Autobiographie


Wenn man sich irgendwann hinsetzt und alles aufschreibt, was einem im Leben bisher passiert ist, nennt sich das Ergebnis Autobiographie. Eigentlich schreibt man sein Leben auch auf, wenn man Tagebuch schreibt, aber das macht man eben Tag für Tag und nicht alles auf einmal.
Meistens haben Autobiographien Titel wie: Mein Leben, Die ganze Wahrheit oder Ich verzeihe keinem. Die Frage ist, wie wahr und ehrlich das Aufgeschriebene wirklich ist. An vieles kann man sich ja gar nicht mehr genau erinnern oder man möchte es lieber nicht allen mitteilen. Z. B. dass man mal geklaut hat oder als Kind Bettnässer war oder dass die Eltern sich immer gestritten haben. Man kann in seiner Autobiographie auch nie sein ganzes Leben aufschreiben, weil man ja nicht mehr schreiben kann, wenn man tot ist, der Schluss fehlt also.

Heutzutage schreibt fast jeder Prominente irgendwann seine Autobiographie, manche schon mit 18. Früher war das nicht so, weil die Menschen sich nicht so wichtig genommen haben. Es war sogar eine Sünde, schließlich glaubten die meisten an Gott, und es war wichtig, was dieser von einem hielt, und nicht, was die Mitmenschen dachten. Was man auf der Erde erlebte, zählte nicht im Vergleich zum Leben im Jenseits.
Einer der ersten Autobiographen war Augustinus (nicht zu verwechseln mit dem römischen Kaiser Augustus). Er war Bischof in Nordafrika und hat um das Jahr 400 n. Chr. gelebt. Eigentlich war er Heide, also ungläubig, aber eines Tages hatte er ein religiöses Erlebnis, Gott hat zu ihm gesprochen. Daraufhin wurde er Christ. Er hat die Confessiones geschrieben, Bekenntnisse, in denen er sein sündenvolles Leben darstellt, das er geführt hat, bevor er zu Gott gefunden hat.
Das Interessante an dem Buch ist für uns natürlich gerade der Teil mit den Sünden. Bis dahin hatte niemand so realistisch geschrieben. Das Privatleben war kein Gegenstand der Literatur, die eher von Kriegen, Göttern und großen Heldentaten handelte. Aber Augustinus konnte das Private beschreiben, weil er ja erklären musste, wie wichtig seine Bekehrung war. Manche sagen, es war nur ein Trick, um über seine Sünden schreiben zu können.
Es ist typisch für Autobiographien, dass sie vollkommene Ehrlichkeit vorgeben, dann verkaufen sie sich auch besser. Es kann interessant sein, das zu lesen, man lernt daraus, wie jemand zu dem geworden ist, der er ist. Es macht auch Spaß, das einmal selbst aufzuschreiben zu versuchen.
Sehr berühmt ist Goethes Autobiographie Dichtung und Wahrheit. Eigentlich sollte das Buch Wahrheit und Dichtung heißen, aber das sprach sich nicht so gut, wegen der zwei aufeinanderfolgenden „D"s. Goethe beschreibt, wie er zum erfolgreichen und seiner Meinung nach wichtigsten Schriftsteller oder sogar Menschen seiner Zeit geworden ist. Er musste natürlich erklären, wie es dazu kommen konnte. Zum Beispiel weil er einen sehr strengen Vater und eine sehr liebevolle Mutter hatte. Der Vater hat ihn immer gezwungen, langweilige Bücher auch zu Ende zu lesen, dadurch hat Goethe gelernt, fleißig zu sein. Die Mutter hat ihn getröstet, wenn er Liebeskummer hatte. Wenn man Goethe liest, stellt sich sein Leben als sehr folgerichtige Entwicklung dar. Er hat seine Autobiographie allerdings lange Jahre unterbrochen, weil er noch lebende Zeitgenossen nicht beleidigen wollte. Der letzte Teil erschien erst nach seinem Tod. Es ist eine heikle Sache, seine Meinung über andere Menschen zu drucken, meistens sind sie nicht sehr begeistert darüber.
Heute lesen die Menschen gerne Autobiographien von Prominenten. Die Leser wollen einfach wissen, wie das Leben der berühmten Menschen verlaufen ist, vor allem das Privatleben. Allerdings schreiben viele Prominente ihre Autobiographie gar nicht selbst, sondern engagieren einen Ghost Writer, also einen „unsichtbaren Autor", der ihnen das Buch schreibt, sie setzen nur ihren Namen darüber. Sie selbst haben keine Zeit zum Schreiben, oder sie können es wahrscheinlich auch nicht so gut, zum Beispiel Boris Becker oder irgendwelche Fußballer.

Man kann nur jedem empfehlen, einmal sein bisheriges Leben aufzuschreiben, später freut man sich, wenn man es liest. Außerdem lernt man, wer man eigentlich ist. Aber es ist auch keine einfache Angelegenheit, man weiß ja nicht, womit man anfangen soll, und was wichtig genug ist, um aufgeschrieben zu werden. Das ist eine große Kunst.
Der Schriftsteller Walter Kempowski hat in seinem Haus in Norddeutschland ein großes Archiv von privaten Autobiographien und Tagebüchern angelegt. Er hat Annoncen in die Zeitungen gesetzt, dass man ihm diese Dinge doch schicken sollte, bevor sie in den Müll kamen. Jahrelang hat er dieses Material ausgewertet. Er war der Meinung, dass jeder Mensch interessant ist, und dass man aus diesen Texten viel über die Geschichte erfahren kann. Eine Autobiographie hat er nicht geschrieben, aber dafür ungefähr 40000 Seiten Tagebuch.