift, die auf der gegenüber 
              liegenden Seite steht:  
             Die Farbe Rot ist so süß wie eine Erdbeere und so 
              saftig wie die Wassermelone, und sie tut weh, wenn sie aus seinem 
              abgeschürften Knie quillt. 
            Ich verstehe zwar nicht, wessen Knie abgeschürft ist und von 
              wem hier die Rede ist. Aber ich bin mir sicher, dass dieser jemand 
              blind sein muss und sich die Welt ganz anders zusammen setzt als 
              wir Nicht-Blinden es tun.  
              Während wir die Farben mit den Augen wahrnehmen, verknüpft 
              ein Blinder Farben anscheinend mit seinem Geruchs-, Schmeck- oder 
              Tastsinn. 
            "Die Raumschiffe bekommen Besuch", sagt Rossipotti erregt. 
              "Ob der Besuch freundlich gesinnt ist oder nicht, kann man 
              noch nicht erkennen." 
              Er blätter weiter und fährt mit dem Finger über einen 
              Drachen, der an einer langen Schnur befestigt ist.  
              "Ein unbekanntes Objekt kreuzt den Weg", stellt er fest. 
              "Der Tentakel eines gräßlichen Sternungeheuers?" 
            "Thomas sagt, dass Blau die Farbe des Himmels ist, wenn 
              die Sonne seinen Kopf wärmt", lese ich laut.  
            "Ist Thomas das Ungeheuer?" fragt Rossipotti. "Komischer 
              Name für ein Ungeheuer."  
            "Quatsch", sage ich. "Thomas heißt wahrscheinlich 
              der Blinde, der die Erdbeere gegessen hat!" 
            "Welcher Blinde?" fragt Rossipotti irritiert. "Und 
              welche Erdbeere?" 
            "Wusstest du nicht, dass man mit dem Buch die Welt der Blinden 
              erfahren soll?" 
            "Hä? Warum das denn?" sagt Rossipotti. "Die 
              Buchhändlerin, die mir das Buch verkauft hat, meinte, dass 
              ich damit ganz sicher in eine andere Welt käme. Ich müsste 
              nur immer die Augen geschlossen halten." 
            "Dann hat sie vergessen, dir zu sagen, dass das nur richtig 
              funktioniert, wenn dir das Buch gleichzeitig jemand vorliest." 
            "Es hat richtig funktioniert, bis du mit Thomas und 
              der Erdbeere angefangen hast", meckert Rossipotti. 
            "Nur, dass deine Raumfahrt-Geschichte nichts mit Thomas' Geschichte 
              zu tun hat." 
            "Na und?" sagt Rossipotti. "Hauptsache, ich habe 
              eine andere Welt erkundet. - Aber jetzt hast du alles verpfuscht!" 
            "Du kannst ja immer noch auf die Blindengeschichte umsteigen", 
              schlage ich vor. "Dann erkundest du neben dem Universum noch 
              eine weitere Dimension."  
            "Also gut", sagt Rossipotti gnädig. "Wie geht's 
              mit Thomas und den Erdbeeren weiter?" 
            Rossipotti tastet das nächste Blatt ab und ich lese dazu: 
              "Aber der Himmel wird weiß, wenn die Wolken beschließen, 
              ihn zuzudecken, und es zu regnen beginnt." 
            "Hm", macht Rossipotti, "Regentropfen. Wahrscheinlich 
              fallen sie gerade auf die Erdbeeren von davor." 
            "Weiter?"  
            Rossipotti nickt und blättert um. 
            "Sobald die Sonne hervorlugt, um die Tropfen fallen zu 
              sehen, eilen alle Farben herbei, um einen Regenbogen zu malen." 
            "Wenn ich richtig fühle", meint Rossipotti. "Ersetzen 
              die Erdbeeren im Regenbogen die Farbe Rot und die Raumschiffe Gelb?" 
            "So ungefähr", sage ich. "Nur dass die Raumschiffe 
              eigentlich Federn sind." 
            Gemeinsam lesen wir das Buch bis zum Schluss. Rossipotti mit geschlossenen 
              Augen, still in sich versunken. Ich vorlesend und die schlichten, 
              schwarzen, reliefartigen Bilder betrachtend.  
            Als wir das Buch schließen, öffnet Rossipotti die Augen 
              und sagt:  
              "Ich weiß nicht, ob man mit dem Buch wirklich eine andere 
              Welt betritt, wenn man es so liest, wie es vorgesehen ist. Man bleibt 
              zu sehr am Papier und den eigenen, schon vorhandenen Vorstellungen 
              kleben. Vorhin, mit den Raumschiffen, das hat gefetzt! Aber mit 
              dir als Vorleser, schien mir eher, als ob ich damit blind werde." 
            Menena Cottin/Rosana Faria: Das schwarze Buch 
              der Farben. Fischer Schatzinsel. Frankfurt a. Main 2008. 
              
            * * * 
            Ein neues Land
            "Es gibt ein Buch, das einen viel besser in fremde 
              Gegenden führt", sagt Rossipotti und legt Das Schwarze 
              Buch der Farben zur Seite. "Ein neues Land von Shaun 
              Tan." 
            "Argh!", mache ich und ein Schauer läuft 
              durch meine Gräten. "Ist das etwa dieses düstere, 
              braun-grau-gelbliche Comic-Buch mit den monumentalen Bildern?" 
            "Stimmt", sagt Rossipotti. "Oder anders 
              ausgedrückt: Diese fantastische Graphic Novel mit riesigen 
              Gebäuden, dunklen Fabriken, seltsamen Gegenständen und 
              Ungeheuern!" 
            "Aber das Buch ist für Erwachsene gedacht!" 
            "Na und?" meint Rossipotti. "Nur, weil 
              Erwachsene immer weniger lesen und immer häufiger Bilderbücher 
              anschauen wollen, heißt das noch lange nicht, dass Kinder 
              umgekehrt keine Bilderbücher mehr anschauen dürfen. Immerhin 
              kommt Ein neues Land ohne jeden Text aus und kann deshalb 
              sogar schon von Kleinkindern verstanden werden." 
            "Aber die Bildsprache ist viel zu alptraumhaft 
              und erwachsen", werfe ich ein. 
             "Pah!" macht Rossipotti. "Sogar die 
              Jury des Deutschen Jugendliteraturpreises hat das Buch zum 
              Bilderbuch des Jahres 2009 vorgeschlagen." 
            "Seit wann interessiert dich, was diese Jury 
              zu sagen hat?" frage ich verwundert.  
            "Seit gerade", sagt Rossipotti. "Ich 
              kenne dich und weiß, dass du unter diesen Umständen das 
              Buch sehr gerne vorstellen möchtest." 
            Ha, ha!  
              Rossipotti soll ruhig seine Witze reißen.  
              Mich interessiert gerade viel mehr, was Kinder wirklich an dem Buch 
              spannend finden könnten? An der Geschichte eines Mannes, der 
              seine Familie verlässt, um in ein neues Land zu emigrieren, 
              weil er zu Hause von Drachenschwänzen verfolgt wird? Und der 
              in dem neuen Land andere Emigranten kennen lernt und sich seltsame 
              Speisen kocht?  
              Ist es vielleicht das Happy End, was das Buch auch zu einem Kinderbuch 
              macht? Zumindest für einen erfahrenen Fisch kommt das Buch 
              deshalb insgesamt zu kitschig rüber. 
              Oder weiht das Buch nebenbei Kinder mit seinen merkwürdigen, 
              unverständlichen, bedrückender Szenen in die andere Welt 
              der Erwachsenen ein? 
              Oder ist es nur deshalb auch ein Kinderbuch, weil der Verlag dann 
              einen größeren Absatzmarkt hat? 
             
            Rossipotti räuspert sich auffallend laut und 
              fragt: "Hast du jetzt einen Blick für die surrealen Bilder 
              bekommen? Und hast du bemerkt, dass sie einen beinahe magisch ins 
              Bild ziehen?"  
            "Und die Kinder?" frage ich, immer noch 
              meinen vorigen Gedanken nachhängend. "Was ist mit den 
              Kindern?"  
            "Kinder sind auch nur Menschen", stellt 
              Rossipotti fest.  
            Ich nicke, unfähig eine differenziertere Antwort 
              zu geben. 
            "Dann schreib' auf!" grunzt Rossipotti: 
              "Shaun Tans Bilderbuch Ein Neues Land verfremdet durch 
              neu erfundene Gegenstände, Häuser und Sitten den Blick 
              auf gewohnte Handlungen. Dadurch zwingt er den menschlichen Betrachter, 
              die schon oft gehörte Geschichte einer Emigration mit ganz 
              neuen Augen zu sehen. Auch die auffallenden Perspektiven, die mal 
              nur eine zerbrochene Kanne oder das Bullauge eines Schiffs und dann 
              wieder riesige Panoramen von ganzen Traumstädten zeigen, versetzen 
              einen in eine merkwürdig vertraute und doch andere Welt ..." 
             
            Shaun Tan: Ein neues Land. Carlsen 
              Verlag. Hamburg 2008. 
              
            * * * 
            Elfensucher. Nachforschungen über das Leben 
              und Verschwinden von Isaac Wilde
            "Wir brauchen mehr Esprit", sage ich. "Unsere 
              Diskussionen enden heute immer im Irgendwo." 
            "Nur zu", sagt Rossipotti. "Ich habe 
              nichts dagegen, wenn du zur Abwechslung mal einen guten Einfall 
              hast." 
            Der Sache willen überhöre ich Rossipottis 
              bissige Bemerkung und sage:  
              "Es liegt nicht an mir, dass die Diskussion nicht richtig in 
              Schwung kommt. Du bist heute viel zu zahm. Wie soll ich dir da kontra 
              bieten?"  
            "Das Thema gibt nichts anderes her", sagt 
              Rossipotti. "Und weißt du auch, warum?"  
              Er schaut mich bedeutungsvoll an, beugt sich vor und grunzt mir 
              leise ins Ohr: "Weil wir uns mit den anderen Welten gut stellen 
              müssen! Sonst kommen sie und rächen sich an uns." 
            Ich beuge mich mit dem Kopf zurück und sehe Rossipotti 
              erstaunt an. "Das glaubst du doch wohl selbst nicht?!" 
             
            "Ich habe schon Dinge erlebt, da würde dir 
              Hören und Sehen vergehen", sagt Rossipotti mit Kennermiene. 
            "Was denn zum Beispiel?"  
            "Zum Beispiel ...", sagt Rossipotti und 
              dehnt dabei die Worte lang, "... bin ich vor ein paar Tagen 
              nachts aufgewacht, weil es mich an meinem ganzen Leib gekitzelt 
              hat. Ich sehe nach und was entdecke ich? Eine Horde Minkpinkler, 
              die sich meine Schuppen abschneiden wollten! Sie hatten von den 
              Schluckkrappern erfahren, dass ich nicht an ihre Existenz glaubte. 
              Und das nur, weil ich sie noch nie gesehen hatte!"  
            "Minkpinkler und Schluckkrapper?" frage 
              ich. "Sind das Gestalten aus deinen Alpträumen?" 
            "Ach was, Alpträume!" winkt Rossipotti 
              ab. "Hier, keine drei Meter von dir entfernt leben die Minkpinkler! 
              Wie ich seit neulich Nacht weiß, sind Minkpinkler kleine, 
              wurmartige Wesen, die unter dieser Fußleiste da leben. Und 
              Schluckkrabber sind krabbenförmige, sehr intelligente, aber 
              ungefährlich winzige Kobolde, die es sich hinter meiner Regalwand 
              gemütlich eingerichtet haben." 
            "Und warum habe ich dann noch nie einen gesehen 
              oder gehört?"  
            "Weil du nie zur richtigen Uhrzeit hier bist", 
              sagt Rossipotti. "Sie erwachen erst so um 1 oder 2 Uhr nachts 
              zu Leben. Davor schlafen sie oder bewegen sich so langsam, dass 
              man sie nicht hört. - Aber wenn du die Fußleiste oder 
              die Regalwand wegmachst, kannst du sie auch bei Tag sehen." 
             
            "Was ich aber sicher nicht mache werde", 
              sage ich und glaube Rossipotti selbstverständlich kein Wort. 
              "Deshalb hast du mir ja auch den Vorschlag gemacht." 
             
            "Du erinnerst mich an Gayle", sagt Rossipotti 
              und sieht mich mitleidig an. "Der wollte selbst dann nicht 
              an Elfen glauben, als er direkt vor ihnen stand." 
            "Was für ein Gayle?" frage ich misstrauisch. 
              "Ein Bekannter von dir?" 
            "Nicht von mir, aber von Isaac Wilde", sagt 
              Rossipotti. "Das war ein Fotograf, der vor ungefähr 120 
              Jahren Nachforschungen über Elfen angestellt hat und ein paar 
              davon sogar fotografiert hat!" 
            "Elfen?" frage ich ungläubig. "Fotografiert? 
              Das sind Fantasiewesen. Die kann man doch gar nicht fotografieren!" 
             
            "Wenn man die richtige Brille aufhat, schon", 
              meint Rossipotti. "Hier ist der Beweis!" 
             
            Rossipotti zieht ein Buch unter dem Sofa hervor und 
              zeigt mir mehrere, alte, beinahe schon vergilbte Fotografien darin. 
              Eine zeigt eine Brille mit zwei löchrigen Steinen, mit der 
              man angeblich Elfen sehen kann. Eine andere einen seltsamen, runden 
              Gegenstand aus Holz, der Einlagen aus Stein, Knochen und Blei hat. 
              Rossipotti erklärt mir, dass das runde Holzteil ein Weghexer 
              sei, mit dessen Hilfe man Menschen weghexen könne.  
              Auf den aufregendsten Fotos kann man aber wirkliche Elfen sehen! 
               
              Die Elfen sehen auf diesen Fotografien ganz anders aus, als sie 
              in Filmen oder Büchern dargestellt werden. Mehr wie kleine 
              Zwerge. Allerdings scheinen diese echten Elfen hier wie die fiktiven 
              Elfen auch nebel- oder lichtartige Geschöpfe zu sein. 
              Oder sind die Elfen auf den Fotos doch nicht echt und in diesem 
              Buch ist auch alles nur erfunden?  
              Aber wie konnte man die Fotos fälschen, wenn sie mit der bekannten 
              fälschungssicheren Fototechnik, der sogenannten Daguerreotypie, 
              hergestellt wurden?  
              Ich schaue Rossipotti zweifelnd an und überlege mir, wo der 
              Haken sein könnte? 
            Rossipotti scheint zu merken, dass ich zwischen Glauben 
              und Unglauben schwanke. Denn er sieht mich intensiv an und sagt: 
               
              "Ich rate dir, alles, was du in dem Buch liest, zwar zu glauben, 
              aber nicht zu wörtlich nehmen."  
            "Wie meinst du das?" frage ich verwundert. 
             
            "Wenn du es nicht glaubst, endest du wie Gayle", 
              erklärt Rossipotti. "Und wenn du es zu wörtlich nimmst 
              wie Wilde. Ich sage es nicht gern: Aber beide verschwanden für 
              immer aus unserer Welt." 
            David und Ruth Ellwand: 
              Elfensucher. Nachforschungen über das Leben und Verschwinden 
              von Isaac Wilde. Patmos Verlag/Sauerländer. Düsseldorf 
              2009. 
            * * * 
            Expedition in die geheime Welt der Drachen
            Obwohl ich Rossipottis Warnung durchaus ernst nehme, weiß 
              ich nicht, ob ich dem Autor des Buchs Elfensucher trauen 
              kann und er tatsächlich echte Elfen fotografiert hat. 
              Schließlich sprießen zur Zeit Bücher, in denen 
              behauptet wird, dass es Zwerge oder irgendwelche Fabelwesen wirklich 
              gibt, wie Pilze aus dem Boden.  
              Andererseits kommen die anderen Bücher alle ohne Fotos aus 
              und sind schnell durchschaubar: Irgendein Autor behauptet, Forscher 
              einer bestimmten Spezies zu sein und versucht, die Existenz der 
              Fabelwesen mit Zeichnungen, lächerlichen Geschenkpapieren und 
              Glaskugeln, die Haut und Augen des Fabeltiers darstellen sollen, 
              zu beweisen. Die Ideen sind zum Teil ganz witzig oder inspriert, 
              aber wissenschaftlich gesehen eine Katastrophe.  
              Oh! Da kommt mir plötzlich eine Idee, wie ich heraus bekommen 
              kann, ob mich Rossipotti mit dem Elfenbuch, den Minkpinklern und 
              Schluckkrappern angeschmiert hat: Wenn Rossipotti nämlich behauptet, 
              dass die vielen anderen Bücher über Fabeltiere auch alle 
              stimmen, habe ich ihn überführt und muss nicht länger 
              an die Existenz von Elfen, Minkpinkler und Schluckkrappern glauben! 
             
            "Was hältst du davon, wenn wir das Buch Expedition 
              in die geheime Welt der Drachen vorstellen?" setze ich 
              meinen Plan gleich in die Tat um und hoffe, dass Rossipotti anbeißt. 
            "Gerne", sagt Rossipotti und hat damit meinen Köder 
              ohne Probleme gefressen. "Das Buch beschreibt das Leben der 
              Drachen sehr ausführlich und aus verschiedenen Perspektiven. 
              Es wirkt dadurch viel fundierter als das Elfenbuch." 
            "Stimmt!" gebe ich Rossipotti gegen meine eigentliche 
              Überzeugung Recht und habe dabei das Gefühl, Rossipotti 
              fast schon überführt zu haben. "Besonders die naturkundlichen 
              Beschreibungen wirken sehr überzeugend. Es sieht unglaublich 
              echt aus, wie das Skelett, die Muskeln und die Haut beschrieben 
              wird. Und sogar die Heranreifung des Drachenembryos in einem herausklappbaren 
              Ei wird gezeigt!" 
            "Ja, solche Spielerein erfreuen das Publikum", sagt Rossipotti 
              ernst. "Sicher bist du bei den Stückchen Haut und dem 
              Drachenauge auch ganz aus dem Häuschen geraten?" 
            "Natürlich!" behaupte ich und hoffe, Rossipotti 
              damit endlich ganz aus der Reserve zu locken. "Das beweist 
              doch eindeutig, dass es Drachen gibt!" 
            "Schwachsinn!" sagt Rossipotti unerwartet und stößt 
              mir damit gewaltig vor den Kopf! "Das beweist gar nichts. Hast 
              du nicht bemerkt, dass die Häute aus Papier nachgemacht sind 
              und das Auge aus Glas ist?!" 
            "Ich schon", gebe ich mich zu erkennen. "Aber 
              ich dachte, dass du darin alles für bare Münze 
              nimmst. Heißt das etwa, dass du gar nicht an die Existenz 
              von Drachen glaubst?"  
            "Pah, glauben!" sagt Rossipotti. "Ich weiß, 
              dass es Drachen gibt! Schließlich bin ich selbst eine Art 
              Drache. Aber die echten Drachen sind ziemlich anders als in dem 
              Buch. Drachen können zum Beispiel nicht gezähmt werden. 
              Geschweigen denn, dass man auf ihnen reiten könnte. Unabhängig 
              von den albernen Häuten merkt man auch schon an dem überheblichen, 
              pseudo-witzigen Tonfall, dass in dem Buch vieles nicht stimmt." 
             
            So ein Mist! Wenn Rossipotti das Buch für einen Witz hält, 
              kann ich ihn auch nicht überführen und bin so klug wie 
              zuvor: Gibt es Elfen, Minkpinkler und Schluckkrapper oder nicht? 
             
            "Aber warum wolltest du das Buch dann vorstellen?" frage 
              ich mit einem letzten, kleinen Hoffnungschimmer, Rossipotti doch 
              noch in die Falle locken zu können. "Wolltest du etwa 
              so tun, als ob auch in dem Buch alles stimmt?"  
            "Wie kommst du denn darauf?" fragt Rossipotti verwundert. 
              "Du wolltest das Buch doch vorstellen! Und ich habe 
              dir aus zwei Gründen gerne zugestimmt: Erstens eignet sich 
              eine Besprechung dieses Buchs ganz gut, um die neugierigen Leser 
              von den echten Drachen abzulenken. Und zweitens ist das Buch eine 
              wunderbare Vorlage, selbst ein Drachen- oder Fabelwesenbuch zu machen. 
              Man braucht nur Papier, Stifte, unterschiedliche Stoffe und Kleber, 
              und schon kann man siche eine ganz eigene Fabelwelt erfinden! Was 
              will man von einem Buch mehr?" 
            Dugald A. Steer/ B.A. (Brist)/S.A.S.D.: 
              Dr. Ernest Drake. Expedition in die geheime Welt der Drachen. arsEdition. 
              München 2004. 
            * * * 
            Die Insel
            "Es macht sicher Spaß, sich eine eigene Welt auszudenken", 
              nehme ich Rossipottis Idee von gerade auf. "Dann kann man alles 
              so einrichten, wie man will." 
            "Was würdest du denn wollen?" fragt Rossipotti interessiert. 
            "Eine Welt, in der man keine Fische isst", sage ich, 
              ohne lange nachzudenken.  
            "Gräßliche Vorstellung", sagt Rossipotti. 
              "Und sonst?" 
            "Eine Welt, in der alles gut ist", sage ich. "Eine 
              Welt, in der das Wasser klar und die Luft nicht verschmutzt ist 
              und in der alle friedlich zusammen leben." 
            "Also eine Welt, in der Gott keine Fehler gemacht hat", 
              sagt Rossipotti etwas unvermittelt. "Ein Paradies." 
            "In meiner Welt gibt es den Begriff Gott und Paradies 
              gar nicht", sage ich. "Fische leben aus eigener Kraft." 
            "Dann sagen wir eben Utopie", sagt Rossipotti. 
              "Gibt es in deiner Utopie Menschen?" 
            "Eher nicht", sage ich. "Wozu auch?" 
            "Als Leser unseres Magazins", sagt Rossipotti.  
            "In meiner guten, neuen Welt braucht man keine Magazine und 
              Bücher mehr", sage ich. "Da beschäftigt man 
              sich mit den wirklich wichtigen Dingen des Lebens." 
            "Und die wären?"  
            "Essen, Trinken, Schlafen, Fortpflanzen und Unterhalten", 
              sage ich. 
            "Und worüber unterhält man sich, wenn man den ganzen 
              Tag nur schläft, trinkt, isst, Kinder bekommt und sonst nichts 
              weiter passiert?" fragt Rossipotti.  
            Ich gebe zu, das ist ein Problem. 
            "Ich glaube, ohne ein paar Attraktionen kommst du in deiner 
              guten Welt vor Langeweile um", fährt Rossipotti fort. 
              "Wie wäre es mit ein paar richtig guten Büchern?" 
            Rossipotti will meine Utopie mit einem Zug schachmatt setzen. Aber 
              nicht mit mir. Ich werde sie mit allen mir zu Verfügung stehenden 
              Argumenten verteidigen!  
              Es fragt sich nur, mit welchen? 
            "Ich habe hier ein Buch von Terry Pratchett, das dir bei der 
              Entwicklung einer eigenen Welt helfen kann", sagt Rossipotti. 
              "Der Autor versucht genau das Gleiche wie du." 
            "Wohl kaum", sage ich und sehe auf das blaue, dicke Buch 
              mit dem Titel Die Insel. "Dort geht es doch nicht um 
              die Schöpfung einer neuen Welt, sondern darum, wie man sich 
              einrichtet, wenn man der einzige Überlebende nach einer Flutkatastrophe 
              ist."  
            "Ja, schon", sagt Rossipotti. "Aber das macht keinen 
              großen Unterschied. Genau so wie du mit deinem Vorwissen eine 
              neue Welt bastelst, versucht der Junge Mau sich nach der Flutwelle 
              eine neue Weltordnung aufzubauen. Die Flutwelle hat nämlich 
              nicht nur seine Familie, Nachbarn und Freunde, sondern auch seinen 
              Glauben an die alten Werte und religiösen Handlungen weggespült. 
              Jetzt ist er alleine auf der Welt und kann sich entscheiden, wie 
              er sie einrichten will." 
            "Aber nicht lange", entgegen ich. "Kein zwei Tage 
              später stört ihn doch schon das englische Mädchen, 
              das sich als Erbprinzessin herausstellt. Und obwohl sie sehr tolerant 
              ist, bringt sie ihre eigenen Sicht auf die Dinge ein und beeinflusst 
              Mau erheblich. Da ist nichts mehr mit tabula rasa und freier Weltenschöpfung!" 
            "Doch", widerspricht Rossipotti. "Und zwar, weil 
              sich die beiden Jugendlichen im Gegensatz zu den meisten - oder 
              allen? - anderen Robinson Crusoe Geschichten nicht bekriegen, sondern 
              tolerieren. Dadurch setzen sie ganz neue Kräfte, Gedanken und 
              Mechanismen frei. Das ist auch das Faszinierende an dem Buch: Dass 
              das Zusammenleben grundlegend neu gedacht und auf das neue Fundament 
              der Freundschaft und des gegenseitigen Vertrauens gestellt wird." 
            "Also ist eine gute Welt doch denkbar, die nicht langweilig 
              zu sein braucht", sage ich zufrieden. Terry Pratchett hat mich 
              aus der schachmatten Situation gerettet. Danke! 
            "Langweilig vielleicht nicht", gibt Rossipotti zu. "Aber 
              sicher zu schön, um wahr zu sein." 
            Terry Pratchett: Die Insel. Manhattan in der 
              Verlagsgruppe Random House. München 2009. 
            * 
              * * 
            Jasmin Behringer. Ich und die Kanzerlin
            "Weißt du, welcher Aspekt uns bei den Besprechungen 
              noch völlig fehlt?" fragt Rossipotti, ohne ernsthaft auf 
              eine Antwort zu warten. "Der reale!" 
            "Ich denke, die Elfen und Drachen waren real?" frage 
              ich lauernd. Gibt Rossipotti jetzt endlich zu, dass er vorhin nur 
              geflunkert hat?  
            "Ich meine real nicht im Sinne von echt existierend", 
              sagt Rossipotti, "sondern im Sinne von schnöde sichtbar, 
              für jeden erfahrbar und nachvollziehbar." 
            "Also die normale Wirklichkeit", sage ich. "Aber 
              passt das überhaupt zum Thema unserer Ausgabe?" 
            "Natürlich!" sagt Rossipotti. "Schon wenn ich 
              meine Nachbarn besuche, betrete ich eine andere Welt. Kennst du 
              zum Beispiel nicht Harry Brunz von nebenan? Der schläft zwischen 
              lauter Motorrädern, weil er keine Werkstatt hat. Oder bei Frau 
              Petersen steht ihr toter Hund ausgestopft auf dem Fernseher!" 
             
            "Komische Nachbarn hast du", sage ich. "Das hört 
              sich in meinen Ohren nicht gerade real an." 
            "Willst du damit sagen, dass deine Nachbarn realer sind als 
              meine?" fragt Rossipotti. "Eine literarische gebildete 
              Qualle und ein sprechender Pudding?!" 
            Ich versuche, unsere Diskussion in fruchtbarere Bahnen zu lenken 
              und frage deshalb: "Und welches Buch möchtest du unter 
              diesem wirklichkeitsnahen Aspekt vorstellen?  Das Leben der anderen?" 
            "Ach was", winkt Rossipotti ab. "Das ist doch ein 
              Film für Erwachsene."  
            "Dann vielleicht das Buch Andere leben anders von Richard 
              Kirn und Chlodwig Poth?" 
            "Ha, ha", meint Rossipotti, "auf diese Erfindung 
              falle ich nicht rein." 
            Von wegen Erfindung. Das Buch gibt's tatsächlich. Aber das 
              brauche ich Rossipotti jetzt nicht verklickern, weil ich eh keine 
              Ahnung habe, wovon es handelt. 
            "Wir stellen Jasmin Behringer. Ich und die Kanzlerin vor", 
              bestimmt Rossipotti. "Besser gesagt: Du stellst das 
              Buch vor!"  
            "Ich?" frage ich perplex. "Warum ausgerechnet ich?" 
               
              Ich denke an den schmalen, weißen Band, der die Gedanken und 
              Eindrücke der 14 jährigen Jasmin enthält und sage: 
              "Ich kann mich überhaupt nicht in ein pubertierendes Mädchen 
              versetzen, das Kanzlerin werden will." 
            "Der Autor des Buchs, Martin Baltscheit, offensichtlich auch 
              nicht", sagt Rossipotti. "Das sind also schon mal gute 
              Voraussetzungen." 
            "Aber ich interessiere mich weder für die Farbgebung 
              im Kanzleramt, noch für die sich streitenden Parlamentarier!" 
              versuche ich mich aus der Affäre zu ziehen. "Und es ist 
              mir auch völlig egal, ob die Kanzlerin der hochtrabenden Praktikantin 
              Jasmin Behringer zulächelt oder nicht!"  
            "Prima", sagt Rossipotti. "Dann bist du genau richtig 
              für den Job! Denn dann hast du offensichtlich noch genug Distanz 
              zum Zentrum der Macht und einen erfrischend anderen Blick auf die 
              Dinge. Martin Baltscheit scheint die Distanz während seines 
              eigenen Praktikums im Kanzleramt etwas verloren gegangen zu sein." 
            "Hmpf" mache ich, schnappe mir aber trotzdem das charmant 
              nach einem Notizbuch aussehende Buch Martin Baltscheits, der darin 
              das gefakte Praktikum der gefakten Jasmin Behringer beschreibt. 
              Als ich es aufklappe, fällt mir aus dem hinteren Buchdeckel 
              ein kleines, blaues Büchlein entgegen. Stimmt, das hatte ich 
              ganz vergessen! Auch Jasmins fiktiver Bruder, ein angeberischer, 
              auf naiv getrimmter, siebenjähriger Junge, darf sich zu Wort 
              melden. Das Bruder-Büchlein soll wohl witzig rüber kommen, 
              aber auf mich wirkt es eher wie die verzweifelte Beigabe einer Auftragsarbeit. 
              Aber ich möchte gar nicht weiter meckern, denn es ist eine 
              unausgesprochene Regel zwischen Rossipotti und mir, dass wir nur 
              Bücher vorstellen, die uns gefallen.  
              Also: Hm ... 
              Was gefällt Rossipotti eigentlich an dem Buch?  
              Dass Zoran Drvenkar es davor angeblich korrigiert hat? 
              Oder schmeckt Rossipotti die blaue Courier-Schrift des Texts?  
              Oder ist er froh, dass der Autor Martin Baltscheit während 
              der einen Woche im Kanzleramt nicht viel mehr herausbekommen hat, 
              als Rossipotti selbst in zwei Stunden am Tag der offenen Tür? 
               
              Oder wurde Rossipotti von Martin Baltscheit bestochen, eine Rezension 
              zu schreiben? Ja, so muss es sein! 
              Ich stelle mir vor, wie Rossipotti im Cafe sitzt, als Martin Baltscheit 
              die Tür öffnet. Sein Blick fällt auf das rote Krokodil, 
              vor Überraschung stolpert er und fällt der Länge 
              nach auf den Boden. Rossipotti hilft ihm auf und Martin Baltscheit 
              ist so gerührt, dass er Rossipotti eine riesengroße Schokotorte 
              bestellt. Während Rossipotti die Schokotorte verspeist, erzählt 
              ihm Martin Baltscheit, dass ihm das Buch Jasmin Behringer 
              große Bauchschmerzen verursacht, weil er darin nicht die Wahrheit 
              über Angela Merkel, ihren Bunker und ihre Mitarbeiter erzählen 
              durfte. Der Bundesnachrichtendienst habe ihm das ganze Manuskript 
              durchgestrichen, und fast nur das darin gelassen, was eh schon alle 
              wussten. Und dann habe ihn auch noch der Verlag gezwungen, Zitate 
              aus Wikipedia einzubauen, damit es jungen Lesern besser gefalle. 
              Aber dadurch wirke jetzt sein Buch nicht nur anbiedernd, sondern 
              verliere auch an Glaubwürdigkeit! Jedes Kind wisse heute außerdem, 
              dass in dem Lexikon nur die halbe Wahrheit stünde. 
              Als Rossipotti seine Torte aufgegessen hat, rülpst er und legt 
              seinen Arm um Martin Baltscheits Schulter. "Mach dir nichts 
              draus", sagt er. "Manchmal zwingen einen einfach die äußeren 
              Umstände, Dinge zu schreiben, hinter denen man nicht steht. 
              Die Torte war übrigens wirklich lecker. Dafür bekommst 
              du eine gute Rezension in meinem Magazin. Ich werde den Fisch schon 
              auf deine Linie bringen."  
              "Aber warum kannst du die Besprechung nicht selbst schreiben?" 
              fragt Martin Baltscheit verzweifelt.  
              "Weil es dafür schon zwei Schokotorten geben müsste!" 
             
            Plötzlich steht Rossipotti hinter mir und liest über 
              meine Schulter die Rezension.  
              "Prima!" sagt er. "Dein Text gefällt mir wirklich 
              gut! Und weißt du auch warum? Weil man darin so gut wie nichts 
              über Baltscheits Buch, aber sehr viel über dich und deine 
              eigene Vorstellungswelt erfährt!"  
            Martin Baltscheit: Jasmin Behringer. Ich und 
              die Kanzlerin. Boje Verlag. Köln 2009.  
            Lieblingsbuch
            vorgestellt 
              von Helma Hörath  
            Trinbagonen in Potsdam
            Irgendwann im September saß ich an einem Sonntagnachmittag 
              in unserem herbstsonnendurchfluteten Wohnzimmer und blätterte 
              in der Zeitung. Da blieben meine Augen an folgender Überschrift 
              hängen: "Trinbagonen in Potsdam". Was für eine 
              Schlagzeile!  
              Ich glaubte im ersten Augenblick, meine Fantasie würde wie 
              ein wilder Hengst mit mir durchgehen oder hätte vielleicht 
              in einem gerade durchschmökerten Fantasy-Buch gewurzelt. Nein, 
              nein, da stand wirklich etwas von Trinbagonen. Aber ehrlich, klingt 
              das nicht nach Raumschiff Enterprise, nach Ritter der Artusrunde, 
              nach einem längst verschollenen Volksstamm im Regenwald?  
              Alles klärte sich dann ganz einfach, als ich weiter las.  
              Die Trinbagonen sind Musiker und kommen von den karibischen Schwesterinseln 
              Trinidad und Tobago. Leider konnte ich mir das Konzert nicht anhören. 
              Aber meine Gedanken wanderten sofort um unsere halbe Erdkugel in 
              die Karibik. Es ist eine Welt, die ich nur von der Landkarte oder 
              von Reiseberichten kenne, also, überhaupt nicht, und ich würde 
              sie doch gerne richtig kennenlernen wollen. Wenn ich die Augen schließe, 
              dann höre ich schon die Blechtrommeln, die aus leeren Metallfässern 
              hergestellt wurden. Ein schneller Rhythmus, der zum Tanzen anregt. 
              Hörst du sie auch, die karibischen Klänge? Bedrohlich? 
              Ach, nein. Fremd? Ja. Aber schön, finde ich.  
              Alles Unbekannte kann Angst machen, fördert aber auch die Fantasie 
              oder die Neugier und gehört in die andere Welt, die Welt, die 
              man nicht jeden Tag um sich hat, in die man möglicherweise 
              auch keinen Schritt setzen möchte und die einen doch sehr, 
              sehr interessiert, die man vielleicht nicht sieht, die man nur fühlt 
              oder nur hört, die man aber auf jeden Fall noch erobern möchte, 
              die man erforschen, sich erschließen möchte. Und jeder 
              Mensch hat auf all diese anderen Welten eine eigene, seine Sicht. 
              Aus dieser Blickrichtung suchte ich die Bücher zum aktuellen 
              Rossipotti-Thema 
              heraus und biete dir damit auch ein Stückchen meiner Deutungen 
              dieser anderen Welten. 
              Von der Karibik, der Inselwelt Mittelamerikas, lade ich dich ein, 
              mit mir entweder noch viel weiter westwärts zu springen oder 
              wieder nach Europa zurück und von dort aus direkt in die aufgehende 
              Sonne hinein, ganz weit nach Osten. Da gibt es ein riesiges Land, 
              in dem alle unsere Märchen entstanden sein sollen, in dem Tiger 
              und Elefanten leben und in dem Mogli seinen Bären-Freund Balu 
              fand. 
            Pooja - das Elefantenmädchen
             Wenn dich ein Elefantenrüssel durchkitzelt 
 
              
 dann bist du im indischen Dschungel oder du hast das Buch 
              mit Poojas Erzählung aufgeschlagen. Pooja - ausgesprochen Puudscha 
              - ist ein indischer Name und bedeutet so viel wie Verehrung oder 
              auch Anbetung der Götter. Auf dem Titelbild erkennst du aber, 
              dass das Mädchen blond und blauäugig ist. Es ist also 
              ganz augenscheinlich keine Inderin und doch zeigen die großformatigen, 
              wirklich beeindruckenden Fotos, dass es durch einen dicken Draht 
              seines Herzens ganz eng mit den Elefanten, seinen Lieblingstieren, 
              verbunden ist. Nur einen Teil des Jahres lebt Pooja in Deutschland, 
              die Wintermonate verbringt sie mit ihren Eltern immer im Süden 
              Indiens, ganz in der Nähe des Mudumalai-Nationalparkes. Dort 
              leben in freier Wildbahn die Elefanten, die größten auf 
              dem Land lebenden Tiere.  
              Pooja erfährt von Subbu, dem Fährtenleser, alles über 
              die Dschungelwelt und über die Bedeutung der Elefanten für 
              die indischen Menschen. Es sind für sie heilige Tiere. Sie 
              gelten als Sinnbild des Elefantengottes Ganesha. Er ist ganz besonders 
              beliebt, weil er Glück bescheren soll. Die Menschen verehren 
              ihn und hoffen, dass er ihnen alle Hindernisse aus dem Weg räumen 
              wird. Darum gibt es in vielen Tempeln auch richtige Elefanten. Sie 
              haben dort die Aufgabe, den Tempelbesuchern die mitgebrachten Geschenke 
              abzunehmen. Als Dank und als Gruß von Ganesha segnen sie die 
              Pilger, in dem sie ihnen mit ihrem Rüssel sanft auf den Kopf 
              tippen. So sind die Tiere meist viele Stunde des Tages in Aktion. 
              Sie können nicht artengerecht leben, haben zu wenig Bewegung 
              und werden oftmals auch nicht richtig ernährt.  
              Darum werden diese Elefanten einmal im Jahr für einige Zeit 
              zur Erholung in den Dschungelnationalpark geschickt. Und dort treffen 
              Pooja und Shanti, die Tempel-Elefantin, auf einander. Das kleine 
              sechsjährige deutsche Menschenmädchen und die riesige 
              alte indische Elefantendame werden Freundinnen. Pooja lernt die 
              Elefanten kennen und fühlt mit ihnen. Sie beobachtet sie und 
              erfährt von den Mahouts, den Männern, die immer mit den 
              gezähmten Elefanten leben:  
              Elefanten haben Launen wie die Menschen. Sie empfinden Mitleid und 
              Kummer. Die älteren Tiere geben ihre Erfahrungen an die jungen 
              weiter. Elefanten knüpfen und pflegen Freundschaften. Sie empfinden 
              Einsamkeit und können an Herzeleid sterben. Sie können 
              über weite Entfernungen Kontakt zu einander aufnehmen. Sie 
              lieben ihre Kinder und nehmen Rücksicht auf einander. Sie trauern 
              um Verstorbene und sie können weinen.  
              Wenn du mit Pooja zu den indischen Elefanten reisen willst, dann 
            empfehle ich dir, dieses Buch in deiner Kinderbibliothek auszuleihen. 
            
              
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                    Pooja Marske: Pooja - Das Elefantenmädchen. Droemer Verlag. München 2006. 
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            Der goldene Kompass
             In einem zweiten Buch lernte ich eine andere Welt kennen, in der 
              Tiere und Menschen eine noch größere Einheit bilden als 
              im indischen Mudumalai.  
              Alles scheint ganz harmlos loszugehen. Man denkt, es beginnt ein 
              historischer Roman, was ja für uns, die Menschen des 21. Jahrhunderts 
              schon gar nicht so ohne ist, kennen wir doch die Regeln des damaligen 
              Lebens nicht genau. Wir befinden uns jetzt mit diesem Buch in Großbritannien 
              und schauen in einen großen Speisesaal, mit Plätzen für 
              Lehrer, Rektor, Conrektoren und Schüler. Von irgendwoher hört 
              man das Klappern von Geschirr. Dann öffnet sich die große 
              Eingangstür. Ein Kind und ein Tier schleichen herein. (Ach, 
              nein, doch nicht Harry Potter! Dieses Buch muss ich hier wirklich 
              nicht mehr vorstellen.) 
              Es ist das Mädchen Lyra. Ganz dicht neben ihr ist ihr Daemon. 
              Jeder Mensch hat von Geburt an solch einen tierischen Daemonen, 
              der nicht von seiner Seite weicht. In der Kindheit kann jeder Daemon 
              verschiedene Tiergestalten annehmen, danach verliert er diese Fähigkeit 
              und bleibt nur noch in einem einzigen Tierkörper. Und spätestens 
              jetzt weißt du, dass es ein Fantasy-Buch ist, das ich dir 
              jetzt empfehlen will: 
             Lyra besucht ein College in Oxford. Sie lebt dort ohne Familie 
              und ist außerdem das einzige Kind unter den vielen Studenten 
              und Universitätslehrern.  
              Deshalb bekommt sie ihre Unterweisungen ganz allein von den verschiedenen 
              Professoren in deren Spezialfächern. Sie hat also keine richtige 
              Schule, weiß manches nicht, was ihre Altersgefährten 
              schon lange vor ihr lernten. Dafür kann sie aber mit vielen 
              wissenschaftlichen Begriffen und Geräten umgehen. Diesem anstrengenden 
              Unterricht entflieht Lyra so oft sie kann und geht mit ihrem Spielgefährten 
              Roger, einem Küchenjungen, auf Entdeckungsreisen, über 
              die Dächer in andere Stadtviertel, durch die tiefen Keller 
              der zum College gehörenden Gebäuden bis zu den Grabstätten 
              der vor Jahrhunderten verstorbenen Rektoren der Universität. 
               
              Dort finden sie nicht nur die Skelette der Menschen, sondern auch 
              die Geister der Daemonen. Auf immer und ewig sind sie mit den Verstorbenen 
              verbunden. Zu Lebzeiten haben sie ihre Partner-Menschen vor Gefahren 
              gewarnt, sie in allen Situationen beraten und - wenn es sein musste 
              - gegen Daemonen gekämpft, die zu schlechten Menschen gehörten 
              und von ihnen zu bösen Taten angestiftet wurden. 
              Dann taucht Lyras Onkel Lord Asriel auf, der - wie sie viel später 
              erfährt - ihr Vater ist. Auch eine wunderschöne Lady interessiert 
              sich für sie. Wie sie dann mitbekommt, ist diese eine Gegnerin 
              ihres Vaters und spielt auch bei der Erforschung eines ganz besonderen 
              Staubes und des Polarlichtes sowie der Brücke in die andere 
              Welt eine wichtige und sehr zwielichtige Rolle. Immer wenn die scheinbar 
              reizenden Mrs Coulter mit ihrem goldfarbenen Affen-Daemonen auftaucht, 
              werden Kinder entführt. Als dann auch Roger verschwindet, macht 
              sich Lyra auf die Suche. Sie findet ihn und viele der anderen verschwundenen 
              Kinder. Dabei muss sie gefährliche Abenteuer bestehen, bei 
              denen sie auch vom Leben ihrer Mutter erfährt, und nicht immer 
              geht alles positiv aus.  
              Roger und Lyra geraten in einen erbitterten Kampf zwischen Gut und 
              Böse, in denen neben Hexen auch Eisbären und andere Kräfte 
              eingreifen. Das Ergebnis dieses Kampfes soll über die Zukunft 
              dieser und der anderen Welt entscheiden 
 
            
              
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                    Philipp Pullmann: Der goldene Kompass. Carlsen Verlag. Hamburg 1996. 
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                         Übrigens ist Der goldene Kompass der 
              erste Band des wirklich äußerst spannenden Fantasy-Mehrteilers, 
              zu dem noch die Bücher gehören: Das Magische Messer 
            und Das Bernstein-Teleskop. 
             * * * 
             Es fragt die bunte Kuh: Wer bist denn 
?
             Ein Siebener und noch viel mehr zum Staunen und Ausprobieren serviere 
              ich dir ganz in der Nähe der bunten Kuh. In dem Buch geht nur 
              um sieben Zeilen. Hier sind meine: 
             Am Teich. 
              Ich sitze auf einem Stein und beobachte die Blesshühner. 
              Was sehen sie unter Wasser, wenn ich nur ihre Beine sehe? 
              Gelb und dünn, so zappeln sie nur einen Moment in der Luft. 
              Dann sind sie wieder im Wasser und meinen Blicken entschwunden. 
              Am Teich. 
              Ich sitze auf einem Stein und beobachte die Blesshühner. 
             Diese einfache und doch ganz eindrucksvolle Gedichtform lernte 
              ich vor vielen Jahren von einer Poesiepädagogin aus Holland. 
              Ich möchte dich anregen, mit solch einem Siebener das Tor in 
              die Welt der Lyrik und der selbst verfassten, kleinen Gedichte aufzustoßen. 
              Dir liegen Gedichte nicht? Aber ich bin ganz sicher, einen Siebener 
              kannst du schreiben. Wie der Titel der Gedichtart sagt, brauchst 
              du sieben Zeilen, die sich nicht reimen sollen:  
              Die 1. Zeile bezeichnet einen Ort;  
              in der 2. Zeile taucht die Ich-Person mit einer Tätigkeit auf; 
               
              die 3. Zeile umfasst eine Frage oder einen Vergleich;  
              in der 4. Zeile wird ein einzelnes Element in den Mittelpunkt gerückt; 
               
              in der 5. Zeile wird diese Einzelheit noch etwas näher betrachtet; 
               
              die 6. Zeile ist gleich der 1. Zeile 
              und die 7. Zeile ist wie die 2.  
              Und los geht's! 
              Zu solchen Sprach- und Wortspielen gibt es sehr viele Bücher. 
              Ich habe dir hier nur eines herausgesucht mit Rätseln um Buchstaben, 
              Silben, Reimen, Rhythmen und vieles mehr.  
            
              
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                    Elke Müller-Mees: Es fragt die bunte Kuh: Wer bist denn 
? Urania-Verlag. Freiburg 2003. 
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            Haie und andere Meeresräuber
            Und jetzt die Weiterführung. Denn mein Siebener hat dir gleichzeitig 
              auch noch eine andere Welt gezeigt, die sehr, sehr viele Menschen 
              fasziniert, vielleicht auch dich. Richtig, ich meine die Unterwasserwelt. 
               
              Auch zu diesem Thema gibt es wohl genauso viele Bücher wie 
              im Bereich der Sprachspiele und des Kreativen Schreibens. Es gibt 
              dazu Fantasy-Geschichten, es gibt Fotobücher, es gibt Berichte 
              über Expeditionen und Erforschungen einzelner Meeresbewohner, 
              es gibt Wassermärchen 
  
              Ich will dich hier nur auf einen, aber einen sehr, sehr interessanten 
              Titel aufmerksam machen. In diesem Buch geht es um gefährliche 
              Haie, grässliche Skorpione und riesige Schildkröten und 
              viele eindrucksvolle Informationen über diese Meeresräuber. 
              Aber nicht das ist das Besondere. Das Außergewöhnliche 
              ist die Gestaltung.  
              Die amerikanischen Papierkünstler Robert Sabuda und Matthew 
              Reinhart haben mit Schere, Klebstoff und raffinierten Faltungen, 
              sich in einander schiebenden und heraushebenden Papierteilen 35 
              Pop-up-Bilder geschaffen.  
              Diese dreidimensionalen papierenen Tierskulpturen ziehen den Betrachtenden 
              in ihren Bann. Man möchte das Geheimnis ergründen. Man 
              möchte wissen, wie sie gemacht wurden. Man möchte eintauchen 
              in die Welt dieser besonderen Buchkunst. Immer wieder schlägt 
              man die Seiten ganz, ganz langsam auf und zu und wieder auf und 
              wieder zu und wieder auf ...  
            
              
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                    Sabuda & Reinhart: Haie und andere Meeresräuber. Oetinger Verlag. Hamburg 2008. 
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             Kopf hoch, Fledermaus!
             Ich habe als Kind gern mit dem Kopf nach unten auf dem Bett gelegen 
              oder mich mit den Beinen an die Reckstange gehangen. Später 
              habe ich das auch bei meiner kleinen Tochter beobachtet. Wenn du 
              das eventuell noch nie gemacht haben solltest, dann musst du das 
              unbedingt gleich einmal versuchen. Du wirst sofort erkennen, wie 
              durch diese eigentlich doch kleine Veränderung eine große 
              Wirkung erzielt wird, wie anders auf einmal die alltägliche 
              Umgebung anzusehen ist.  
              Ein Mensch, der immer auf den Händen geht und mit den Zehen 
              die Äpfel vom Baum pflückt, wird früher oder später 
              als Spinner bezeichnet. So geht es auch der Fledermaus. Sie behauptet 
              nämlich, der Himmel ist über den Füßen und 
              die Wolken hängen als Saum unten am Himmel. Wahrscheinlich 
              ist die Fledermaus dumm oder total verdreht oder vielleicht sogar 
              gefährlich, denken die anderen Tiere. Irgendwann kommen sie 
              darauf, die Dinge doch mal so zu betrachten, wie sie von den Fledermäusen 
              gesehen werden. Und auf einmal wird diese andere, so bedrohliche 
              Welt ganz klar und total verständlich. 
            
              
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                    Jeanne Willis (Text), Tony Ross (Illustrationen): Kopf hoch, Fledermaus! Sauerländer Verlag. Düsseldorf 2009. 
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                         * * * 
            Fledermäuse beobachten und Faszination Fledermaus
             Ja, sicherlich du hast schon recht. Das ist mehr ein Bilderbuch 
              und für jüngere Kinder bestimmt. Aber zu jedem Bild, das 
              Tony Ross zeichnete, kannst du dir eine eigene Kopfüber-Kopfunter-Geschichte 
              ausdenken. Und das vielleicht sogar zusammen mit deinen kleineren 
              Geschwistern. Dann wirst du sicherlich ganz schnell merken, dass 
              das nicht nur Spaß macht, sondern dass du viel mehr über 
              die Welt der Fledermäuse wissen musst, ehe du über sie 
              schreiben kannst. Darum will ich dich noch auf zwei weitere Titel 
              aufmerksam machen.  
              Das erste ist ein Buch, das dir sehr viele Informationen zum Erkennen, 
              Beobachten und Schützen von Fledermäusen vermittelt.  
              Das zweite ist ein großformatiges Buch mit wunderbaren und 
              erstaunlichen Fotos, aber auch viel Text in deutscher und englischer 
              Sprache.  
              Bei beiden solltest du deine Eltern bitten, mit dir gemeinsam zu 
              lesen und vielleicht dann auch später zusammen auf abendliche 
              Beobachtungspirsch zu gehen. In Deutschland gibt es übrigens 
              32 Fledermausarten. Ob und welche in deiner Nähe leben, erfährst 
              du ganz sicher beim Naturschutzbund deines Ortes. 
            
              
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                    Klaus Richarz: Fledermäuse beobachten, erkennen. Kosmos Verlag. Stuttgart 2004. 
                     
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                  | 
                
                  
                    Bernd Stein/Marcus Angebauer: Faszination Feldermaus. Von einem, der auszog Fledermäuse zu fotografieren.  
Verlag M. Faste. Kassel 2004. 
                     
                  | 
               
                         * * * 
             Die Maske der 1000 Gefahren
             Wenn ich in einem Buch viele Seiten überschlage, dann bedeutet 
              es meist, dass ich die Beschreibung der Handlung als langweilig 
              empfinde. Aber da ich das Ende der Geschichte wissen will, lege 
              ich das Buch nicht halb ausgelesen ins Regal, sondern überblättre 
              das, was ich meine, nicht unbedingt lesen zu müssen. Vielleicht 
              hast du das bei dir auch schon beobachtet. 
              Ganz anders war das bei dem folgenden Buch. Ich war beim Lesen die 
              ganze Zeit nur am Vor- und Zurückblättern und doch zog 
              mich dieses Buch in seinen Bann. Ich las es hintereinanderweg, musste 
              aber ganz zwangsläufig nach vorne und nach hinten blättern. 
              Es ist wirklich kein normales Buch. Und die Geschichte ist so spannend, 
              dass ich nicht geneigt bin, dir irgendetwas davon zu verraten. Ja, 
              vielleicht ist das nur eine Ausrede und ich weiß nicht, welchen 
              Handlungsstrang ich dir auch nur ein wenig beschreiben sollte. Ich 
              konnte oftmals nur an den Bildern erkennen, ob ich die Seite schon 
              einmal gelesen hatte. Denn es gibt viele Wege zu einem glücklichen 
              oder auch unglücklichen Ende und nur du bestimmst, wie alles 
              ausgehen wird.  
              Aber es ist ja meine Aufgabe, dich für dieses Buch zu interessieren, 
              darum also:  
              Stell dir vor, dein Onkel schickt dir aus Brasilien eine Maske. 
              Du setzt sie auf. Damit ändert sich schlagartig dein ganzes 
              Leben. Du bist zwar noch in dieser Welt, aber dein Körper steckt 
              jetzt in dem einer Fliege. Schon sieht alles total anders aus. Du 
              bist jetzt eine Fliege und musst entscheiden, ob du wegfliegst oder 
              sitzen bleibst und ob du dabei das Opfer einer Fliegenklatsche wirst, 
              die von deiner eigenen Mutter geführt wird. 
              Es ist ein kleines, fast unscheinbares Buch und doch gehört 
              es ab sofort zu meinen Lieblingen. Ich bin ganz sicher, dass das 
              auch bei dir so sein wird, wenn du es dir in der nächsten Buchhandlung 
              besorgst. Der Preis von 4,95 € ist sicherlich auch im Rahmen 
              deines Taschengeldes erschwinglich. Natürlich kannst du es 
              dir auch schenken lassen oder in der Kinderbibliothek ausleihen. 
            
              
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                     Carrick Hill: Die Maske der 1000 Gefahren. Mit Illustrationen von Maria Satter. Ravensburger Buchverlag. Ravensburg 2008. 
                     
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            Der Begriff der Maske leitet sich übrigens von dem arabischen 
              Wort maskharat ab, was so viel bedeutet wie Narr, 
              Posse, Hänselei oder Scherz. (Eine Posse 
              ist ein Bühnenstück, das durch Verwechslungen, ulkige 
              Zufälle und unwahrscheinliche Übertreibungen die Zuschauer 
              zum Lachen bringt.) Die Maske ist eine Gesichtsbedeckung mit unterschiedlichen 
              Aufgaben. Sie schützt das Gesicht, verbirgt aber auch das wahre 
              Aussehen. Mit Hilfe der Maske verwandelt sich der Träger in 
              die dargestellte Figur. Sie ermöglicht ihm, neue Rollen in 
              seinem Leben zu übernehmen oder mit der Maske in eine andere 
              Welt zu schlüpfen.  
              Manchmal spielt dabei ein Geruch eine Rolle, manchmal auch Musik 
              oder auch nur ein einzelner Ton, der uns mitnimmt in eine andere 
              Welt und uns vielleicht zu den Trinbagonen bringt.  
              Viel Spaß und Freude beim Entdecken der anderen Welten in 
              den von mir ausgesuchten Büchern wünscht sich  
              Helma             
              
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