Witz


Über Witze allgemein

Gelehrte Männer haben sich todernste Gedanken darüber gemacht, was das sein könnte - ein Witz. Scharfsinn sei von Nöten, um Ähnlichkeiten in Sachverhalten zu entdecken, die eigentlich nicht zusammen gehören.
Verstanden? Macht nichts! In Studier- und Schreibstuben haben Witze eh nichts verloren. Erstens braucht man dafür komische Einfälle, zweitens werden Witze selten aufgeschrieben, sondern meist mündlich vorgetragen. Witze fühlen sich auf Häuserwänden und Kinderspielplätzen wohl, nicht in Bibliotheken. Im Schulpausenhof kursieren welche und in Kneipen werden die besseren auf Bierdeckel gekritzelt.
Von all diesen schönen Orten gelangen dann manche auf die Witzseite von Illustrierten und zuletzt in ein Witzbuch, mag sein, aber eigentlich kitzeln Witze das Bauchfell am fürchterlichsten, wenn sie im richtigen Moment mündlich serviert werden. Es gibt zwar einen festen Ablauf beim Erzählen, aber es gibt eben auch die Möglichkeit, denselben Witz so zu verändern, dass er zur Situation passt. Der tollpatschige Freund muss zum Beispiel als Witzfigur herhalten. Oder der Ort des Geschehens ist ein ganz bestimmter Ort, den alle Versammelten kennen.
In Witzen spielt bekanntlich die direkte Rede eine wichtige Rolle. Und es gibt kaum welche, in dem Fritzchen, das Häschen oder Klein-Erna nicht irgendeine dämliche Bemerkung machen.
Aber warum ist das so? Erraten?
Genau! Weil sich beim mündlichen Vortrag mit direkter Rede besser spielen lässt!
Das Häschen hat diesen kleinen „Haddu-schon“-Sprachfehler, Klein-Erna spricht in Hamburg Hamburger Dialekt und in München bayrisch. Eine sich überschlagende Stimme charakterisiert den Blödmann als besonders blödsinnig. Das schafft Abwechslung. Und nichts lieben die Freunde des leichten Witzes so sehr, wie gute Unterhaltung.
Außerdem ist da noch ein klitzekleiner Vorteil der direkten Rede, der nicht verschwiegen werden sollte. Wenn Fritzchen mal wieder Schimpf- oder Tabuworte im Mund führt, dann kann dem Witzeerzähler niemand an den Karren fahren. Denn Witze sind oft aus derbem Stoff. Was kann der Erzähler denn dafür, wenn Fritzchen das Unerlaubte tut und sagt: „Meine Mutter hat nicht mehr alle Tassen im Schrank und mein Vater hat 'nen Dachschaden.“
Im normalen Leben gibt das Ärger, in einem Witz ist es erlaubt. So klärt sich ganz nebenbei, warum Witze nicht in Ich-Form erzählt werden. Witzfiguren sprechen für uns. Denn in Witzen werden mit Absicht die Regeln verletzt. Und das sollen am Ende doch lieber andere für uns tun.

Gefährliche Witze

Wenn ein Mensch lacht, werden innerhalb der Gesichtsregion 17 und am ganzen Körper sogar 80 Muskeln betätigt. Die Augenbrauen heben sich, die Nasenlöcher weiten sich, der Jochbeinmuskel zieht die Mundwinkel nach oben, der Atem geht schneller, die Luft schießt mit bis zu 100 km/h durch die Lungen, die Stimmbänder geraten in Schwingung. Und endlich bricht es aus: das Lachen. Gesund ist das. Stärkt die Lungen. Wirkt wie Sport. Befreit den Kopf. Und genau darauf legen es Witze an.
Eigentlich müssten daher alle Menschen Witze mögen. Stimmt aber nicht. Es gibt und gab mächtige Feinde des Witzes. Herrscher und Glaubensgemeinschaften wie die christlichen Kirchen haben Witze zeitweise verboten, besonderes solche, in denen sie eine schlechte Figur machten. In dem Buch Der Name der Rose des italienischen Schriftstellers Umberto Eco geht der Hass eines Geistlichen auf das Lachen so weit, das er ein Buch über Komödien, die auch das Lachen herausfordern, vergiftet.
Noch heute fürchten Lehrer, über die es ganze Witzesammlungen gibt, zum Gespött der ganzen Klasse zu werden und drohen mit Klassenbucheinträgen. Witze sind spitze Waffen gegen Leute, die anderen sagen wollen, was sie zu tun haben. Die Könige im Mittelalter fürchteten Witze, wussten aber auch: werden Witze verboten, verwandeln sie sich in Flüsterwitze, aus dem lauten Lachen wird ein gefährliches, leises Kichern. Deshalb gab es den Narren am Hof des Königs, der die Aufgabe hatte, Witze zum Besten zu geben und zwar nur solche, die den König nicht lächerlich machten. Narren hatten einen riskanten Beruf.
Am einfachsten war und ist es bis heute, sich über diejenigen lustig zu machen, die schwächer sind als man selbst. Leute verhöhnen, die sich nicht wehren können, ist leicht. Ausländerwitze machen das zum Beispiel. Ein echter Narr aber gab und gibt sich mit solchen Peinlichkeiten nicht zufrieden, er greift mit Witzen auf freundliche Weise die Stärkeren an. Früher konnte ihn das den Kopf kosten, heute schlimmstenfalls den Arbeitsplatz.
Diese Sorte Witze nennt man politische Witze. Die Witzfiguren sind keine erfundenen Figuren, sondern aus Fleisch und Blut. Im Spott über Außenseiter bestätigt die Mehrheit ihre Überlegenheit. Im Spott über politische Machthaber entlädt sich die Unzufriedenheit der Menschen, die unter ihrer Herrschaft leiden. Und nicht immer muss es um die ganz Großen gehen, auch die kleinen Chefs stören sich an Witzen. Eltern zum Beispiel. Beim Abendbrot erzählt Papa vielleicht noch selber welche. Aber Witze als Gute-Nacht-Geschichten? Unmöglich. Der Befehl lautet schlafen, nicht lachen.

Dramaturgie des Witzes

Genau genommen werden Witze gar nicht erzählt, sie werden gerissen. Genau so wie Wölfe Schafe reißen. Es steckt viel Gewalt in Witzen, Sprachgewalt nämlich, und so steuert die kleine Erzählung zielstrebig auf einen unerwarteten Schlag oder Höhepunkt zu – die Pointe.
Die Pointe ist die Überraschung am Ende des Witzes, der Moment dem die Zuhörer entgegen fiebern – der zündende Einfall. Bum! Damit haben die Zuhörer nicht gerechnet. Gut! Statt Applaus erntet der Witzeerzähler Lachsalven! Bestens!
Witze sind nicht einfach Späße, auch wenn sie Spaß machen und keine Scherze, auch wenn sie scherzhaft gemeint sind. Denn Witze folgen einer Dramaturgie, steigern sich und gipfeln in einer Pointe. Die Pointe sorgt dafür, dass alles davor Gesagte, einen anderen Sinn bekommt. Darauf sind Späße und Scherze nicht angewiesen, sie leben von schlagfertigen Antworten und komischen Verhaltensweisen, die in ganz bestimmten Augenblicken des Lebens zum Lachen reizen.
Witze dagegen passen eigentlich in jede Tischgesellschaft und jede Geburtstagsfeier und lassen sich immer wieder erzählen. Die Zuhörer müssen aber vorher wissen, jetzt kommt ein Witz. Deshalb brauchen Witze neben der Pointe eine Einleitung. Das kann eine bekannte Witzfigur sein oder eine bestimmte Art, die Geschichte zu beginnen. So wie der Satzanfang „Es war einmal ...“ ein Märchen einleitet, folgt den Worten „Kennt ihr den schon ...“ mit Sicherheit ein Witz.

Ein wunderschöner Sonderfall des Witzes kommt übrigens allein mit Einleitung und Pointe aus: Der Kalauer oder Witzreim. Wer kalauert, packt einen witzigen Einfall kraft seiner Sprache blitzschnell in einen kurzen Reim. Ein Sonderfall ist er schon deshalb, weil er eher einem Gedicht ähnelt, als einer Geschichte, die ohne Mittelteil nicht kann.
Der Kalauer ist lange Zeit geschmäht worden, und es ist den Kindern dieser Welt zu verdanken, dass er trotzdem überlebt hat. In neuere Zeit ist er mit Rap und HipHop auf die großen Bühnen der Welt zurückgekehrt. Zwar spricht heute kein Mensch davon, dass er kalauert, sondern kündigt an, dass er gleich „freestylt.“ Aber sieht man einmal vom sprachlichen Rhythmus ab, der heutzutage eine größere Rolle spielt, funktionieren die schnellen Reime genauso wie die Kalauer mit der „Alle Kinder ...“-Einleitung. Der Reimende schwärmt entweder davon, wie toll er selber ist oder er lässt seiner Schadenfreude über das Unglück anderer freien Lauf - er „disst“ die anderen. Wer das nicht so ernst nimmt, und das empfiehlt sich bei Witzen immer, hat seinen Spaß damit.
„Alle Kinder ...“-Reime kennt ihr nicht? Dann spitzt die Ohren:
„Alle Kinder reimen blöde Witze, nur der Autor dieses Textes, der checkt es.“

http://de.wikipedia.org/wiki/Witz
http://www.blinde-kuh.de/witze/
http://www.kidsville.de/milchbar/lustiges/
http://www.labbe.de/zzzebra/index.asp?themaid=621&titelid=2798


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