Aufklärung


Bedeutung

Die Epoche, die wir in Deutschland als „Aufklärung“ bezeichnen, gab es überall in Europa und in Nordamerika. Fast gleichzeitig gab es überall einschneidende Veränderungen und Entwicklungen, die Europa und Nordamerika endgültig aus dem Mittelalter in die Neuzeit führten. In vielen anderen Sprachen wird „Licht“ oder „Erleuchtung“ mit dieser Zeit in Verbindung gebracht. Im Englischen heißt diese Epoche „Enlightenment“, in den Niederlanden „Verlichting“, und in Frankreich „les lumières“. Auch in dem Wort „Aufklärung“ steckt schon drin, dass sich etwas „aufklärt“ und „klar wird“. Diese Begriffe zeigen, dass man Licht in die Welt bringen wollte, nach der langen Epoche des als dunkel und finster empfundenen Mittelalters.


Anonyme Illustration von 1888

Was aber meinte man damals überhaupt mit Licht? Und warum wurde das Mittelalter als dunkel empfunden?
Ganz knapp kann man sagen, dass das Mittelalter von den Aufklärern deshalb als dunkel empfunden wurde, weil die Menschen damals ihre Umgebung viel zu wenig wissenschaftlich erforschten und erklärten. Statt dessen fanden sie sich mit ihrer Umgebung, in die sie hinein geboren wurden, ab und erklärten sich ihre Situation durch Gott und seinen Willen.
Diese „Dunkelheit“ nun wollten die Menschen im Zeitalter der Aufklärung durch die Vernunft erhellen. Die Menschen sollten sich getrauen, sich ihrer Vernunft und ihres Verstandes zu bedienen und die Erklärung der Welt selbst in die Hand nehmen.

Der wohl einflussreichste und berühmteste Philosoph der Aufklärung war Immanuel Kant. Er definierte 1784 die Kernaussage der Aufklärung so treffend und einprägsam, dass sie zum Wahlspruch der Aufklärung wurde und bis heute noch sehr viel zitiert wird:

„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Muth, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“


Immanuel Kant

Kant meinte damit, dass die Menschen selbst Schuld an ihrer unmündigen oder unfreien Situation seien und diese eben nicht gottgegeben oder unveränderlich sei. Kants Meinung nach sollten die Menschen den Mut finden, ihre eigene Vernunft zu benutzen, die sie ja haben, statt sich von anderen leiten oder bestimmen zu lassen.
Ganz konkret bedeutete das damals, dass die Menschen nicht Kirchenoberhäuptern, Fürsten oder anderen Führern folgen sollten, ohne darüber nachzudenken, ob diese überhaupt Recht haben. Sondern sie sollten selbst Verantwortung für ihre Überzeugungen übernehmen und überlegen, was sie tun könnten, um ihre gesellschaftliche und politische Position zu ändern.
Der Geist der Aufklärung war also vernünftig, kritisch, aktiv. Statt daran zu glauben, dass Gott das Leben wesentlich bestimmt und die Menschen im Jenseits für ihre Taten belohnt oder bestraft, forderte die Aufklärung die Menschen dazu auf, ihr Leben zu hinterfragen und Missstände zu entdecken und dagegen zu handeln.
Die Vernunft war nach Meinung der Aufklärer nach fähig, durch logisches Denken und bestätigt durch die Erfahrung der Sinne, alle Probleme des Menschen fortschreitend lösen zu können. Selbst schlechtes oder gar kriminelles Handeln würde so mit der Zeit überflüssig werden. Dazu war die Vernunft – nach Meinung der Aufklärer – deshalb fähig, weil die Menschen grundsätzlich das Gute wollten. Wenn die Menschen – wie die Erfahrung ja sehr oft zeigt – trotzdem Schlechtes tun, dann nicht deshalb, weil die Vernunft womöglich doch nicht geeignet ist, den Menschen zu bessern, sondern deshalb, weil diejenigen, die Schlechtes tun, es nicht besser wissen. Aus dem Grund dachten die Aufklärer, dass der Mangel an vernünftiger Bildung es verhinderte, dass Menschen Gutes tun. Ein großes Ziel der Aufklärung war deshalb, die Menschen zu bilden und zum Guten zu erziehen.

Für die Ideen der Aufklärung begeisterte sich vor allem das Bürgertum. Man forderte in erster Linie Freiheit, Gleichheit, Toleranz und Wissenschaft, statt Absolutismus, Ständegesellschaft, Dogmatismus und Aberglauben. Und weil die Bildung so wichtig war, um die Ziele erreichen zu können, setzte sich das Bürgertum in dieser Zeit auch sehr mit dem Thema Erziehung auseinander.
Da zur Zeit der Aufklärung das Bürgertum immer wichtiger wurde, konnten sich die Ideen der Aufklärung gut verbreiten. Man traf sich im Theater, in Kaffeehäusern und in literarischen Salons, um über Literatur und Philosophie zu diskutieren. Man bildete Lesezirkel und Lesegemeinschaften und gründeten Leihbibliotheken und Literaturzeitschriften.

Geschichtlicher Hintergrund

Die Epoche der Aufklärung entstand als Reaktion auf die gesellschaftlichen Zustände und Entwicklungen ihrer Zeit. Um sie besser zu verstehen, muss man sich deshalb auch mit dem historischen oder geschichtlichen Hintergrund dieser Zeit beschäftigen.
Im 17. Jahrhundert herrschte in Europa der Absolutismus. Das heißt, dass sich alle Macht auf den herrschenden Monarchen oder König konzentrierte. Die Gesellschaft selbst war ständisch organisiert. Man blieb also meist in dem Stand, in den man hineingeboren wurde: Kinder von Bauern blieben Bauern, adelige Kinder blieben im Adel. An der Spitze jedes Fürstentums oder Königreichs herrschte ein Fürst oder König, der allein alles bestimmen durfte. Und es gab viele Fürsten und Könige, da nach dem Dreißigjährigen Krieg zu Beginn des 17. Jahrhunderts das Deutsche Reich in viele kleine Fürstentümer aufgesplittert worden war. Viele Fürsten lebten sehr luxuriös und ihr teures Hofleben musste von den untergebenen Bauern durch hohe Steuern und Abgaben an ihre Grundherren getragen werden.
Die Kirchen predigten dem einfachen Volk, dass dies ihr von Gott gewolltes Schicksal sei. Aberglaube, zum Beispiel der Glaube an Hexen und Pessimismus waren in allen Teilen der Bevölkerung weit verbreitet. Die Theologie war noch immer die führende Wissenschaft, die die öffentlichen Diskussionen bestimmte.
Doch mit dem Ende des Mittelalters und schon während der vorangegangenen Epoche, der Renaissance, beginnen verschiedene Entwicklungen, die die Gesellschaft grundlegend verändern, indem sie traditionelle Wahrheiten in Frage stellen.
So entstehen zum Beispiel durch die Reformation und Spaltung der Kirche und die Erfahrung des Dreißigjährigen Krieges Diskussionen über religiöse Toleranz und die Auslegung der Bibel.
Gleichzeitig beginnen Naturwissenschaftler Erkenntnisse in der Gesellschaft zu verbreiten, die im Gegensatz zur Bibel stehen und die Bedeutung der Kirchen in Frage stellten. Das heliozentrische Weltbild, in dem die Sonne im Mittelpunkt des Kosmos stand, löste langsam das alte, geozentrische Weltbild ab, in dem sich alles noch um die Erde drehte.
Errungenschaften wie die ersten Mikroskope, und die Erforschung des Kosmos ließen die Menschen die Welt im Kleinen wie im Großen neu betrachten. Der menschliche Körper wurde von Anatomen seziert und untersucht.

In England machten sich schon im 17. Jahrhundert die Philosophen Thomas Hobbes und John Locke „aufgeklärte“ Gedanken. Sie fragten sich zum Beispiel, wie ein Staat aufgebaut sein sollte und wie man Recht begründen konnte. Sie stellten grundlegende Fragen wie: Warum darf jemand über andere herrschen? Warum darf jemand über andere richten? Und woher wissen wir, was recht und gerecht ist? In ihren Antworten berufen sie sich auf ein „Naturrecht“ und die „Natur des Menschen“ und nicht mehr nur auf die Gesetze Gottes und versuchen, vor allem mit ihrer Vernunft, Antworten zu finden.
Die mittelalterlichen Bestrafungsmethoden, Folter und öffentliche Hinrichtungen, sowie die Hexenverfolgungen wurden nun kritisiert und selbst die Todesstrafe in Frage gestellt - auch wenn es noch lange dauern sollte, bis diese Forderungen tatsächlich umgesetzt wurden.
Man befürchtete, dass die grausamen Bestrafungen, die häufig öffentlich auf Marktplätzen durchgeführt wurden, nicht abschrecken und zur Besserung der Menschen führen, sondern, ganz im Gegenteil, die Menschen verrohen lassen.

Die Aufklärung kann in dieser Folge als eine Zeit betrachtet werden, in der die Menschen begannen, alles in Frage zu stellen, um neue, sichere Erkenntnisse zu gewinnen, auf der sie neue, festere Wahrheiten aufbauen konnten.
Die Ideen der Aufklärung mündete schließlich unter anderem in der Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten von Amerika, die sich 1776 die erste an den Vorstellungen der Aufklärung orientierte Verfassung gaben. Davon inspiriert, befreite sich das französische Volk durch eine Revolution (1789-1799) von seinen absolutistischen Herrschern. Die Französischen Revolution setzte langfristig eine aufgeklärte, demokratische Gesellschaftsordnung und die Einführung von Menschenrechten durch, kostete kurzfristig aber vielen Menschen das Leben.

Gleichzeitig zu den philosophischen, theologischen und politischen Umwälzungen veränderte sich durch den technologischen Fortschritt und die fortschreitende Industrialisierung auch das wirtschaftliche Leben der Menschen. Thomas Newcomen erfand 1712 die erste Dampfmaschine, die 1769 von James Watt so verbessert wurde, dass sie in ganz Europa Verbreitung fand und in entstehenden Industrien verwendet wurde. Das erste Dampfschiff wurde 1783 vorgestellt, 1764 eine industrielle Spinnmaschine entwickelt. Schlag auf Schlag erfand man neue Maschinen, die den Menschen Arbeit abnahmen und die Wirtschaft voran brachten. Die Menschen begannen an den Fortschritt zu glauben. Sie hofften auf ein von vernünftiger Technik und Naturwissenschaften bestimmtes Zeitalter, das allen Wohlstand und Fortschritt bringt.
Durch die Industrialisierung gewann auch das Bürgertum allmählich an Bedeutung. Immer mehr Menschen zogen in die Städte und arbeiteten in der Industrie, statt auf dem Land von der Landwirtschaft zu leben.

Doch all diese Entwicklungen hatten auch viele negative Folgen, die man damals noch nicht abschätzen konnte. Man dachte damals einfach, dass die Menschen wirklich alle Probleme mit Fortschritt, Technik und Vernunft lösen könnten.
Wie man heute sehen kann, erfüllte sich diese Hoffnung langfristig nur teilweise. Zum einen geht es den meisten Menschen in Europa und in den USA heute tatsächlich besser als früher. Die meisten Menschen dürfen ihre Regierungen frei wählen, haben mehr Rechte und leben insgesamt in einem größeren und auch bequemeren Wohlstand.
Andererseits haben die Menschen heute auch sehr mit den negativen Folgen ihres aufgeklärten Fortschrittsglaubens zu kämpfen. Beispielsweise mit Umweltverschmutzung und für alle verheerenden Klimawandel, mit weltweiten, nicht mehr überschaubaren Wirtschaftskrisen, in deren Folge wieder viele Menschen verarmen.
Offensichtlich ist allein die Vernunft nicht dazu geeignet, eine gerechte Gesellschaft, in der es allen gut geht, herzustellen. Insofern kann man von einer „optimistischen Überschätzung“ der menschlichen Vernunft und ihrer Fähigkeiten durch die Aufklärung sprechen.

Dichtung der Aufklärung

Auch die Dichter ließen sich vom Geist der Aufklärung anstecken. Da sie meistens zum Bürgertum gehörten, spielten in Büchern nun immer öfters Bürger und nicht mehr Adlige eine Hauptrolle.
Die Autoren lösten sich allmählich auch von ihren adeligen Auftraggebern und schrieben nun für den offenen Literaturmarkt, der, wie oben beschrieben, im Bürgertum entstand. Zahlreiche Verlage und Buchhandlungen wurden gegründet, die dafür sorgten, dass die Schriftsteller ihre Bücher verkaufen konnten. Dieser Markt wurde jedoch noch durch die fürstliche Zensur beschränkt.

Die Dichter machten sich viele Gedanken darüber, wie eine Dichtung sein müsse, um ihrer aufgeklärten Zeit zu entsprechen. In der Literatur der Aufklärung beginnen sich die Normen und Regeln der traditionellen Poetik aufzulösen.
Stattdessen sollte sich die Dichtung den Gesetzen der Vernunft unterordnen. Wobei die Vernunft nach Meinung der aufgeklärten Dichter das Gute, Schöne und Wahre in sich einschloss. Dichter sollten zu Lehrern werden, die in ihren Werken ihre Leser und Zuschauer vor allem erziehen und die neuen Ideen der Aufklärung verbreiten sollten. Die dafür passende Sprache sollte klar, natürlich einfach und dabei allgemeingültig sein.
Ein wesentlicher Dichter und bedeutender Literaturkritiker der Aufklärung war Johann Christoph Gottsched. In seinem Werk Versuch einer Critischen Dichtkunst für die Deutschen (1730) verurteilte er die strenge Normen- und Regelpoetik der voran liegenden Literaturepoche des Barock. Normen und Regeln durften Gottscheds Meinung nach nicht wie im Barock Selbstzweck sein, sondern mussten den Zielen der Dichtung dienen. Diese waren, seiner Meinung nach, Vergnügen mit Nutzen der Lektüre zu verbinden. Ganz im Geiste der Aufklärung sah Gottsched den Nutzen der Dichtung darin, die Leser und Zuschauer von Theaterstücken im Sinne der Aufklärung zu erziehen. Doch Gottsched hing neben diesen aufklärerischen doch auch noch älteren Ideen an. So verteidigte er beispielsweise die Ständeklausel des barocken Dramas. Die Ständeklausel besagt, dass in Tragödien und Heldendichtungen nur Adelige, in Komödien und Romanen nur Bürger und Bauern als Helden auftreten dürfen.

Das bürgerliche Trauerspiel

Gottscheds Ideen wurden in der zweiten Hälfte der Epoche der Aufklärung von Gotthold Ephraim Lessing abgelöst. Lessing beschäftigte sich vor allem mit einer Theorie des Dramas. In seinem theoretischen Werk  Hamburgische Dramaturgie (1769), erklärt er, welche Aufgabe das Drama, genauer die Tragödie, in seinen Augen haben sollte:


Gotthold Ephraim Lessing

Nach Lessing soll die Tragödie die Leser „sittlich läutern“, das heißt, die Tragödie soll den Zuschauer im Theater zu einem besseren Menschen erziehen. Das kann die Tragödie nach Lessings Meinung dann besonders gut, wenn sie ihm Angst vor dem traurigen Schicksal des Helden macht und gleichzeitig Mitgefühl für diesen beim Zuschauer hervorruft. Damit das funktioniert, dürfen die Helden keine idealen Figuren sein, sondern sollten echte Menschen darstellen, in die man sich eher hinein versetzen und mit denen man richtig mitfühlen kann. Damit man umgekehrt aber nicht irgendwelchen „Schurken“ oder Bösewicht mit seinem Mitgefühl auf den Leim geht und gleichzeitig zu den Idealen der Aufklärung erzogen wird, soll der Held des Theaterstücks bürgerliche Tugenden vertreten und das Drama aufklärerische Ideen vermitteln.
Diese Art, tragische Schicksale von bürgerlichen Helden im Theater auf die Bühne zu bringen, nennt man seither „bürgerliches Trauerspiel“. Dieses Genre war damals übrigens schon insofern völlig neu, weil man davor der Meinung war, dass Bürger gar nicht fähig zum tragischen Erleben waren. Nur höhere Standespersonen, also adligen Menschen, waren dazu fähig. Als Helden taugten die Bürger bis dahin nur in der Komödie.

Eines der bekanntesten Dramen der Aufklärung ist Lessings Stück Nathan der Weise. Vom Aufbau her ist das Stück wie ein klassisches Drama in fünf Akte aufgeteilt und in Versen verfasst. Inhaltlich verbindet Lessing in dem Stück aber Elemente der Tragödie mit Elementen der Komödie. Die Handlung spielt während eines Kreuzzugs in Jerusalem. Held des Stücks ist der bürgerliche Kaufmann Nathan, der in der hauptsächlichen muslimischen Welt Jerusalems Jude ist. Gerade ist Waffenstillstand und der Jude Nathan trifft auf den Moslem Sultan Saladin und einen christlichen Tempelritter. Sie geraten in einen Streit um die „richtige Religion“. Nathan antwortet ihm mit der „Ringparabel“, einer symbolischen Geschichte: Ein Mann besitzt einen Ring, der den Träger vor Gott und den Menschen „angenehm“ macht. Dieser Ring wurde in jeder Generation an den Sohn vererbt, den der Vater am meisten liebte. Doch der Mann, von dem in der Parabel die Rede ist, liebte nun seine drei Söhne alle gleich. Aus dem Grund lässt er zwei Kopien von diesem Ring anfertigen. So erbt jeder Sohn einen Ring, aber niemand weiß, welcher Ring der echte ist. Die Söhne gehen vor Gericht, um herauszufinden, welcher denn der echte sei. Doch auch der Richter kann diese Frage nicht beantworten und rät den Söhnen, dass jeder von ihnen glauben solle, dass sein Ring der echte sei. Denn der Vater habe diesen Trick ja angewendet, weil er alle drei gleich liebte. Jeder solle sich so verhalten, dass er dem Ring gerecht werde, sich also gut den Menschen und Gott gegenüber verhalten.
In dieser Parabel symbolisieren die Ringe die drei verschiedenen Religionen Christentum, Islam und Judentum. Lessing will mit dieser Parabel zeigen, dass alle Religionen vor Gott gleich sind. Denn auch wenn die Religionen sich in ihren Lehren unterscheiden, so sind sie in ihrem Ziel, den Menschen Gutes zu tun, doch gleich. Ganz im Sinne der Aufklärung möchte Lessing mit seinem Stück die Menschen zu Toleranz, also Offenheit oder Nachsicht gegenüber Andersgläubigen erziehen oder sie zumindest zum Nachdenken über die Gleichwertigkeit anderer Religionen bringen.

Fabel

Andere, sehr beliebte Dichtungsformen der Aufklärung waren lehrhafte, erzählende Kleinformen wie Epigramme, Idyllen, Dialoge, Briefe, Gedichte und vor allem auch Fabeln.
Fabeln eigneten sich wegen ihrer lehrhaften, moralischen Botschaft sehr gut, die Leser zu erziehen. Zwar gab es schon Jahrtausende vor der Aufklärung Fabeln, doch hatte die Fabeldichtung in der Aufklärung ihren bisher letzten Höhepunkt. Lessing und Christan Fürchtegott Gellert schrieben zahlreiche Fabeln und Lehrgedichte, wie die folgende Geschichte vom Pferd und der Bremse:

Das Pferd und die Bremse
Christian Fürchtegott Gellert

Ein Gaul, der Schmuck von weißen Pferden,
Von Schenkeln leicht, schön von Gestalt,
Und, wie ein Mensch, stolz in Gebärden,
Trug seinen Herrn durch einen Wald;
als mitten in dem stolzen Gange
Ihm eine Brems' entgegen zog,
Und durstig auf die nasse Stange
An seinem blanken Zaume flog.
Sie leckte von dem heißen Schaume,
Der heficht am Gebisse floß;
»Geschmeiße!« sprach das wilde Roß,
»Du scheust dich nicht vor meinem Zaume?
Wo bleibt die Ehrfurcht gegen mich?
Wie? darfst du wohl ein Pferd erbittern?
Ich schüttle nur: so mußt du zittern.«
Es schüttelte; die Bremse wich.

Allein sie suchte sich zu rächen;
Sie flog ihm nach, um ihn zu stechen,
Und stach den Schimmel in das Maul.
Das Pferd erschrak und blieb vor Schrecken
In Wurzeln mit dem Eisen stecken
Und brach ein Bein; hier lag der stolze Gaul.

Auf sich den Haß der Niedern laden,
Dies stürzet oft den größten Mann.
Wer dir als Freund nicht nützen kann,
Kann allemal als Feind dir schaden.

Roman

In der Aufklärung wird auch der Roman für die Dichter als Genre interessant. Denn der Roman eignete sich in seiner erzählerischen Breite gut, die immer komplizierter werdende Welt zu erklären und die Innenansicht der immer individueller oder persönlich werdenden Helden zu beschreiben.
Gleichzeitig kann man auch im Roman die Leser zu aufgeklärten Menschen erziehen und positive, utopische Gesellschaftsentwürfe entwickeln. Bekannt ist beispielsweise der Erziehungsroman Emile von Jean Jaques Rousseau, in dem geschildert wird, wie man ein Kind zu einem guten Menschen erziehen kann.
Insgesamt wird gefordert, dass der Roman das Leben der Menschen wirklichkeitsnah beschreibt und deutet. Die Charaktere der Figuren sollen nicht mehr in Gut oder Böse eingeteilt werden, sondern gemischt sein, also in ihrer psychologischen Tiefe dargestellt werden. Ähnlich dem bürgerlichen Trauerspiel, nahmen nun auch im bürgerlichen Roman einfache Bürger die Rolle des Helden ein. Die Romanhelden haben oft empfindsame Züge. Bekannt sind die empfindsamen Briefromane von Samuel Richardson Pamela und Clarissa und Jean Jaques Rousseaus Nouvelle Héloise. In allen drei Romanen werden tugendhafte Frauen in zweifelhafte Liebschaften verstrickt, denen sie aber letztlich tugendhaft standhalten.


Sophie La Roche

Neben den empfindsamen, in ihre Helden einfühlsamen Romanen, war auch der satirische Roman in der Aufklärung beliebt, weil er erlaubte, gesellschaftliche Zustände zu entlarven, zu kritisieren und zu deuten. Ein Beispiel hierfür ist Henry Fieldings Tom Jones. Tom Jones ist ein durchschnittlicher junger Mann, der alles andere als tugendhaft ist. Er gerät in einige komische Situationen und lernt seltsame Charaktere kennen, die die Gesellschaft um ihn herum bloßstellen.
Eine andere beliebte Romanform der Aufklärung war die sogenannte Robinsonade, die sich ähnlich wie Daniel Defoes Abenteuerroman Robinson Cruseo mit dem utopischen Neuaufbau einer auf der Vernunft gegründeten Gesellschaft beschäftigt.
Daneben sind in der Aufklärung auch Reiseromane sehr populär, die allerdings weniger echte Reisen, als vielmehr fiktive, also erfundene Reisen beschreiben. Der Roman wird dabei als wahre oder authentische Autobiographie ausgegeben. Der Roman wurde deshalb als „Zwischending“ zwischen reiner Fiktion, sachlicher Abhandlung und echtem Geschichtsbuch gesehen.

In Deutschland werden erst einige Jahrzehnte später als in England und Frankreich Aufklärungs-Romane geschrieben. Einer der ersten Romane der deutschen Aufklärung war Johann Gottfried Schnabels Robinsonade Wunderliche Fata einiger See-Fahrer, absonderlich Alberti Julii, eines geborenen Sachsens, auf der Insel Felsenburg (Band 1: 1731). 1766 veröffentlichte Christoph Martin Wieland einen autobiographischen, ironisch erzählten Erziehungs-Roman Die Geschichte des Agathon. Der griechische Jüngling Agathon soll in der Auseinandersetzung zwischen Ideal und wechselvoller, abenteuerlicher Wirklichkeit, zu einer Harmonie von Kopf und Herz zum Schönen, Guten und Wahren erzogen werden. Wirkungsvolle Romane waren auch der empfindsame Ich-Roman Fräulein von Sternheim von Sophie La Roche und der satirisch-komische Roman Hermann und Ulrike von Johann Karl Wezel.

http://www.literaturwelt.com/epochen/aufklaerung.html
http://www.lehrer.uni-karlsruhe.de/~za874/homepage/aufklaerung.htm