Aphorismus



Bedeutung

Ein Aphorismus äußert sich meistens in einem Satz. Er bringt das, was er sagen will, kurz, aber voll gedanklicher Tiefe (oder geistreicher Bösartigkeit) auf den Punkt. In einem Satz, der einen anspringt wie eine unerwartete Neuigkeit. Erst kreist er im Kopf, dann setzt er sich, und man kommt dazu, sich an ihm zu erfreuen, über ihn zu schmunzeln oder sich zu ärgern. Er verabreicht einem so etwas wie eine bittersüße Medizin. Etwa wie dieser von Georg Christoph Lichtenberg:

„Vom Wahrsagen lässt sich’s wohl leben in der Welt, aber nicht vom Wahrheitsagen.“

Viele Begriffe lassen sich aufs Griechische zurückführen, so auch das Wort Aphorismus. Es kommt von aphorizein, das so viel wie abtrennen, von etwas abgrenzen bedeutet. Ein Aphorismus ist ein zusammenfassender Gedanke, sozusagen das Ergebnis einer (längeren) Gedankenkette. Ein Gedankensplitter, der kratzt, stichelt, ritzt, erheitert, jedenfalls nachdenklich stimmt.

Oft verblüffen diese Gedankensplitter, weil sie einen bekannten Satz oder ein Sprichwort verkehren, zwei eigentlich gegensätzliche Bilder miteinander verbinden, mit Wörtern auf ungewohnte Weise spielen oder eine Situation überspitzt darstellen.

Neben dem Dichter Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832), dessen aphoristische Lebensweisheiten in seinen Maximen und Reflexionen aufgezeichnet sind, und dem Philosophen Friedrich Nietzsche (1844 – 1900), der seine Kulturkritik oft in kurze, geistreiche Sätze packte, ist einer der bekanntesten deutschen Aphoristiker der Naturwissenschaftler Georg Christoph Lichtenberg (1742 –1799).


Illustration: Rolf Hannes

Lichtenberg war das 17. Kind eines evangelischen Geistlichen und einer hingebungsvollen Mutter und ein Sonntagskind dazu. Eine verwachsene Wirbelsäule machte ihm schwer zu schaffen, er hatte also das, was man einen Buckel nennt. Sehr klein von Gestalt aber wuchs er innerlich über sich hinaus. Wenn die Kinder ihn hänselten, zahlte er es ihnen durch seine Redegewandtheit zurück. Er war alles andere als ein Stubenhocker und in Gesellschaft war er immer für Scherze und Schabernacke zu haben. Er interessierte sich für vieles, reiste gern und kannte sich umfassend aus in den Wissenschaften, vor allem in Chemie, Mathematik und Astronomie, aber nicht weniger in der Literatur. Ab 1770 bis zu seinem Tod war er Professor für Physik in Göttingen und der beliebteste Lehrer für seine Studenten weit und breit. In eins seiner Notizbücher, er nannte sie Sudelbücher, schrieb er neben dem eingangs erwähnten und vielen anderen auch diesen Aphorismus, der sich über allzu stutzige Leserinnen und Leser lustig macht:

„Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist das allemal im Buch?“

http://www.lichtenberg-gesellschaft.de/leben/l_start.html
http://aphorismen-archiv.de/G320.html