Lisa Tetzner

* 1894 in Zittau/Oberlausitz
† 1963 in Carona/Schweiz


Leben


Lisa Tetzner
© Carlsen Verlag

Lisa Tetzner wurde in Zittau geboren und wuchs dort als Tochter eines Arztes in gutbürgerlichen Verhältnissen auf. Wegen einer Entzündung im Knie, die sie mit elf Jahren hatte, konnte sie zeitweise nicht laufen und war darum auf den Rollstuhl angewiesen. Sie hatte ihr Leben lang immer wieder mit den Folgen dieser Erkrankung zu kämpfen, weshalb sie andere Menschen, die auch krank waren, gut verstand und ihnen oft half. Bis zur siebten Klasse besuchte Lisa Tetzner die öffentliche Schule und danach die Höhere Töchterschule, die sie mit der zehnten Klasse abschloss.
Um später mit Kindern und Jugendlichen arbeiten zu können, ging sie ab 1913 drei Jahre lang auf die soziale Frauenschule in Berlin, die sie mit dem Diplom zur „Staatlich geprüften Fürsorgerin" beendete. Das tat sie gegen den Willen ihres Vaters, denn der sah ihre Zukunft eher in der Rolle als Hausfrau und Mutter.
Als Tetzner 1916 einen dänischen Märchenerzähler erlebte, war sie von dem Vortrag so begeistert, dass sie das Gleiche machen wollte. Daraufhin nahm sie Unterricht in Sprecherziehung und Stimmbildung an der Berliner Universität und Schauspielunterricht an der Schauspielschule Max Reinhardts.
In den folgenden Jahren schloss sie sich verschiedenen Jugendbewegungen an und reiste als Märchenerzählerin durch Deutschland. Ihre Erfahrungen, Erlebnisse und soziale Einsichten auf diesen Wanderungen hat sie in drei Bänden beschrieben: Vom Märchenerzählen im Volk (1919), Auf Spielmannsfahrten und Wandertagen (1923) und Im Land der Industrie zwischen Rhein und Rhur (1923).
Später arbeitete sie als Sprecherin für den Rundfunk, für Schallplattenproduktionen, bearbeitete Märchen für das Kindertheater und gab verschiedene Märchensammlungen heraus, die bei Schriftstellern und Verlegern viel Beachtung fanden. Seit Mitte der 1920er Jahre schrieb sie auch selbst Theaterstücke für Kinder und ihr erstes Kinderbuch Hans Urian. Die Geschichte einer Weltreise.
1933 kamen die Nationalsozialisten in Deutschland an die Macht, und für Lisa Tetzner brach eine schwere Zeit an. Als Gegner des Nationalsozialimus' mussten sie und ihr Mann Kurt Kläber, der sich als Kinderbuchautor Kurt Held nannte und u. a. Die rote Zora und ihre Bande geschrieben hatte, in die Schweiz emigrieren. Dort bekamen beide aber vorerst Berufsverbot, weil die Schweizer Angst hatten, durch die vielen Ausländer Arbeitsplätze zu verlieren und zu „überfremden“. Außerdem wollten sich die Schweizer nicht in den Krieg einmischen und die Leute unterstützen, die vor den Nazis flüchteten.
In Deutschland durften Tetzners Bücher nicht mehr oder nur unter großen Schwierigkeiten veröffentlicht werden. Als 1934 nur ihr Berufsverbot aufgehoben wurde, musste sie für sich und ihren Mann allein Geld verdienen und versuchte sofort, ihr Kinderbuch Was am See geschah zu veröffentlichen. 1937 gelang es ihr, eine Stelle am Baseler Lehrerseminar zu bekommen, wo sie als Lektorin für Sprechtechnik bis 1955 arbeitete. 1947 erhielt das Ehepaar endlich die Schweizer Staatsbürgerschaft.
In den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg hielt Tetzner Märchenvorträge an Volkshochschulen und in Buchhandlungen in Deutschland und organisierte Hilfsaktionen und Lebensmittelsammlungen für deutsche Intellektuelle, die wie sie selbst Opfer der nationalsozialistischen Diktatur geworden waren.
In den 1950er Jahren setze sie sich sehr für die fantastische Kinderliteratur ein, die damals in Deutschland nur schwer angenommen wurde.
Ab 1955 bis zu ihrem Tod widmete sich Lisa Tetzner nur noch dem Schreiben eigener Kinder- und Jugendbücher und verschiedenen Übersetzungen wie C. S. Lewis' erstem Narnia-Buch.
Einige Schulen und sogar eine Straße tragen heute aus Anerkennung den Namen Lisa Tetzners.

Werk und Bedeutung

Lisa Tetzner ist eine der wichtigsten deutschen Schriftsteller aus der Zeit des Nationalsozialismus. Da sie zuerst Erzählerin und Herausgeberin von Märchen war, hat ihr erstes Kinderbuch Hans Urian. Die Geschichte einer Weltreise noch märchenhafte und fantastische Züge.
Später verzichtete sie darauf, um die soziale und politische Wirklichkeit direkter, kritischer und unverstellt darzustellen. In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg hat sie auch Bücher für Erwachsene geschrieben, die wie ihre Kinder- und Jugendbücher persönliche Erlebnisse aus der Zeit des Nationalsozialismus beinhalten.
Tetzners Arbeit war von Anfang an beeinflusst von den Erfahrungen der eigenen Krankheit und den Erlebnissen aus der Zeit des Nationalsozialismus. Sie wollte mit ihren Büchern und dem Märchenerzählen aufklären, verändern und helfen. Einige ihrer Bücher sind wichtige Zeitzeugnisse, darum werden sie auch heute noch veröffentlicht und gelesen.
Lisa Tetzners Hauptwerk ist die neunbändige Kinderbuchodyssee Die Kinder aus Nr. 67, die sie 1933 in Berlin begann und 1949 im Schweizer Exil beendete. Es gilt gleichzeitig als das wichtigste Kinderbuch des deutschsprachigen Exils. Die einzelnen Bände erschienen erst als Einzelbücher, später wurden sie dann unter dem Titel Die Kinder aus Nr. 67 als Serie herausgegeben. Darin wird aus der Perspektive verschiedener Kinder wirklichkeitsnah das Leben in der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland geschildert. Ausgangspunkt der Handlung ist die Freundschaft zwischen Erwin und Paul. Sie und noch andere Kinder leben mit ihren Familien in einer Berliner Mietskaserne. In jedem Band wird ein anderes dieser Kinder als Hauptfigur und dessen persönliche Geschichte eingeführt. Ihre Wege und ihre Flucht vor den Nationalsozialisten sind sehr unterschiedlich verlaufen. Trotzdem verbindet alle irgendetwas miteinander und sie treffen Jahre später als junge Menschen in der Schweiz zusammen.
Die Texte hatten es nach dem Krieg schwer, den Weg in die Regale der Buchhandlungen zu finden, weil es Menschen gab, denen Tetzners politisches Engagement in ihren Büchern nicht recht war. Erst als 1979 die ersten beiden Bände von Die Kinder aus Nr. 67 verfilmt wurden, erreichten sie mehr Leser. Mittlerweile sind alle Bände weit verbreitet und in über zwölf Sprachen übersetzt worden.
Ebenso wichtig und ein Klassiker der Kinder- und Jugendliteratur ist Lisa Tetzners Jugendbuch Die Schwarzen Brüder. Sie schrieb dieses Buch zusammen mit ihrem Mann. Es handelt von den Kindern armer Tessiner Bauern, die von ihren Eltern an Menschenhändler nach Mailand verkauft wurden. Sie müssen dort unter unmenschlichen Bedingungen dunkle und oft heiße Schornsteine von innen mit ihren nackten Händen putzen. Weil die Arbeit so schwer und ungesund war, starben viele dieser Kinder an Krankheiten oder Unterernährung. Doch sie hielten zusammen und begannen sich gegen diese Ausbeutung zu wehren.

Titelauswahl

Vom Märchenerzählen im Volke / Tetzner, Lisa (Text) - Eugen Diederichs 1919. Buchvorstellungen: ()
Im Land der Industrie zwischen Rhein und Ruhr / Tetzner, Lisa (Text) - Eugen Diederichs 1923. Buchvorstellungen: ()
Aus Spielmannsfahrten und Wandertagen / Tetzner, Lisa (Text) - Eugen Diederichs 1923. Buchvorstellungen: ()
Vom Märchenbaum der Welt / Tetzner, Lisa (Text) - Büchergilde Gutenberg 1929. Buchvorstellungen: ()
Hans Urian. Die Geschichte einer Weltreise / Tetzner, Lisa (Text); Fuck, Bruno (Illu.) - Gundert 1931. Buchvorstellungen: ()
Erwin und Paul. Die Geschichte einer Freundschaft - Die Kinder aus Nr. 67 Bd. 1 / Tetzner, Lisa (Text) - Gundert 1933. Buchvorstellungen: ()
Was am See geschah. Die Geschichte von Rosmarin und Thymian / Tetzner, Lisa (Text); Harwerth, Willi (Illu.) - Herbert Stuffer 1935. Buchvorstellungen: ()
Die Reise nach Ostende / Tetzner, Lisa (Text); Binder, Walter (Illu.) - Sauerländer 1936. Buchvorstellungen: ()
Die schwarzen Brüder. Erlebnisse und Abenteuer eines kleinen Tessiners / Tetzner, Lisa (Text); Glinz, Theo (Illu.) - Sauerländer 1940. Buchvorstellungen: ()
Anselmo. Eine Geschichte aus dem Tessin / Tetzner, Lisa (Text) - Blaukreuz-Verlag 1943. Buchvorstellungen: ()
Erwin kommt nach Schweden - Die Kinder aus Nr. 67 Bd. 3 / Tetzner, Lisa (Text) - Sauerländer 1944. Buchvorstellungen: ()
Das Schiff ohne Hafen - Die Kinder aus Nr. 67 Bd. 4 / Tetzner, Lisa (Text) - Sauerländer 1944. Buchvorstellungen: ()
Die Kinder auf der Insel - Die Kinder aus Nr. 67 Bd. 5 / Tetzner, Lisa (Text) - Sauerländer 1944. Buchvorstellungen: ()
Mirjam in Amerika - Die Kinder aus Nr. 67 Bd. 6 / Tetzner, Lisa (Text) - Sauerländer 1945. Buchvorstellungen: ()
Ist Paul schuldig? - Die Kinder aus Nr. 67 Bd. 7 / Tetzner, Lisa (Text) - Sauerländer 1945. Buchvorstellungen: ()
Als ich wiederkam. Aus Erwins Tagebuch - Die Kinder aus Nr. 67 Bd. 8 / Tetzner, Lisa (Text) - Sauerländer 1946. Buchvorstellungen: ()
Das Mädchen aus dem Vorderhaus - Die Kinder aus Nr. 67 Bd. 2 / Tetzner, Lisa (Text) - Sauerländer 1947. Buchvorstellungen: ()
Dänische Märchen / Tetzner, Lisa (Text) - Müller & Kiepenheuer 1948. Buchvorstellungen: ()
Der neue Bund - Die Kinder aus Nr. 67 Bd. 9 / Tetzner, Lisa (Text) - Sauerländer 1949. Buchvorstellungen: ()
Wenn ich schön wäre. Ein Roman von jungen Menschen / Tetzner, Lisa (Text) - Herbert Stuffer 1956. Buchvorstellungen: ()
Das Mädchen in der Glaskutsche / Tetzner, Lisa (Text); Lemke, Horst (Illu.) - Cecile Dressler 1957. Buchvorstellungen: ()
Das Füchslein und der zornige Löwe. Tiermärchen aus aller Welt / Tetzner, Lisa (Text); Hoffmann, Felix (Illu.) - Sauerländer 1958. Buchvorstellungen: ()

http://de.wikipedia.org/wiki/Lisa_Tetzner