Kinder schreiben für Kinder

Icy Angel - Prologue: Behind the endless Shadows

von Mello aka Chocolate Freak - So 18.09.2016

Wie, als würde eine winzige Glocke angeschlagen, brach seine Stimme die endlos andauernde Stille des unergründlichen Nichts. Seine Lippen formten nur ein einziges Wort:
„...Ja.“
Ihm war selbst nicht klar, wie er hierher gelangt war. Ihm schien es wie ein Traum, ein grausamer Traum, der ihn wie eine undurchdringliche, unsichtbare Mauer von der Realität trennte. Doch die Tatsache, dass er sich hier im Prinzip nirgendwo befand, war absolut real. Er hatte Angst. Unvorstellbare Angst. Und er konnte es nicht leugnen, auch, wenn er es sich nicht eingestehen wollte. Die dunkle Kreatur, die unter enormer Distanz vor ihm stand, leckte sich die blutbenetzten Lippen.
„...So? Du – oder besser gesagt, Ihr willigt also ein?“
Die Augen des Wesens waren unter einer schwarzen Augenbinde verborgen und der pechschwarze Umhang, der seinen Körper beinahe vollkommen einhüllte, schien ausschließlich aus Rabenfedern zu bestehen.
Der ziemlich mitgenommen aussehende Junge senkte den Blick, um das totenbleiche Gesicht seines Gegenübers nicht länger ansehen zu müssen. Er biss sich so stark auf die Unterlippe, dass die Abdrücke seiner Schneidezähne deutlich zu erkennen waren und die Wunde, die sich dort befand, von neuem zu bluten begann.
„...Wenn...Wenn ich einwillige...hat das dann...Auswirkungen auf mein späteres Leben...?“
Die Kreatur zog ihre rußschwarzen Augenbrauen hoch.
„...Auswirkungen?“
„Ich meine...wie sehr beeinflusst du mich...?“
Das breite, furchteinflößende Grinsen seines Gegenübers ließ seine schneeweißen Reißzähne noch länger wirken, als sie ohnehin schon waren.
„Ich beeinflusse Euch nicht, Herr.“
„...Das hast du...mir bereits erzählt...“, flüsterte er und war nicht besonders überrascht, dass die angsteinflößende Gestalt ihn am anderen Ende des Nichts problemlos verstehen konnte...genau so wie er selbst. Ein halbvergessener Gedanke drängte sich vor sein sich stetig fortsetzendes Trauma. Die scheinbar bodenlose Panik wurde zu einem dunklen, endlosen Tunnel, als ihm dämmerte, wo er sich befand. Nur hatte er sich diesen häufig erwähnten Ort von Grund auf anders vorgestellt. In den zahlreichen Überlieferungen wurde er als Feuergrube beschrieben, in dessen mordlustigen Flammen auch Luzifer verendet war, doch hier in dieser gähnenden Leere war weit und breit nichts von alledem zu sehen. Das Nichts, oder auch die Hölle genannt, hatte nicht einmal eine erkennbare Färbung. Es war eben einfach nichts. Der Verstand des gerade einmal dreizehnjährigen Jungen schien sich schmerzhaft langsam vollends in nicht vorhandene Materie aufzulösen. Sein Kopf pochte, er blutete an allen möglichen Körp
erstellen...und doch hatte er keine Schmerzen. Wie auch...schließlich lebte er nicht mehr.
„...Nun? Trefft Eure Entscheidung, junger Herr“, wisperte die Gestalt. Ihre Stimme schien unwirklich; unhörbar; nicht existent, wenn man es genau nehmen wollte, und doch konnte er sie genau vernehmen.
Ein letztes Mal benutzte er das einzelne Wort:
„...Ja.“
„So sei es!“, die Stimme des Schattenhaften glich nun dem Grollen einer Kirchenglocke. Das Wesen breitete so schlagartig die Arme aus, dass der Junge zurückstolperte und beinahe ins unendliche stürzte. Wenngleich die Kreatur zehn Meter von ihm entfernt war, konnte er sie so genau erkennen, als würde sie direkt vor ihm stehen. Er konnte alles erkennen; von der missglückten Stickerei in der Augenbinde, bis hin zu den einzelnen, silbernen Schnallen der nachtschwarzen Stiefel. Es schien alles nur wie der surreale Traum eines seelisch leidenden Kindes...Obwohl kein Wind wehte, schlug das lange, schwarze Haar um das Gesicht der Kreatur, der Federumhang plusterte sich auf...Und schon nach einigen Herzschlägen konnte der hilflose Junge vor lauter Rabenfedern nicht einmal mehr die Hand vor Augen sehen. Hingegen seiner Erwartungen war er noch bei vollem Bewusstsein, jedoch durchzuckte ein stechender Schmerz seine Glieder. Es arbeitete sich von seinen bloßen, wunden Füßen über seinen beinahe ze
rbrechlich wirkenden Körper, der mit nichts außer einem weißen, dreck- und blutverschmierten Nachthemd bekleidet war hinauf zu seinem blonden Kopf, dessen Mittelpunkt seine smaragdgrünen Augen bildeten. Wie Gift fühlte es sich an...Tödliches Gift, dass ihm gegen seinen Willen eingeflößt wurde, obwohl er sich bewusst darauf eingelassen hatte. Das war der Preis, den er nun zahlen musste...zu einem Moment, in dem ihm vor seinen Augen alles genommen wurde. Ausnahmslos alles. Unwiderruflich. Er ertrug den Schmerz nicht lange und sank auf dem dichten, schwarzen Federteppich zusammen. Die Augen halb geöffnet, seinen starken Willen beibehaltend. Nur einen Satz in seinem Kopf:
„Der Vertrag ist besiegelt.“
Das letzte, was er vernahm, war ein zufriedenes, dunkles Kichern...Begleitet von einer vertrauten, rauen Stimme, die ihm die Gewissheit gab, nicht länger in diesem leeren Paralleluniversum ausharren zu müssen:
„Yes, young Lord.“