Innere Emigration


Innere Emigration ist die Bezeichnung für die Haltung von Schriftstellern und anderen Künstlern, die aus politischen Gründen zur Zeit des Dritten Reichs nicht emigrierten, das heißt ins Ausland gingen, sondern in Deutschland blieben und sich in ihr Inneres, also sich selbst zurück zogen.
Da diese Schriftsteller jedoch gleichzeitig mit ihren Texten ganz bewusst gegen den Nationalsozialismus Widerstand leisteten, kann man bei der Inneren Emigration auch von einer literarischen Epoche sprechen.

Bedeutung

Emigranten sind Personen, die ihr Heimatland verlassen, um fortan in einem anderen Land zu leben. Dies tun sie aus den verschiedensten Gründen. Einige gehen freiwillig, weil sie einfach woanders leben wollen. Andere sind gezwungen, zu gehen, weil sie in ihrem Land politisch verfolgt werden oder weil ihre Religion angefeindet wird.
Der Ausdruck Innere Emigration wurde von dem Schriftsteller Frank Thiess 1933 für die spezifische politische Situation in Deutschland erfunden.
In Deutschland regierte von 1933 bis 1945 Adolf Hitler und seine Partei, die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP). Weil Hitler nach dem Heiligen Römischen Reich und dem Deutschen Kaiserreich ein riesiges deutsches Reich aufbauen wollte (durch Kriege mit anderen Ländern), spricht man von dieser Zeit auch von dem Dritten Reich. Aus diesem Reich wollten die Nationalsozialisten alle Menschen fremder Herkunft und Religion (insbesondere Juden) vertreiben oder vernichten und Andersdenkende mit Verfolgung, Verbot und Zensur mundtot machen.
Frank Thiess wollte mit dem Begriff Innere Emigration damals die Haltung von Schriftstellern und anderen Künstlern erklären, die zwar wegen dieser Verfolgung und Zensur nicht aus Deutschland auswanderten, aber dem Nationalsozialismus trotzdem kritisch und ablehnend gegenüberstanden. Ein innerer Emigrant war also ein Künstler, der zwar nicht aus Deutschland floh, aber dessen Meinung so sehr von der damals herrschenden Ideologie der Nationalsozialisten abwich, dass er sie nicht mehr unter seinem eigenen Namen veröffentlichen durfte, ohne verfolgt zu werden. Er emigrierte also nicht mit seinem Körper, sondern mit seinem Geist.

Konflikte der Inneren Emigration

Zu den inneren Emigranten gehörte auch Erich Kästner. Kästner war und ist nicht nur als Autor spannender Kinderbücher bekannt, sondern auch als kritischer Journalist und weitsichtiger Zeitkritiker. In der Zeit des Nationalsozialismus musste er seine Kritik aber oft auf heimliche Tagebuchnotizen beschränken. Denn als er versuchte, die Menschen vor der drohenden Gefahr zu warnen, wurde er festgenommen und verhört. Viele seiner Bücher wurden verboten, aber auf das Drängen seiner Freunde, aus Deutschland zu fliehen, antwortete er mit folgendem Vers:

Ich bin ein Deutscher aus Dresden in Sachsen,
mich lässt die Heimat nicht fort.
Ich bin wie ein Baum, der in Deutschland gewachsen,
wenn's sein muss in Deutschland verdorrt.

Unter Pseudonym, also unter anderem Namen als seinem eigenen, verfasste Kästner dann im Dritten Reich Filmdrehbücher und Komödien, die meist im Ausland, vorwiegend in der Schweiz veröffentlicht wurden.
Ähnlich wie Kästner überstanden auch andere regimekritische Autoren die Diktatur Hitlers in Deutschland. Einige veröffentlichten ihre Werke auch innerhalb Deutschlands im Untergrund und beteiligten sich somit aktiv am Widerstand gegen Hitler.
Es gab natürlich auch viele Künstler, unter ihnen der bekannte deutsche Schriftsteller Thomas Mann, die Deutschland verließen, weil es dort aufgrund ihrer politischen Gesinnung zu gefährlich für sie wurde, sie nicht mehr arbeiten durften oder auch aus Protest gegen das Regime.
Sie wurden dann später als „äußere Emigranten” bezeichnet.

Nach dem Krieg kam es allerdings zu einem Streit zwischen den „inneren” und den „äußeren”
Emigranten. Vor allem Frank Thiess, der innere Emigrant, beschuldigte öffentlich die äußeren
Emigranten, wie zum Beispiel Thomas Mann. Frank Thiess war der Meinung, dass es sehr viel leidvoller gewesen sei, die „deutsche Tragödie” im Land mitzuerleben als sie von den „Logen und
Parterreplätzen des Auslandes” zu kommentieren. Thomas Mann wiederum bezeichnete die „inneren Emigranten” als „Ofenhocker des Unglücks”.
Eigentlich waren die „äußeren“ und die „inneren Emigranten“ derselben Meinung, sie wollten beide ein Deutschland ohne Nationalsozialismus und beide haben zu jener Zeit viel gelitten.
Trotzdem stritten sie sich nach dem Krieg, denn es ist eben oft schwierig, die andere Seite zu verstehen, wenn man sie nicht selber erlebt hat.

Einige Jahre nach dieser Debatte wurde der Begriff Innere Emigration übrigens auch für Schriftsteller verwendet, die während des Nationalsozialismus mit ihrer eigenen Meinung hinter dem Berg hielten, schwiegen oder sogar Texte schrieben, die politisch so harmlos waren, dass sie nicht zensiert wurden. Doch die Ausweitung des Begriffs Innere Emigration auf diese Schriftsteller ist nicht nur falsch, sondern auch insofern problematisch, weil sie den politischen Willen der echten inneren Emigranten verwischt oder verschleiert.

 
Animation: © Annika Uppendahl

http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/kunst/literatur/index.html
http://www.hanisauland.de/lexikon/n/nationalismus.html
http://www.literaturwelt.com/epochen/exil.html