Hörspiel


Bedeutung des Hörspiels

Das Hörspiel wird manchmal auch als Funkdrama oder Funkspiel bezeichnet. Die Begriffe Drama und Spiel machen dabei deutlich, dass das Hörspiel ein literarisches, theatralisches und spielerisches Genre ist. Wie im Theater sind bei dem Hörspiel mehrere Menschen beteiligt. Neben den Sprechern sind dabei die wichtigsten Personen der Autor, Regisseur, Dramaturg und Toningenieur des Hörspiels. Alle zusammen inszenieren ein dramatisches Textstück, das man weder lesen noch sehen, sondern nur hören kann.
Der Begriff „Funk“ betont dagegen, dass das Hörspiel sehr stark von seinem Medium, dem Radio, abhängt. Tatsächlich wurde das Hörspiel vor knapp hundert Jahren für das Radio entwickelt. Neben Musik- und Informationssendungen, sollten die Hörer auch mit literarischen Texten unterhalten werden.
Im Unterschied zum Film oder Theater hat der Regisseur des Funkspiels natürlich keine Möglichkeit, das Gesprochene wie im Film oder beim Theater mit Hilfe von Schauspielern oder Bildern darzustellen und zu verdeutlichen. Er muss seine Zuhörer einzig mit den Stimmen der Sprecher, mit gut gemischten Geräuschen und Klängen des Toningenieurs und passender Musik fesseln.
Das Hörspiel entwickelte neben einer eigenen Dramaturgie mit Geräuschen auch technische Methoden wie Blende, Schnitt und Montage. Durch seine ganz eigene Weise, Geschichten zu erzählen, wurde es wie der Film oder das Theater zu einer eigenen Kunstform.



Beispiel für ein Hörbuch:
  Der falsche Geburtstag von Annette Kautt
gesprochen von Uwe Müller
Quelle: http://www.rossipotti.de/ausgabe02

Das Hörspiel ist verwandt mit dem Hörbuch, das ebenfalls literarische Texte zu einem akustischen Erlebnis macht. Im Unterschied zum Hörspiel wird das Hörbuch aber im Regelfall nur durch einen Sprecher vorgetragen. Da das Hörbuch außerdem fast ohne Geräusche oder Musik auskommt, hängt es allein von dem Können des Sprechers ab, wie sehr er seine Zuhörer packen kann.
Daneben gibt es auch Überschneidungen zwischen Hörspiel und Feature. Wie das Hörspiel ist das Feature stark an das Medium Radio gebunden, spielt mit Klängen und Textstücken und montiert sie experimentell zusammen. Im Unterschied zum literarischen Hörspiel dokumentiert oder hinterfragt das Feature aber meistens aktuelle Ereignisse.

Geschichte des Hörspiels

Früher, als es noch kein Fernsehen oder das Internet gab, haben sich Familien abends um das Radio geschart, um ein Hörspiel zu hören. Heute kann man Hörspiele in diversen Variationen überall kaufen. Sie werden auf allen möglichen Tonträgern, beispielsweise auf Kassetten, CDs oder als MP3-Dateien meist von Hörbuchverlagen oder Blindenbüchereien herausgegeben.
Die Geschichte des Hörspiels beginnt mit der Vertonung von Theaterstücken. Theaterstücke waren Vorbild für das Hörspiel, weil diese Darbietungsform damals beliebt war und sie durch unterschiedliche Sprecher und viele Dialoge lebendig war.
Das erste Hörspiel Europas wurde am 15.1.1924 von dem englischen Sender BBC gesendet. Der Titel des Hörspiels war A Comedy of Danger (übersetzt: eine gefährliche Kömödie) von Richard Hughes und wurde als „listening play“ (übersetzt: ein zu hörendes Spiel) bezeichnet. Das Hörspiel spielt im Innern eines dunklen Bergwerks, dessen Lichtversorgung durch einen Unfall ausgefallen ist. Gefährlich wird die Situation, als auch noch Wasser in die Höhle dringt. Die gesprochenen Worte, die Geräusche, die Angst der Eingeschlossenen werden gerade durch das Dunkle überdeutlich. Das hörspieltypische Element der Handlung ohne Bilder wird hier durch Hughes also geschickt in die Geschichte eingebaut.
Da Tonaufzeichnungen zu Beginn der zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts noch nicht möglich waren, waren die ersten Hörspiele der Welt übrigens ausschließlich Live-Sendungen. Das heißt, dass die Sprecher eines Hörspiels das gesamte Stück zur gleichen Zeit spielten wie es im Radio gesendet wurde. Fehler konnten also nicht mehr im Nachhinein rausgeschnitten und Musik und Geräusche auch nicht später dazu gemischt werden.
Erst seit 1929 gab es die Möglichkeit der Tonaufzeichnung auf Wachs oder Schallplatte. In den ersten Hörspielen stand dabei vor allem die Geschichte oder der Text im Vordergrund. Musik und Geräusche wurden hauptsächlich dazu gebraucht, die Geschichte zu untermalen oder plastischer vor Augen treten zu lassen. Daneben gab es allerdings auch schon damals Versuche, „akustische Filme“ herzustellen, bei denen Geräusche und nicht der Text im Vordergrund standen.

Ein weiteres interessantes Ereignis in der Geschichte des Hörspiels war das 1938 von Orson Welles produzierte Stück Krieg der Welten. Das Hörspiel wurde in Form einer fiktiven Reportage wieder gegeben. Ein Reporter berichtete angeblich live über die Invasion oder den Angriff der Erde durch Marsmenschen. Obwohl dieses Hörspiel als ein solches angekündigt wurde, löste es bei vielen Menschen Panik aus, denn sie vermuteten eine tatsächlichen Angriff der Außerirdischen. Heute kann man sich eine solche Verwechslung kaum mehr vorstellen. Aber wenn man bedenkt, dass die Menschen an tatsächliche Live-Übertragungen gewöhnt waren und das Hörspiel noch etwas relativ Neues war, kann man die Panik der Menschen vielleicht besser verstehen.

Als Medium, das die Menschen direkt packen und beeinflussen kann, wurde das Radio in Deutschland im Dritten Reich von den Nationalsozialisten als Propaganda-Mittel, also Mittel, die Leute zu beeinflussen, missbraucht. Damit möglichst viele Menschen Radio hören konnten, wurde der „Volksempfänger“ entwickelt, der sehr billig verkauft wurde. Auch Hörspiele wurden im Dritten Reich vor allem als Mittel zur Manipulation eingesetzt. Das heißt, dass sie die Menschen für die Ziele des Nationalsozialismus einnehmen sollten. Neben den Propaganda-Hörspielen wurden allerdings auch Hörspiel mit unpolitischem Inhalt gesendet. Insgesamt wurde der Anteil an Hörspielen innerhalb des übrigen Radioprogramms im Dritten Reich aber auf die Hälfte reduziert.

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg fing das Hörspiel in Deutschland wieder an zu boomen. Es war in der Herstellung billiger als Bücher und Filme, und die Technik hatte sich weiter entwickelt. Inzwischen hatten viele Menschen ein Radio und Interesse daran, sich durch Hörspiele unterhalten zu lassen . Bis Ende der fünfziger Jahre hörte etwa jeder Dritte der Rundfunkhörer regelmäßig Hörspiele. Beliebt war vor allem das Krimihörspiel, das einen festen Sendeplatz hatte. Daneben wurden in Hörspielen aber auch Kriegserlebnisse verarbeitet und das Leben im Dritten Reich hinterfragt. Der Hörspielpreis der Kriegsblinden ist in Deutschland bis heute einer der wichtigste Preise für Autoren von Hörspielen.



Beispiel für ein Hörspiel:
DETEKTEI Suni & Partner:
Die Gefahr aus der Dose.
Quelle: https://de-de.facebook.com/detekteisuni

In den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts setzten sich Günter Eich, Ilse Aichinger, Ingeborg Bachmann oder Max Frisch, mit dem Medium intensiv auseinander und schufen anspruchsvolle Formen des Hörspiels. Das gefiel den Hörern nicht immer. Als beispielsweise 1951 Günter Eichs Hörspiel Träume zum ersten Mal ausgestrahlt wurde, riefen manche Leute sogar die Polizei. Eichs Hörspiel erzählte unter anderem von Träumen, in denen Eltern ihr Kind aussetzen oder von Leuten, die von Termiten zerfressen werden.
Kinder und Jugendliche hörten in den fünfziger Jahren übrigens auch sehr gerne Radio und Funkspiele. Für sie wurden vor allem Märchen und Klassiker der Kinder- und Jugendliteratur zu Hörspielen umgearbeitet.

Trotz seiner Beliebtheit und seiner Fähigkeit, die Menschen aufzuwühlen, wurde das Hörspiel in den sechziger Jahren vom neuen Medium Fernsehen von seinem populären Platz verdrängt.
Erst mit der Weiterentwicklung der Technik wurde das Hörspiel wieder für mehr Hörer interessant.
Neben der Verbesserung der Mikrophone und Mischpulte, mit denen man Szenen übereinander schneiden, Geräusche ein- und ausblenden kann, war besonders die Erfindung der Stereo-Technik wichtig. Durch sie konnte man dem Hörspiel viel mehr Raum und Echtheit verleihen als davor.
Die Verbesserung der Technik führte auch zu einer größeren Experimentierfreude der Autoren. Es wurde mit Geräuschen und Sprache gespielt, Texte montiert und zerstückelt, Originaltöne mit fiktiven Gesprächen gemischt. Ernst Jandls und Friederike Mayröckers Hörspiele sind bekannte Beispiele diesen neuen Hörspiels. Daneben wurden aber auch weiterhin einfach nur Geschichten mit hinterlegten Geräuschen erzählt. Insgesamt entstand so ein Stilpluralismus, das heißt, viele verschieden Stile bestehen nebeneinander, der sich im Wesentlichen bis heute erhalten hat.
Das Kinderhörspiel blieb, abgesehen von einigen Ausnahmen, allerdings insgesamt weniger experimentell. Hier ging und geht es vor allem darum, die Geschichte mit Geräuschen und Klängen lebendiger und hörbarer zu machen, den Text also mit Klängen zu unterstreichen. Der Text, der in verteilten Rollen gesprochen wird, bleibt dabei meistens im Vordergrund.

Bei Kindern und Erwachsenen wurde das Hörspiel vor allem Ende des 20. Jahrhunderts wieder sehr beliebt. Für die weiter steigende Beliebtheit des Hörspiels bis heute ist neben dem immer besseren Hörerlebnis sicher auch dessen teilweise Loslösung vom Radio verantwortlich. Mit der Entwicklung verschiedener Speichermöglichkeiten war und ist man nicht mehr auf die Sendezeiten des Hörspiels angewiesen. Parallel fingen Verlage verstärkt an, Hörspiele und vor allem auch Hörbücher zu produzieren und erfolgreich zu vermarkten. Und so findet man in Buchhandlungen neben Büchern auch wieder viele Hörspiele und Hörbücher.

http://www.rossipotti.de/ausgabe07/kulturtasche.html
http://www.rossipotti.de/archiv.html#hoergeschichte
http://www.rossipotti.de/ausgabe12/etwas_anderes.html
http://www.hoerspiel.com/termine-radio-hoerspiel/hoerkino
http://www.audiyou.de/hoerspiel-karaoke.html