Max und Moritz

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Max und Moritz

Eine Bubengeschichte
in sieben Streichen
(1865)
Max und Moritz
Vorwort
Ach, was muß man oft von bösen
Kindern hören oder lesen!!
Wie zum Beispiel hier von diesen,
Welche Max und Moritz hießen;
   
Die, anstatt durch weise Lehren
Sich zum Guten zu bekehren,
Oftmals noch darüber lachten
Und sich heimlich lustig machten.
Ja, zur Übeltätigkeit,
Ja, dazu ist man bereit!

Menschen necken, Tiere quälen,
Äpfel, Birnen, Zwetschgen stehlen
Das ist freilich angenehmer
Und dazu auch viel bequemer,
Als in Kirche oder Schule

Festzusitzen auf dem Stuhle.
Aber wehe, wehe, wehe!
Wenn ich, auf das Ende sehe!!
Ach, das war ein schlimmes Ding,
Wie es Max und Moritz ging.

Drum ist hier, was sie getrieben,
Abgemalt und aufgeschrieben.
Erster Streich
Mancher gibt sich viele Müh’
Mit dem lieben Federvieh;
Einesteils der Eier wegen,
Welche diese Vögel legen,
Zweitens: weil man dann und wann

Einen Braten essen kann;
Drittens aber nimmt man auch
Ihre Federn zum Gebrauch
In die Kissen und die Pfühle,
Denn man liegt nicht gerne kühle.
Max und Moritz
Seht, da ist die Witwe Bolte,
Die das auch nicht gerne wollte.
Max und Moritz
Ihrer Hühner waren drei
Und ein stolzer Hahn dabei.

Max und Moritz dachten nun:
Was ist hier jetzt wohl zu tun?

Ganz geschwinde, eins, zwei, drei,
Schneiden sie sich Brot entzwei,
Max und Moritz
In vier Teile, jedes Stück
Wie ein kleiner Finger dick.

Diese binden sie an Fäden,
Übers Kreuz, ein Stück an jeden,
Und verlegen sie, genau
In den Hof der guten Frau.

Max und Moritz
Kaum hat dies der Hahn gesehen,
Fängt er auch schon an zu krähen:
Kikeriki! Kikikerikih!!
Tak tak tak! - da kommen sie.

Max und Moritz
Hahn und Hühner schlucken munter
Jedes ein Stück Brot hinunter;

Max und Moritz
Aber als sie sich besinnen,
Konnte keines recht von hinnen.

Max und Moritz
In die Kreuz und in die Quer
Reißen sie sich hin und her,

Max und Moritz
Flattern auf und in die Höh’,
Ach herrje, herrjemine!

Max und Moritz
Ach, sie bleiben an dem langen
Dürren Ast des Baumes hangen.

Und ihr Hals wird lang und länger,
Ihr Gesang wird bang und bänger;

Max und Moritz
Jedes legt noch schnell ein Ei,
Und dann kommt der Tod herbei.

Max und Moritz
Witwe Bolte in der Kammer,
Hört im Bette diesen Jammer;

Max und Moritz
Ahnungsvoll tritt sie heraus:
Ach, was war das für ein Graus!

Max und Moritz
Fließet aus dem Aug’, ihr Tränen!
All mein Hoffen, all mein Sehnen,

Meines Lebens schönster Traum
Hängt an diesem Apfelbaum!!

Max und Moritz
Tiefbetrübt und sorgenschwer
Kriegt sie jetzt das Messer her;

Nimmt die Toten von den Strängen,
Daß sie so nicht länger hängen,

Max und Moritz
Und mit stummem Trauerblick
Kehrt sie in ihr Haus zurück.

Dieses war der erste Streich,
Doch der zweite folgt sogleich.
Letzter Streich
Max und Moritz
Max und Moritz, wehe euch!
Jetzt kommt euer letzter Streich!

Wozu müssen auch die beiden
Löcher in die Säcke schneiden?

Max und Moritz
Seht, da trägt der Bauer Mecke
Einen seiner Maltersäcke.

Max und Moritz
Aber kaum daß er von hinnen,
Fängt das Korn schon an zu rinnen.

Max und Moritz
Und verwundert steht und spricht er:
„Zapperment! Dat Ding werd lichter!“

Max und Moritz
Hei! Da sieht er voller Freude
Max und Moritz im Getreide.

Max und Moritz
Rabs!! - in seinen großen Sack
Schaufelt er das Lumpenpack.

Max und Moritz
Max und Moritz wird es schwüle,
Denn nun geht es nach der Mühle.

Max und Moritz
„Meister Müller, he, heran!
Mahl’ er das, so schnell er kann!“

Max und Moritz
„Her damit!“ – Und in den Trichter
Schüttelt er die Bösewichter.

Max und Moritz
Rickeracke! Rickeracke!
Geht die Mühle mit Geknacke.

Max und Moritz
Hier kann man sie noch erblicken
Fein geschroten und in Stücken.

Max und Moritz
Doch sogleich verzehret sie
Meister Müllers Federvieh.
Max und Moritz
Schluß
Als man dies im Dorf erfuhr,
War von Trauer keine Spur.
Witwe Bolte, mild und weich,
Sprach: „Sieh da, ich dacht es gleich!“

Ja ja ja! rief Meister Böck
„Bosheit ist kein Lebenszweck!“
Drauf so sprach Herr Lehrer Lämpel:
„Dies ist wieder ein Exempel!“
„Freilich!“ meint der Zuckerbäcker,
„Warum ist der Mensch so lecker?!“

Selbst der gute Onkel Fritze
Sprach: „Das kommt von dumme Witze!“
Doch der brave Bauersmann
Dachte: „Wat geiht meck dat an?!“

Kurz, im ganzen Ort herum
Ging ein freudiges Gebrumm:
„Gott sei Dank! Nun ist’s vorbei
Mit der Übeltäterei!!“