Nonsense


Stilmerkmale und Formen der Nonsenspoesie

Was klingeln matte Lichter
ob meiner Seele Sumpf
Was züngeln Quergesichter
Um meiner Hoffnung Stumpf?
O Schlingel ihr und Wichter
Benagt nur meinen Rumpf
Ich fühl's, ich bin ein Dichter:
Heut ist Meschugge Trumpf!

von Otto Erich

Auch wenn Nonsens Unsinn ist, sinnlos ist er deshalb nicht. Zum einen ermöglicht Nonsens Autoren, sich auszuprobieren, mit Sprache zu experimentieren und sprachliche Grenzen zu überschreiten.
Davon abhängig kann man mit Nonsens auch Regeln und Normen durchbrechen und Zustände kritisieren, ohne dafür direkt haftbar gemacht zu werden. Und die Nonsens-Dichtung erlaubt dem Autor, ohne auf Moral und Botschaft Acht geben zu müssen, hemmungslos zu fantasieren und Sprache durcheinander zu schütteln und dadurch den Leser zum Lachen und Aufhorchen zu reizen.
Obwohl der Fantasie in der Nonsens-Dichtung eigentlich keine Grenzen gesetzt sind, haben sich mehrere Stilmittel oder Merkmale, durch die man sie trotzdem erkennen kann, durchgesetzt:

  1. Sprachspielereien, bei der Buchstaben, Wortsilben, Worte vertauscht, verdreht oder erfunden werden. Beispiel:
    „Herr Je der Tisch ist wasserweich
    Frau Je beim ersten Fingerzeig
    fress ich die Wurst mit Nebenwurst“
    (Auszug aus dem Gedicht Schneethlehem von Hans Arp)
  2. Sprachrhythmus, Klänge und Reime werden verändert, stolpriger oder eigenwillig hergestellt: Beispiel: Riga – Tiger, wie zum Beispiel in dem volkstümlichen Gedicht:
    „Es lebt' in dulci jubilo
    In Grönland einst ein Eskimo,
    Der liebt voll Liebeslust und Leid
    Die allerschönste Eskimaid“
  3. Umkehrung von Lese-Erwartungen, häufig durch die Vertauschung von Ursache und Wirkung. Beispiel:
    „Vorigen Handschuh verlor ich meinen Herbst,
    Da ging ich drei Tage finden, eh‘ ich ihn suchte …“
    (von Johann Lewalter)
  4. Abweichungen von Schreib-Regeln und Gewohnheiten. Zum Beispiel konsequente Kleinschreibung, oder Erfindung neuer Worte wie in dem volkstümlichen Vers aus Sachsen:
    „Da kamen zwei ganz große Ratten
    Die zerfraßen mir meine schönen Krawatten
    Nu mecht‘ ich bloß wissen, was se dadervon hatten.“
  5. Zusammenfügung von nicht zusammengehörenden Elementen (Schwachfug = Unfug + Schwachsinn oder Eledil und Krokofant).
  6. Parodien, Umschreiben, eines bekannten Textes wie in dem heimatlied von Gerd Kahlow zu einem Gedicht von Goethe:
    „über allen giebeln
    ist ruß
    aus allen schloten
    siehst du es
    quellen …“
  7. Scheinbar ohne Abschluss, da immer neue Verse den Inhalt wieder und wieder anstoßen, oftmals ist das bei Scherzliedern so. Beispiel:
    „Ein Hund lief in die Küche
    Und stahl dem Koch ein Ei
    Da nahm der Koch den Löffel
    Und schlug den Hund zu Brei.

    Da kamen viele Hunde
    Und gruben ihm ein Grab
    Und setzten ihm ein Grabstein
    Worauf geschrieben stand:

    Ein Hund lief in die Küche
    Und stahl dem Koch ..."

Oft tauchen Formen der Nonsensdichtung in Volksliedern, Kinderreimen und Lügengeschichten auf. Ein Beispiel dafür ist das Thema der verkehrten Welt, in der unter anderem der Vater den Wagen zieht, das Pferd auf dem Kutschbock sitzt und die Peitsche schwingt, so wie in den Geschichten aus der Murkelei von Hans Fallada (1893-1947) beschrieben.
Aber auch Abzählreime, Sprachspiele, Kinderlieder, Palindrome, das sind Wörter oder Sätze, die von links oder rechts gelesen werden können, Schüttelreime (Reimspiel, bei dem die Anfangsbuchstaben der reimenden Silben vertauscht werden wie bei „Ich geh jetzt in den Birkenwald, denn meine Pillen wirken bald.“), Klapphornverse (scherzhafte Vierzeiler, die immer beginnen mit „Zwei Knaben…“) und Limericks (Fünfzeiler mit einem immer gleichbleibenden Reimschema) gehören zu den Formen der Nonsensdichtung.

Vertreter der Nonsensdichtung

Obwohl auch einige deutsche Dichter seit dem Mittelalter immer wieder nonsenesartige Texte geschrieben haben, kommt die Nonsensdichtung ursprünglich aus England und hat dort bis heute eine große Tradition.
Der Begriff Nonsens als literarische Gattung wurde von Edward Lear geprägt. Edward Lear veröffentlichte 1846 in seinem Buch A Book of Nonsense 73 „unsinnige“ Limericks. Einer davon geht so:

„Es tanzte ein Mann aus Tulsa
mit einer Schmeißfliege Walzer;
sie summten verliebt
zusammen ein Lied
und entzückten die Leute von Tulsa."

Limericks sind Scherzgedichte mit dem Reimschema aabba. Das bedeutet: Es reimen sich die erste, die zweite und die fünfte, sowie die dritte und die vierte Zeile. Ein Limerick beginnt fast immer mit der Nennung einer Person in Verbindung mit einer Ortsangabe.
Edward Lear ist zwar nicht der Erfinder der Limericks. Aber viele Literaturwissenschaftler sagen, dass vor allem durch ihn der Limerick international bekannt wurde.

Viele Nonsens-Texte sind Gedichte. Es gibt aber auch Prosatexte, die Unsinnsdichtungen enthalten. Vor allem in der fantastischen Literatur lassen sich nonsensartige Elemente finden. Ein berühmter Vertreter der Nonsenskinderliteratur ist der Engländer Lewis Carroll (1832-1898). Er ist der Schöpfer von Alice im Wunderland (1865) und von Alice hinter den Spiegeln (1872). In seinen Geschichten um das Mädchen Alice kommen viele Nonsensgedichte vor, aber eigentlich sind die ganzen Bücher von Anfang bis Ende ein sehr gutes Beispiel für Nonsensliteratur. Da ist zum Beispiel die Katze, die nur noch aus einem Grinsen besteht, bevor sie sich ganz in Luft auflöst. Carolls Bücher haben bis heute Einflüsse auch auf die deutsche Kinder- sowie Nonsens- Literatur.

In Deutschland hatte es Nonsensliteratur bis in die 1960er Jahre hinein schwer. Nonsens wurde von vielen Wissenschaftlern nicht als Bestandteil ernster Literatur angesehen oder ganz an ihren Rand gedrängt. Von manchen Lehrern wurden diese Texte sogar als schädlich für die Bildung der Kinder eingestuft, weil viele Regeln der Orthografie und Grammatik bei Nonsens nicht mehr beachtet wurden. Als Gelegenheitsdichtung für besondere Feste in Vereinen und Familien wurde diese Art von Poesie nur als Spiel, als Sprachexperiment, als Kinderkram, als Witzelei, manchmal auch als Frechheit eingestuft.

Trotzdem gab es Autoren, die auch schon vor 1960 Nonsenstexte verfasst haben. Die bekanntesten Autoren haben auch für Kinder geschrieben: Christian Morgenstern (1871-1914) oder Joachim Ringelnatz (1883-1934)
Seit ein paar Jahrzehnten gibt es immer mehr Schriftsteller, die sich mit Nonsens beschäftigten, alte Texte neu bearbeiteten oder eigene Ideen in dieser Poesie ausdrückten. Sowohl in der BRD als auch in der DDR wurden die altbekannten englischen Nonsenstexte neu übersetzt und illustriert. Autoren wie Christian Enzensberger, James Krüss, Reiner Gernhardt, Peter Hacks, Ernst Jandel und Michael Ende schrieben sowohl Nonsens für Kinder als auch Erwachsene.
Zur gleichen Zeit hielt der Nonsens auch im Bilderbuchbereich verstärkt Einzug. Ein früher Titel ist das 1967 erschienene Buch Eledil und Krokofant von Jürgen Spohn mit fantastischen Tier- und Pflanzengeschöpfen.


Animation © Cx Huth
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http://www.rossipotti.de/ausgabe14/titelbild.html
http://de.wikipedia.org/wiki/Unsinnspoesie