Kinder schreiben für Kinder

'Irgendwo, wo es anders ist' - Eine Fantasy-Geschichte

von Eva-Sofie (13 Jahre) - Fr 23.10.2009

Hallo. Ich möchte dir ein Abenteuer erzählen. Ein Abenteuer, das unvergesslich ist.

Um dieses Abenteuer überhaupt zu erleben, musste ich ziemlich weit weg.
Ach, wo habe ich denn meine Manieren verloren? Ich heiße Sabrina. Wenn man mich auf einem Bild malen müsste, dann hätte ich braune Haare, blaue Augen und ich wäre vierzehn Jahre alt.
Wie dem auch sei, willst du jetzt eine Geschichte lesen, die dir das ein oder andere Mal etwas seltsam vorkommen wird? Na schön. Dann solltest du dich jetzt irgendwo hinsetzen oder hinlegen, um meine Geschichte zu lesen? 

Irgendwo, wo es anders ist

An einem Mittwochmorgen saß ich wartend auf einer Bank auf unserem Schulhof. Es waren noch fünf Minuten bis zum Schulanfang. O nein! Ich sah die schlimmsten Schüler unseres Jahrgangs auf mich zukommen. Der so genannte Anführer hieß Jack Braun. Wie das in den meisten Büchern so ist, sind Schläger nie gut in der Schule. Und genau so ist es auch hier.
Jack schreibt zwar keine guten Noten, doch am Ende des Schuljahres schafft er es gerade noch eine Klasse weiter.
Nummer zwei ist Jenny Stein. Eigentlich heißt sie Jennifer- Marianne Stein. Aber weil sie ihren Namen hasst, will sie nur Jenny genannt werden. Auch sie schafft es trotz schlechter Noten immer und immer wieder in die nächste Klasse versetzt zu werden. Und nun kommen wir zum letzten Schläger. Er heißt Dennis Sonne. Er wird aber von jedem Schüler nur schwarzer Teufel genannt. Warum das so ist, weiß ich nicht.
Aber nun will ich mal weiter erzählen. Sie kamen auf mich zu, bauten sich vor mir auf und Jack sagte mit stolzem Blick: "Na du Streber? Wo ist denn dein Frühstück?"
"Ich werde es dir garantiert nicht geben!", rief ich tapfer.
Dann schnippte Jack mit den Fingern und Jenny und Dennis packten mich, der eine rechts, die andere links, an den Armen und schüttelten mich heftig hin und her. In der Zwischenzeit hatte sich Jack meinen Rucksack gegriffen und durchwühlte ihn. Alles, was ihm in den Weg kam, warf er kurzerhand aus meinem Rucksack. Als er endlich mein Brot fand, ließ er den Rucksack fallen und nickte seinen Kumpanen zu. Die ließen meine Arme los. Dennis nahm meinen bemitleidenswerten Rucksack und warf ihn in eine Mülltonne. Jenny schuppte mich, sodass ich hinfiel und mitten in einer Pfütze landete. Das gellende Lachen von Jack und Dennis ließ mir Tränen in die Augen schießen. "Wehe du sagst etwas!", drohte Jenny.
Ich hatte mich noch nie so sehr gefreut, das Klingeln der Schulglocke zuhören. Jack warf mir den Rest von meinem Brot vor die Füße und sie rannten lachend ins Schulgebäude. Ich musste meinen Rucksack aus dem Müll fischen, meine Schulbücher und Hefte einsammeln und ging mit einem traurigen Seufzer in die Schule.
In der ersten Stunde setzte ich mich an meinen Tisch, der in der zweiten Reihe stand. Neben mir saß niemand. Ich musste alleine sitzen, weil ich in dieser Klasse gehasst werde. Und zwar nur, weil ich immer die Klassenbeste bin. Die anderen Schüler haben Angst, dass sie auch als Streber und Schleimer gelten, wenn sie mit mir rumhängen. Darum bin ich das Mobbingopfer in der Klasse. Und das schlimme ist, dass ich nichts sagen kann, weil die mich dann noch mehr ärgern als je zuvor! Jedenfalls begann ich die Deutschsachen heraus zuholen und sie auch etwas zu säubern. Dann wartete ich darauf, dass sich die Tür öffnen würde und dass Frau Kleister, unsere Klassenlehrerin, in den Raum spazieren würde.
Aber alles was ich hörte, war das Geschrei der Jungen. Die Mädchen versuchten, die sich prügelnden Jungs auseinander zubringen, was allerdings vergeblich war.
Nach ein paar Minuten kam endlich Frau Kleister in den Raum. Sie ist eine große Frau mit roten Haaren und einer großen, gelben Brille. Ihr rosa Lippenstift passte zwar ganz und gar nicht zu ihrem grünen Rock und den braunen Pradastiefeln, aber so beweist sie eben, dass sie einen ganz eigenen Stil hat. Sie sah gut gelaunt aus. Alle wurden still und eilten zu ihren Plätzen, um schnell das Nötigste an Deutschsachen heraus zuholen. Frau Kleister klatschte in die Hände und alle erhoben sich.
"Guten Morgen, meine Lieben!"
"Guten Morgen, Frau Kleister!" Alle setzten sich.
Frau Kleister holte dreißig Hefte aus ihrer braunen D&G- Tasche.
"So, ich habe eure Arbeiten korrigiert. Sie sind ganz akzeptabel!", meinte Frau Kleister.
Ich muss dir kurz was zu der Arbeit erklären. Wir hatten diese Arbeit am vergangenen Freitag geschrieben. Die Arbeiten wurden von Wissenschaftlern gelesen. Und wer die beste Arbeit geschrieben hat, hat den Weltraumwettbewerb gewonnen. Der Wettbewerb war zwar nur in unserer Klasse, aber egal. Als Frau Kleister den Klassenspiegel angeschrieben hatte, teilte sie die Arbeiten aus.
"Sabrina hat wie immer die beste Arbeit geschrieben. Nehmt euch an ihr ein Beispiel! Sehr schön, Sabrina", sagte Frau Kleister.
Ich nahm meine Einsplus an mich und spürte die vernichtenden Blicke meiner Mitschüler im Rücken.
"Jack! Du musst mehr üben! Das ist ja katastrophal!"
Du solltest dich daran gewöhnen, dass meine vierzigjährige Lehrerin immer so redet. Zu Jenny bemerkte sie: "Das gleiche gilt für dich! Ich hätte wirklich mehr als eine lumpige Fünf erwartet, meine Liebe!" Und Dennis musste sich auch noch seinen Tadel abholen: "Das ist jetzt deine zweite Vierminus. So geht das nicht, Dennis!"
Fassungslos bohrten sich die Blicke der drei Schläger in mein Arbeitsheft. Ich dachte nur: Das gibt Prügel!
Frau Kleister stand nun wieder vor dem Pult. "Ich möchte jetzt den Gewinner des Wettbewerbes bekannt geben. Es ist natürlich Sabrina!"
Niemand klatschte. "Und den Preis den sie gewonnen hat, werde ich nun auch bekannt geben. Also, sie darf sich einen Klassenkamerad oder eine Klassenkameradin aussuchen. Die Beiden werden dann für eine ganze Woche ins Weltall fliegen!" verkündete Frau Kleister.
Ich schlug die Hände vor mein Gesicht und atmete tief durch. Nun hörte man das aufgeregte Getuschel der letzten Reihen. Alle redeten, schauten dann kurz zu mir und besprachen weiter, was wohl jetzt passieren würde. Ich wusste noch nicht, dass mich dieser Wettbewerb in eine große Gefahr gebracht hatte. Eine Gefahr, von der niemand etwas ahnte. "Sabrina muss sich leider schon sehr schnell entscheiden. Bis Freitag muss ich die Namen der Schüler einreichen", mahnte mich Frau Kleister.
Das war mit Abstand das Schlimmste, was mir jemals passieren kann.

In der Pause setzte ich mich erst Mal auf die Bank, auf der ich heute Morgen den Ärger hatte. Ich saß da und überlegte. Tausend Fragen schwirrten durch meinen Kopf, wie ein riesiger Bienenschwarm: Wieso ich? Wieso muss ich einen Kameraden mitnehmen? Wieso ausgerechnet ins Weltall? Und warum eine ganze Woche? Und noch viele, viele andere Fragen tauchten in meinem Gehirn auf. Doch meine Gedanken wurden schon sehr bald unterbrochen. Meine komplette Klasse, bis auf Jack, Jenny und Dennis, kamen angestürmt.
Sie fingen an, auf mich einzureden: "Nimm mich doch mit!" "Nein, mich! Ich gib dir mein ganzes Taschengeld!" Und so weiter. Manche drohten mir sogar damit, dass sie ihre Eltern anschleppen würden, wenn ich den oder die nicht mitnehmen würde. Ich allerdings saß nur da und starrte ins Leere. Doch dann hatten wir Kunst.

Unser Thema in Kunst war: Zeichne möglichst lebensecht einen Baum. Total interessant, nicht war? Doch während alle anderen noch an ihren Skizzen rumhantierten, war ich bereits fast mit dem Schraffieren des Baumes fertig. Allerdings war ich nicht so konzentriert wie sonst. Diese blöde Wettbewerbgeschichte hing mir im Kopf rum, wie ein zähes, klebriges Spinnennetz. Ich überlegte die ganze Zeit, wen ich mitnehmen sollte. Sarah? Nein, zu eingebildet! Tom? Nein, zu angeberisch! Nach fast zwanzig Minuten wurde mir klar: Niemand kam in Frage!
Ich brauchte Hilfe. Gott sei Dank hatten wir auch Frau Kleister in Kunst. Also legte ich meinen Bleistift zur Seite und ging nach vorne zum Pult, wo Frau Kleister gerade versuchte, Paul jetzt das dritte Mal zu erklären, wie er den Baum malen soll: "Ach, Paul. Wie oft denn noch? Ein Baum ist nicht glatt, sondern er hat eine Rinde. Und die sollst du malen, okay? Dann setz dich wieder hin und mach das, was ich dir gesagt habe. Oh! Sabrina, bist du schon fertig?" "Nein, es ist nur so: Ich weiß nicht, wen ich mir aussuchen soll. Alle wollen mitkommen, aber ich kann ja nur einen mitnehmen. Und da wollte ich Sie um Hilfe bitten", antwortete ich leise.
Frau Kleister schien kurz nachzudenken, doch dann zeigte sie mir durch eine Handbewegung, dass ich mich wieder hinsetzen sollte. Ich begab mich schnell zu meinem Platz und setzte mich hin. Frau Kleister klatschte, wie immer, in die Hände und rief: "Seid mal bitte alle leise und legt mal bitte den Stift aus der Hand. Zumindest erst Mal. Also, da sich Sabrina nicht entscheiden kann, wen sie mit ins Weltall nehmen soll, tun wir das jetzt gemeinsam." Ich merkte, wie mein Kopf heiß wurde. Das bedeutet, dass ich knallrot wurde. Ich kann ja auch nichts dafür, aber so was ist mir manchmal peinlich! Aus einem Schrank, der hinten im Klassenraum stand, holte Frau Kleister die so genannte DoseŽ. Die Dose war mit dunkelblauem Krepppapier umhüllt und hatte einen schwarzen Deckel.
"Einer muss gleich die Wahlzettel verteilen und einer muss auch noch mit der Dose herum gehen", bestimmte Frau Kleister.
Als endlich alle, außer mir, ihren Namen auf einen der Zettel geschrieben hatten, wurde er vier Mal gefaltet und als Paul mit der Dose rum ging, wurden sie hinein geworfen. Ich habe mal einige Schüler beobachtet, viele waren sehr nervös. Paul stellte die Dose auf das Pult. Er eilte zu seinem Platz um sich zusetzen. Dann wurde es still. Ziemlich still. Totenstill. Das einzige, was zuhören war, war erstens das Schütteln der Dose und zweitens das aufgeregte Atmen der Schüler. Als Frau Kleister fertig geschüttelt hatte, kam sie zu mir und stellte mir die Dose auf den Tisch. Sie sprach: "Die Zettel sind gut vermischt. So, Sabrina. Gutes Gelingen!" Ich betrachtete eine Weile die Dose und öffnete sie schließlich. Alle brüllten auf einmal, dass ich sie ziehen sollte.
"Seit gefälligst leise!" befahl Frau Kleister genervt.
Als es dann endlich wieder leise wurde, wollte ich meine Hand in die Dose stecken. Doch ich stockte und überlegte mir, wen ich wohl ziehen würde. Doch dann kam mir der Gedanke albern vor. Dann verschwand meine Hand in dem weißen Zettelmeer. Ich wühlte ein wenig zwischen den Papieren herum. Dann fühlte ich, und ergriff einen Zettel. Ich holte ihn heraus. Wieder ein lautes Murmeln.
"Psst!" sagte Frau Kleister gespannt. Ich schielte noch einmal in die Klasse. Alle, wirklich alle starrten mich an. In den Gesichtern konnte ich Angst, Verzweiflung und Spannung deuten. Ich atmete tief ein und begann endlich den Zettel zu entfalten. Der Name, der sich nun mit einem schwarzen Stift geschrieben auf dem Wahlzettel stand, war Dennis.

Wir hatten Schule aus. Nach der sechsten Stunde fingen mich Jack und seine Truppe vor dem Hoftor ab: "So, jetzt bist du dran!"
Jack wollte mich am Arm packen, doch da riss ich mich los und rannte, so schnell ich konnte zur Bushaltestelle. Jack, Jenny und Dennis folgten mir. Jenny hatte mich schließlich eingeholt. Wir waren kurz vor der Bushaltestelle und Jenny stieß mich so an, dass ich hin fiel. Doch keiner der vielen, fein angezogenen Geschäftsmännern hatte das bemerkt. Ich hatte mir das Knie aufgeschürft.
Jenny zerrte mich hoch und wollte mir eine Ohrfeige geben, da duckte ich mich schnell und Jenny schlug gegen die Eisenstange, an dessen Ende das Busschild hing. Jenny schrie kurz auf und hielt sich die rote Hand. Da kamen auch schon Jack und Dennis herbei. Ich hatte Glück, denn der Bus kam gerade und öffnete mit einem lauten Zischen die Türen. Ich stieg schleunigst ein. Jack rannte mir hinterher, doch da schlossen sich die Türen. Jack rannte gegen die Tür. Jack fasste sich an seine blutende Nase und ich sah noch, wie er mir mit wutverzerrtem Gesicht hinterher schrie, was ich allerdings nicht mehr verstand, weil der Bus abfuhr.
Ich setzte mich auf den einzigen freien Platz, der noch da war. Die dicke Frau neben mir ächzte und wischte sich mit einem gelblichen Taschentuch den Schweiß von der Stirn. Ein Kontrolleur ging durch die Reihen. Ich griff meinen Schülerausweis und mein Schokoticket. Ein Junge, der hinter mir saß, fluchte leise. Der Kontrolleur schüttelte den Kopf und mahnte ihn, bei der nächsten Haltestelle auszusteigen.
Er kam zu mir und ich zeigte ihm mein Ticket und meinen Schülerausweis. Er nickte und sah die Dicke neben mir an. Diese stöhnte mit einer tiefen Stimme: "Ja, Moment noch!"
Als die Frau endlich ihr zerknittertes Ticket herausgeholt hatte, ging der Kontrolleur weiter. Nun musste ich aussteigen. Der Junge, der hinter mir gesessen hatte, stellte sich auch an die Tür. Der Wagen hielt, wir beide stiegen aus. Der Junge ging in eine andere Richtung als ich. Gut so. Erst als ich in unsere Straße einbog, wurde mir klar, was für ein Glück ich gehabt hatte.

Zuhause angekommen: "Hallo, ich bin da!"
"Okay, Schatz. Komm doch dann in die Küche!" rief meine Mutter fröhlich. Ich lief die hässlichen, grauen Marmortreppenstufen hoch, um in mein Zimmer zukommen. Mein Zimmer war so klein, dass höchstens ein Nilpferd reinpassen würde. Ich hatte ja auch nur einen Schrank, einen Schreibtisch und ein Bett mit einem Nachttisch. Das war alles.
Ich legte meinen Rucksack neben die Tür und kramte noch die Formulare für das Weltall und meine Deutscharbeit heraus, lief dann aber wieder hinunter. Unser Haus war zwar klein, aber es war auch gemütlich. Alles war schön, nur die hässliche Treppe war doof. Als ich in der Küche ankam, nahm ich als erstes den üblen Geruch von dem so genannten Essen wahr, das auf dem Tisch stand. Es war Linsensuppe. Meine Mutter stand noch am Herd und machte mein besonderes Essen, weil ich Linsensuppe nicht anrühre. Mein Vater saß am Tisch und las Zeitung. "Was gibt es heute?" fragte ich.
Mein Vater antwortete: "Für dich gibt es Kohlrouladen mit Speck, für uns Linsensuppe."
Ich hasse Kohlrouladen. Ich hasse überhaupt das Essen, was meine Mutter zubereitet. "Oh, Sabrina! Mein Schatzi, Engelchen, was hast du denn da am Knie gemacht?" fragte meine Mutter besorgt.
Ich sage dir direkt etwas zu meiner Mutter: Sie ist so eine typische Mutter, die ihre Kinder zuhause lässt, wenn sie auch nur den Ansatz von Kopfschmerzen haben. Sie liebt die Farbe rosa und heult bei Liebesromanen. Und das schlimmste ist, dass sie ihre einzige Tochter immer mit Engelchen, Schatz oder Goldherzchen anspricht. Jedenfalls antwortete ich gelassen: "Ach, ich bin nur hingefallen."
Meine Mutter drehte sich wieder um. "Aber, ich muss dir hier was zeigen!" sagte ich und legte meine Deutscharbeit und die Papiere auf den Tisch. Ich erzählte, was geschehen war.
Meine Mutter hatte gerade alles durchgelesen, da sagte mein Vater:
"Ja, klar darfst du ins Weltall fliegen!"
Meine Mutter sagte gar nichts und stellte den heißen Topf, in welchem sich die grünbraune Pampe befand, auf den Tisch.
Mein Vater rief: "Rico, komm bitte zum Essen!"
So jetzt fragst du dich wahrscheinlich, wer Rico ist. Rico ist mein zwei Jahre älterer Bruder. Zumindest steht das in der Geburtsurkunde und meine Eltern sagen das auch.
Er hat dunkelblonde Haare und hellblaue Augen. Sein Markenzeichen: Ist immer schwarz angezogen und ständig genervt. So wie damals: "So, was gibt es denn heute wieder für einen Schweinedreck?" meckerte er.
Mein Vater schimpfte empört: "Rico! Ich will nicht, dass du so redest, klar?" "Was? Ist doch so. Und außerdem, Papa. Sei mal ein bisschen lockerer!" meinte Rico.
Ich kann nur sagen: Pubertät!

Nach dem Essen, das mal ausnahmsweise keinen Würgreiz ausgelöst hatte, ging ich raus. Heute hatten wir keine Hausaufgaben auf, also bleibt viel Zeit, das Haus zu verlassen und in unseren Vorgarten zu gehen. Unser Vorgarten war schön. Viele, bunte Blumen und große Brombeerbüsche schmückten den Anblick unseres Hauses.
Doch gerade, als ich durch unser Gartentor gehen wollte, sah ich am Ende der Straße drei Gestalten näher kommen. Ich erkannte sofort die wütenden Gesichter von Jack, Jenny und Dennis. Sie suchten anscheinend nach etwas. Besser gesagt, nach mir! Eigentlich hätte ich ins Haus zurückgehen können, aber wie das in solchen Szenen immer ist, tut man es in solchen Momenten nicht. Stattdessen versteckte ich mich hinter einem der großen Büsche in unserem Vorgarten. Ich hatte Glück, denn die drei hatten mich noch nicht gesehen. Trotzdem kamen sie durchs Tor geschritten. Die drei schauten sich um.
Da! Ein Stock knackte. Da blickte Dennis zum Busch, hinter dem ich saß. Mein Herz pochte so laut, dass ich Angst bekam, es könnte mich verraten. Doch da bewegte sich an einem anderen Busch etwas heftig. Ich nutzte die Gelegenheit, um zu fliehen. Ich sprang aus meinem Versteck und rannte aus dem Garten. Ich lief die Straße entlang, an der Bushaltestelle vorbei. Leider waren mir die drei Schläger gefolgt. Ich rannte so schnell es nur ging und kam am Marktplatz an. Ich verschwand im Getümmel. Das verschaffte mir einen kleinen Vorsprung. Ich sprang zwischen den Buden und Ständen umher, stieß gegen Leute, stolperte über Hunde und Pflastersteine. Als ich aus dem Getümmel heraus kam, ging es schnell weiter in die prunkvolle Kastanienallee. Hier waren nur große Herrenhäuser mit Pool und allem drum und dran. Von der Kastanienallee ging es weiter bis zum Wald.
Kurz vor den ersten Bäumen hielt mich jemand am Pullover fest. Es war Jack. Die anderen waren noch nicht in Sicht. Ich rannte aber weiter und Jack stolperte und schlug sich das Knie an den scharfen Steinen auf.
Ich starrte direkt in Jacks wütendes Gesicht, auf dessen Nase ein weißes Pflaster klebte. Doch nun veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Nun umklammerte Jack schmerzerfüllt sein blutendes Bein. Da kam Jenny mit Dennis angelaufen. Ich musste Jack liegen lassen.
Dafür blieb Jenny bei Jack und Dennis folgte mir. Keuchend kam ich im Wald an. Dort sprang ich über einen breiten Bach und entschwand zwischen den Bäumen. Dennis hatte mich verloren. Ich versteckte mich hinter einem dicken Baum und hörte Dennis rufen: "Scheiße!"
Als ich ihn nicht mehr fluchen hörte, rannte ich weiter. Ich fragte mich, wieso ich noch renne, aber ich wollte so schnell wie möglich zum Ziel kommen.
Endlich! Ich war da. An meinem versteckten Baumhaus. Papa hatte es einmal für mich gebaut. Rico wollte nie hier hin. Er fand schon früher so etwas albern. Aber ich fand es, bis heute noch, toll da oben. So ruhig, so friedlich. Über eine lange Leiter kam man nach oben. Das Baumhaus war relativ groß. Es hatte eine kleine Terrasse und einen kleinen Raum mit Dach. Ich kletterte vorsichtig die Leiter hoch. Ich war lange nicht mehr dort und die Leiter war schon etwas morsch. Als ich oben war ging ich als erstes hinein. Was ich alles fand: Eine alte Porzelanpuppe, mein Plastikteeservice, eine leicht rostige Liege, meinen alten Stofflöwen und noch vieles mehr. Ich trug die Liege auf den Balkon und legte mich darauf. Es knarrte zwar ein bisschen, aber es brach nicht zusammen. So lag ich da. Es war schön, dort zu liegen. Die Vögel zwitscherten und nur ein paar, dünne Sonnenstrahlen brachen durch das dichte Blätterdach hindurch. Dort oben war ich dann den ganzen Tag, um die vielen Ereignisse, deren Zeugin ich damals geworden war, zu verdauen. Erst um sechs Uhr abends trat ich den Heimweg an.
In der Nacht lag ich in meinem Bett, in meine Decke gekuschelt, und betrachtete noch ein wenig den Vollmond, de gerade aufging.

Der Tag war gekommen. Der Tag, an dem sich mein ganzes Leben für immer verändern würde. Mein Vater packte gerade die Koffer ins Auto, als ich aus der Haustür trat. Schon am Tag zuvor hatte ich mir eine Liste gemacht, was ich alles mitnehmen wollte.
Im Laufe der Zeit wirst du noch erfahren, was ich so mitgenommen habe. Aber alles zu seiner Zeit! Meine Mutter putzte sich die Nase und Rico saß schon im Auto. Ich schaute mir noch einmal unser kleines Haus an. Ich war sehr traurig, dass ich es für eine ganze Woche verlassen musste. Ich ahnte nicht, dass es das letzte Mal sein würde, dass ich unser Haus in diesem Zustand sah.
Koffer ins Auto, Tür zu und los zum Flughafen. Es ging los. Nach ungefähr einer halben Stunde waren wir endlich da. Ich sage endlich, weil Rico die ganze Fahrt über nur gemeckert hat. Während ich dann aus dem Auto ausstieg, schleppten Rico und mein Vater die Koffer aus dem kleinen Kofferraum unseres Autos. Meine Mutter ging mit mir zum roten Teppich. Na ja, nicht ganz, denn der rote Teppich hatte auch noch viele, kleine, weiße Sterne darauf gedruckt. Auch dem schwarzen Teufel gebührte die Ehre, hier entlang zu laufen. An den Seiten des Teppichs waren Absperrungen, damit uns die Reporter und Journalisten nicht überrannten. Hier und da waren Blitzlichter, da und dort Kameras vom Fernsehen. Mir wurde ein kleines bisschen schwindelig von dem ganzen Licht.
Am Ende des Teppichs standen schon Dennis und seine Eltern. Und natürlich das Raumschiff. Es war eine große, dicke Rakete mit einer eisernen Tür. Die Rakete hieß Venus. Nachdem Papa und Rico mein Gepäck in die Venus gebracht hatten, war der Abschied gekommen.
"Ach Hasi, Schätzchen! Ich wünsche dir trotz der schweren Trennung doch ganz viel Spaß. Bitte Schnucki, Kleines, pass gut auf dich auf, ja?" schluchzte meine Mutter und drückte mich ganz fest an sich.
Danach war Papa dran: "So Sabrina. Denk an das was dir die Raumfahrer beigebracht haben, okay?"
"Ja, Papa", antwortete ich.
"Schön. Mach keinen Unsinn! Und wenn du mal in Not bist, dann musst du mit diesem Dennis zusammenarbeiten! In einer Notsituation musst du ihm und vor allem dir selbst vertrauen. Dann ist selbst die größte Gefahr ein Kinderspiel So, es wird Zeit. Du musst jetzt los. Machs gut, Kleines!" rief mein Vater.
Mein Vater ist echt klasse. Er nimmt alles immer total locker! Jedenfalls stieg ich die Stahltreppe hoch und bevor ich einstieg, warf ich noch mal einen letzten Blick auf meine Familie. Jetzt erst bemerkte ich, dass meine ganze Klasse da stand. Sie schauten nur zu, wie das hier ablaufen würde. Doch dann stieg ich endlich ein.
Ich setzte mich auf einen Sitz. Ich war der Hauptpilot. Dennis war nur der Handlanger. Dennis saß bereits neben mir. Ich schnallte mich an und stellte den Sitz in die richtige Position. Vorher hatten wir ein bisschen Unterricht von Raumfahrern bekommen, sodass Dennis und ich wussten, was wir hier zutun hatten. Ich sah aus dem Fenster. Ich sah meine Familie. Meine Mutter heulte immer noch und mein Vater hielt sie im Arm. Er zwinkerte mir zuversichtlich zu. Meine Mutter weinte, die Mutter von Dennis heulte und, kaum zu glauben, sogar Rico flossen ein paar ganz kleine Tränen aus den Augen. Als ich alle so heulen und schluchzen sah, war ich ebenfalls kurz davor in einen Heulkrampf auszubrechen. Ich war kurz davor zu heulen, da legte mir Dennis plötzlich seine Hand auf meine Schulter. Er sprach tröstend: "Hey, du brauchst doch nicht zuweinen. Du siehst deine Familie doch wieder, oder?"
Ich antwortete, mir die Tränen wegwischend: "Ach, du hast ja recht! Ich sehe sie wieder und deswegen brauch ich auch nicht zuheulen!"
"Ehm Sabrina? Wegen, also dass Jenny, Jack und ich dich immer ärgern, das, das tut mir leid. Es ist nur so, alle haben Angst, dass wenn sie mit dir rumhängen, dass sie dann auch die Dummen sind. So geht es eigentlich allen, ich will nur, dass du das weißt!" erklärte Dennis.
Ich nickte verständnisvoll. Er schaute erleichtert nach vorne. Ich seufzte und drückte den Startknopf. Nachdem ich das getan hatte, zog ich das Lenkrad zu mir, sodass es kurz KlickŽ machte. Nun musste Dennis einen roten Hebel nach vorne schieben und vier Knöpfe drücken. Dann holte ich tief Luft und drückte das Lenkrad nach vorne.
In Zeitlupentempo starteten wir, doch dann ging es rasend schnell nach oben. Mir drehte sich der Magen um, als wir so vor uns her flogen. Durch die riesige Windschutzscheibe sah ich, wie wir an Flugzeugen, Vögeln und Zeppelinen vorbei flogen. Doch dann waren auf einmal nur noch Wolken vor uns, die sich dann allerdings immer mehr und mehr verzogen. Alles was ich sah, war weißer Nebel. Doch nach einem heftigen Ruck, sah ich nur noch etwas Schwarzes und viele, viele weiße Punkte. Richtig, Dennis und ich waren im Weltall. Ich muss zugeben, dass mich dieses schwarze Nichts schon sehr faszinierte. Ich kann schlecht beschreiben, wieso so ich davon so fasziniert war, aber in diesem Moment klappte mir einfach der Unterkiefer herunter und ich konnte nur noch sagen: "Wow!"
Wir konnten in der Ferne die Sonne sehen und ich rief: "Dennis, sie dir das mal an!"
Dennis war aufgestanden. Er zog sich seinen Raumanzug an.
"Hey! Wir haben doch abgemacht, dass wir uns alles zusammen ansehen wollten", rief ich empört.
Dennis sagte aber nur: "Sei kein Baby, Sabrina! Also gut, beeil dich aber." Nach fünf Minuten hatte ich das unbequeme Zeug an. Sauerstoffvorrat prüfen, Helm auf, Tür aufmachen und ab geht's!
Na ja, erst später, denn zu Anfang kam ich gar nicht voran. Ich versuchte schnell und langsam zu gehen, ich versuchte es auf allen Vieren und noch vieles mehr. Als allerletzten Ausweg, der zwar total bescheuert war, sah ich nur noch eine Lösung: Schwimmen. Also, Armzug, Beinschlag, Armzug, Beinschlag, Armzug und noch mal Beinschlag.
Ich sang dazu: "Einfach Schwimmen, schwimmen, schwimmen. Einfach schwimmen, schwimmen, schwimmen."
Als ich in der Nähe von Dennis war, erblickte ich gerade die Erde. Begeistert wollte ich sie Dennis zeigen, doch Dennis hörte mich gar nicht! Also schwamm ich zu ihm hin. Er sah sich konzentriert den Mond an.
"Dennis? Was ist denn bitte am Mond so toll?" fragte ich entrüstet.
"Da ist eine Station! Sieh mal, da hinten." antwortete Dennis.
Ich entgegnete: "Ach Dennis! Na und? Dann ist da eben eine dumme
Station. Willst du dir nicht lieber die Erde ansehen?"
Keine Antwort. Ich verstand ehrlich nicht, was am Mond so toll sein sollte. Ich wollte gerade zu einem Satz ansetzen, da zog etwas an meinem Hals. Die Sauerstoffflaschen waren mit einem dicken Schlauch am Raumschiff befestigt. "Dennis! Hilfe!" schrie ich.
Dennis kam sofort an und hielt mich an meinem Handgelenk fest. Langsam ging mir die Luft aus. Ich wurde knallrot, wegen dem Luftmangel. Doch dann riss der Schlauch.
Jetzt war alles vorbei und die Sauerstoffflaschen lösten sich. Nun bekam ich gar keine Luft mehr. Ich griff mir an den Hals, weil der Druck immer höher wurde. Doch Dennis zog mich schnell zum Raumschiff. Langsam wurde alles pechschwarz vor meinen Augen. Ich sah nun nur noch alles verschleiert. Ich hörte, wie etwas knarrend aufgemacht wurde und ich knallte auf einen harten Metallboden.

Mitten in der Nacht wurde ich von einem kratzendem Geräusch geweckt. Mir brummte mein Schädel, als ob ein großer Hammer mir gegen die Schläfen schlagen würde. Als ich aufstand, taumelte ich. Mir war schwindelig. Nur langsam nahm ich meine Umgebung wahr. Ich war in unserem Raumschiff.
Da auf dem Sessel lag noch die Chipstüte, die Dennis kurz nach unserem Start leer gefuttert hatte. Oder? Da, schon wieder! An der Tür war jemand. Die Tür musst du dir so vorstellen, dass man sie, wie bei einer Zugbrücke, herunterlassen kann. Der kleine Unterschied ist aber, dass man sie auch noch zur Seite schieben kann und dass sie aus Eisen ist. Schon wieder kratzte und knirschte es so, dass Dennis aufwachte und aus seinem kleinen Zimmer kam. Als Dennis das Geräusch hörte, war er hellwach und kam zur Tür. Wir beide standen nun zwei Meter von der Tür entfernt. Auf einmal ging das Licht aus. Eine gruselige Dunkelheit. Selbst das Mondlicht, das zum Fenster herein schien, konnte den Raum nicht erhellen, was ich ziemlich merkwürdig fand.
Die Tür krachte auf und eine kalte, blaue Nebelschwade kam auf uns zu. Mir lief ein eiskalter Schauer über den Rücken, als ich ein schleimiges Geräusch hörte. Ein leises, heiseres Atmen war zuhören. Dennis stotterte: "Sabrina, wo?" Dennis Satz wurde abgehackt und der Nebel verzog sich.
Mit einem lauten Krachen fiel die Tür zu. Ich stand wie angewurzelt da. Aber nur für zwei Sekunden!
Da es immer noch stockfinster war, tastete ich ängstlich nach einem Lichtschalter. Unter meinen zitternden Fingern spürte ich einen Knopf, betätigte ihn und es wurde hell. Ich schlug mir die Hand vor die Augen, stolperte rückwärts über einen Stuhl und fiel hin. Dann saß ich da und guckte dumm aus der Wäsche. Ich rappelte mich auf und blinzelte. Nun gewöhnten sich meine Augen allmählich an das Licht. Es war zwar hell aber ich konnte Dennis nicht sehen. Wo war er nur? Zumindest nicht hier. Nach einigen Minuten begann ich meinen Raumanzug anzuziehen. Ich wusste, dass hier irgendetwas nicht stimmte. Ich musste Dennis finden. Und ich wusste auch schon, wo ich ihn zuerst suchen würde. Auf dem Mond!
Ich nahm meinen Rucksack und steckte ein Taschenmesser, Taschenlampen, etwas Essen und Öl ein. Wieso ich Öl eingesteckt hatte, weiß ich bis heute noch nicht. Aber es war mir damals von sehr großem Nutzen. So ausgerüstet machte ich mich auf den Weg, das Geheimnis zu lüften. Ich öffnete die Tür und schwamm raus. Ich war schon fast da, da spürte ich eine kalte Hand auf meiner Schulter. Ich merkte, dass es nicht fünf, sondern acht Finger waren. Langsam und vorsichtig drehte ich mich um.
Ah! Aliens! Ein grünes, eklig aussehendes Alien war vor mir. Es hatte zwei Nasenlöcher, aber keine Nase. Das grüne Ding hatte acht Augen, so wie Spinnenaugen, sechs Arme, vier Beine und zwei Köpfe. Die Hand auf meiner Schulter wanderte zu meinem Hals. Dann zog es mich am Hals zum Mond. Erst zwanzig Meter davor merkte ich, dass da noch ein zweites Alien war. Allerdings sah das aus wie ein Mensch. Als wir da waren, hatte ich Probleme mit zu kommen, weil das Alien sehr schnell war. Wir gingen durch eine hohe, hohe Eisentür. Wir traten ein und nun lag ein langer Saal vor uns. Es kam mir so vor, als ob ich in einem Leichenschauhaus gelandet war. An den Wänden waren Spiegel, sodass der Saal viel größer wirkte, als er tatsächlich war. Ängstlich blickte ich mich um. Mein Blick fiel an eine Wand, an der ein Wappen hing. Ich konnte zwar nicht erkennen, was darauf abgebildet war, aber das Wort, das unter dem Wappen stand, konnte ich entziffern. Es hieß: Marsattack.
Das ist erstens ein Film und zweitens ist es Englisch und heißt so viel wie Marsattacke. Wir liefen direkt auf einen Spiegel zu. Ich dachte, wir würden dagegen knallen, doch als wir davor waren zersprang der Spiegel in Billionen und Aberbillionen Splitter. Wir kamen in einen Thronsaal. Am Ende der Halle war nämlich ein großer Thron aus Gold. Nachdem wir eingetreten waren, fügte sich der Spiegel wieder zusammen, wie bei einem Puzzle. Das grüne Schleimalien führte mich zum Thron und stoppte davor. Und was da auf dem Stuhl saß, ich will gar nicht daran denken, doch dir zuliebe erzähle ich es trotzdem. Auf dem Thron saß ein Monster von einem Alien.
Alienkönig Blue. Ich muss leider gestehen, dass ich mir diesen Namen nur ausgedacht habe. Ich kann mich entsinnen, dass niemals der Name des Aliens gefallen ist. Ich habe ihm den Namen Blue verpasst, weil ich als allererstes seine eisblauen Augen sah. Kälte und Grausamkeit strahlten diese beängstigenden Augen aus.
Neben dem Thron stand ein kleiner, schwarzer Lacktisch auf dem eine große Schale stand. Sie war gefüllt mit irgendwelchen Knochen und großen, blutigen Fleischbrocken. Der Kopf war allerdings echt heftig anzusehen! Die Schädeldecke fehlte und sein ekliges, grünes und schleimiges Gehirn guckte raus. Blue stand auf und kam auf mich zu. Als er mit seinen acht Beinen, die glatt von einer Spinne stammen könnten, über den Boden ging, hörte sich das an, als wenn ein Pinguin mit seinen Füßchen über Eis laufen würde. Patsch, patsch, patsch, patsch. Schon sah mich Blue mit seinen bösen Augen von oben an. Ich erwiderte seinen schaurigen Blick und dachte nur ärgerlich: "Ich und meine guten Noten!"
Dann fing er plötzlich an zusprechen. Auch hier muss ich sagen, dass mein durchaus ausgeprägtes Sprach- und Wortvokabular nicht ausreichte, um diesen Sätzen eine vernünftige Bedeutung zugeben. Neben mir nahm nun das zweite Alien den Helm ab. Und meine Vermutung stimmte. Das eine Alien war ein Mensch, und ich glaubte dieses Gesicht zu kennen oder wenigstens irgendwo schon mal gesehen zuhaben. Der Mensch sprach: "Sabrina Stern, Deutsch. Planet Nummer fünf, die Erde."
Ich schätze, dass der Mensch meine Personalien bekannt gab.
"Was machst du hier?" fragte Blue.
Ich hatte mich so erschrocken, dass ich einen großen Schritt nach hinten wich. Das Alien stieß mich aber wieder nach vorne. Ich antwortete kräftig: "Ich wollte mal das Weltall sehen, weil mir erzählt wurde, dass es hier schön ist."
Ich weiß, dass das gelogen war, aber ich hatte nicht die geringste Absicht, diesen Blue in meine Angelegenheiten einzuweihen. Zu meinem entsetzen schrie Blue wütend: "Du verdammte Lügnerin! Du bist hier, um meine Pläne zu durchkreuzen, stimmts?! Oh nein, so leicht kannst du mich nicht täuschen, du dummes Kind! Die Anklage, bitte!"
Anklage?! Ein Alien brachte seinem Boss die Schale mit den Fleischresten. Blue setzte sich wutentbrannt auf seinen Thron und lehnte sich zurück. Ein kleines, hässliches Alien trat vor und las etwas von einer Liste vor. Diesmal konnte ich es wieder nicht verstehen, weil es wieder auf Aliensprache war. Das dauerte. In der Zeit begann ich zu überlegen, wie ich hier am besten wegkommen könnte. Dabei fiel mein Blick auf Dennis!
Er saß in der rechten Ecke des Thronsaals und war an dem Stuhl angekettet. Er versuchte sich loszumachen. Die Kette war in der Wand befestigt und klimperte laut. Ein Alien, das dort Wache hielt, legte einen Hebel in der Wand um und die Kette wurde enger gezurrt. Dennis jaulte auf, erfüllt vom Schmerz, der durch die Kette verursacht wurde. An seinem Arm schnitt sie bereits tief ins Fleisch. Ich wand den Blick ab. Ich konnte ja nichts anderes machen und zusehen, wie er leidet wollte ich nicht. Dann ertönte neben mir die Stimme des Menschen: "Sabrina Stern. Du bist angeklagt, wegen versuchten Durchkreuzens eines Plans. Ebenfalls wirst du der Tat bezichtigt, diese Festung und deren Besetzung gesehen zuhaben. Der Rat hat dich und deinen Freund für schuldig befunden. Darum verurteilen wir dich und deinen Handlanger zum Tode. Führt sie weg!"
Mein Unterkiefer klappte nach unten. Einerseits, weil diese Anklage vollkommen daneben war und andererseits, weil ich zum Tode verurteilt wurde.
"Ach, die Hinrichtung wird in bald stattfinden", verbesserte sich der Mensch, dessen Name du gleich endlich erfahren wirst.
Die Ketten wurden gelockert und Dennis wurde grob vom Stuhl gescheucht. Der Mensch nahm mich am Arm und ein Alien führte Dennis ab. Ich betete darum, mit Dennis in eine Zelle gesteckt zu werden. Wenn ich schon sterbe, dann will ich wenigstens noch ein paar, letzte Worte mit ihm wechseln. Wir gingen in einen Raum ohne andere Türen und Fenster. Nun standen wir da. Auf einmal rumpelte etwas und dann sank die Steinplatte, auf der wir standen nach unten. Ungefähr wie ein Weltallfahrstuhl. Es dauerte einige Minuten und soweit ich mich erinnern kann, habe ich auch die Türen gezählt, an denen wir vorbei kamen. Ich schätze, dass wir ungefähr vierzehn Stockwerke runter gefahren sind. Endlich waren wir im Erdgeschoss. Die Eisentür wurde mit einem lauten Knall geöffnet und wir gingen nun, mit schnellem Schritt, einen langen Gang entlang. Wir wurden an vielen, morschen Holztüren vorbeigeführt. Ich habe mir damals gedacht, dass das die Kerkertüren waren. In den manchmal morschen und manchmal nicht- morschen Türen waren kleine Gitterfenster. Wir bekamen den letzten Kerkerraum, der am Ende des Ganges rechts lag.
Das Alien nahm einen Schlüssel aus purem Silber und schloss die Tür auf. Wir wurden hineingestoßen und standen in einer Luxussuite. Wie im Hotel war er dort. In dem relativ großen Raum standen drei Betten, ein Kamin, vor dem ein gemütliches Sofa stand, ein Tisch mit drei Stühlen, ein Bücherregal, ein Schreibtisch und im Badezimmer war eine große Badewanne, eine Dusche und eine Porzellantoilette. Ein großer Spiegel hing über dem Waschbecken. Also alles im allem: Großartig! Ich fand das Ganze ziemlich merkwürdig, weil wir ja angeblich in einem Kerker waren.
Nun fragst du dich bestimmt, für wen das dritte Bett ist. Dazu komme ich gleich, doch vorher muss ich noch einen wichtigen Teil meiner Geschichte erzählen. Die Tür wurde zugeknallt. Dennis und ich standen allein im Raum. Ich legte erst Mal meinen Rucksack ab. Dennis ging gelassen zum Sofa und machte es sich bequem. Ich fragte ihn leise: "Dennis? Wieso nennt dich eigentlich jeder Schüler Schwarzer Teufel?"
Dennis sah mich überrascht und traurig zugleich an und deutete mit einer Handbewegung an, dass ich mich zu ihm setzten sollte. Tat ich auch! Ich ging gespannt zum Sofa und setzte mich ans andere Ende. Er seufzte leise. In sah ihm an, dass sich in seinem Kopf gerade viele emotionale Erinnerungen abspielten. Er weinte zwar nicht, aber seine Augen schimmerten ganz, ganz leicht.
Um diesem Blick zu entfliehen, stand ich auf und zündete den Kamin an. Ich schürte das Feuer, sodass es größer wurde. Unser Zimmer war zwar luxuriös, aber es gab hier keine Heizung. Deshalb war es auch recht kühl. Ich blieb eine Weile vor dem Feuer stehen, mit den Gedanken an das Kommende. Dann setzte ich mich schnell wieder aufs Sofa um nun endlich Dennis Geschichte zuhören.
Dennis sagte: "Wieso ich von jedem Schüler Schwarzer Teufel genannt werde, ist eine lange Geschichte. Also, du weißt ja, dass ich nicht in Deutschland geboren worden bin. Ich komme aus Rumänien, alias Transsilvanien. Auf meiner Schule, der Südschule, gab es viele Gruppen, Gangs und Cliquen. Eine dieser Gruppen trug den Namen: Transsilvanische Teufel. Oder auch T.T., wenn du das willst. Unsre Clique bestand aus genau dreizehn Mitgliedern. Dreizehn ist eine Pechzahl. Unser Anführer hieß Nate Devil. Seine Eltern kommen aus den USA und haben ihm daher einen amerikanischen Namen gegeben. Jedenfalls war ich der Stellvertreter von Nate. Und das Unglück war am Freitag. Freitag, der dreizehnte. In der ersten Pause stieg Nate, über eine Leiter, auf das Schuldach. Dazu muss ich dir sagen, dass Nate extrem abergläubisch war. Damit meine ich, dass er an Zeichen, schwarze Katzen, Hexen und Vampire und an all den ganzen anderen Mist geglaubt hat. Er rief vom Schuldach herunter: ‚Ich, Nate Devil, wurde vom Teufel, von Luzifer persönlich gerufen. Eines seiner seltenen Zeichen sagte mir, dass ich unter seiner Herrschaft in Ewigkeit und Wohlstand leben werde. Nur dafür muss ich mein Leben beenden und zu ihm herabfahren.' Herabfahren! Im wahrsten Sinne des Wortes. Ich musste mit ihm auf das Dach gehen. Ich musste, weil ich merkte, was er vorhatte und wollte ihn davon abhalten.
Zum Schluss schrie er noch: ‚Heil Luzifer!'
Als er vom Dach sprang, wollte ich ihn noch festhalten, doch es war bereits zu spät und ich fiel ebenfalls hinab in die Tiefe. Diesen Moment werde ich niemals vergessen, als ich fast zwanzig Meter tief stürzte. Ich hörte grausame Schreie von den Mädchen und je tiefer ich fiel, desto lauter und hysterischer wurden sie. Mir kam es verdammt lang vor, mindestens eine Minute, obwohl es in Wirklichkeit nur fünf Sekunden dauerte. Gott sei Dank landete ich im Schulteich. Aber nur knapp, denn ich wäre fast daneben geklatscht. Unter Wasser schwamm ich mit letzter Kraft nach oben. An der Oberfläche sah ich Mitschüler ins Wasser waten, um mir zu helfen. Dankbar ließ ich mich aus dem Teich schleppen. Die Schreie wurden zwar leiser, aber ich schätze, dass das daran liegt, dass mir für einen kurzen Moment fast die Lichter ausgegangen wären.
Bis auf einen kleinen Schock und einem heftigen Bauchklatscher war aber alles in Ordnung. Ganz im Gegensatz zu Nate. Er lag neben dem Teich. Als ich klatschnass zu Nate gekrochen bin, kamen auch endlich die Lehrer an. Doch sie taten, wie immer, nichts. Ich lag vollkommen matt neben Nate und dachte mir, dass er tot war. Nate blutete sehr und langsam bildete sich um seinen Kopf eine dunkelrote Blutpfütze. Doch da röchelte Nate mit allerletzter Kraft: ‚Dennis! Du wirst nun der Chef der Transsilvanischen Teufel. Hier, nimm diesen Ring, als Zeichen deiner Macht. Du, du bist ich, ich bin du. Du bist nun der Schwarze Teufel!'
Dann machte Nate seine Augen für immer zu. Er war tot. Alle starrten mich an. Ich fühlte, wie sich ihre entsetzten Blicke in meinen Rücken bohrten. Doch ich sah nur den Ring in meiner Hand. Alle dachten, dass ich Nate vom Dach geschuppt hatte, weil ich ja direkt hinter ihm stand. Die Presse stürmte unseren Schulhof und umringte mich und Nate. Dann gingen auch bei mir alle Lichter aus.
Die Beerdigung folgte am Dienstag. Ich war nicht da, weil ich Nate in einer schönen Erinnerung behalten wollte. Ich wollte ihn nicht so leblos im Sarg liegen sehen. Ich wollte ihn so behalten, wie ich ihn am Donnerstagmorgen gesehen hatte: Lebendig.
Einen Monat nach Nates Beerdigung zogen meine Familie und ich nach Deutschland, um Rumänien zu vergessen und um ein neues Leben anzufangen. Doch daraus wurde nichts. Die Medien waren mir zuvorgekommen und hatten bereits alles über diese schlimme Geschichte berichtet. Auch von dem, was Nate als letztes zu mir gesagt hat. Schon am ersten Tag wurde ich von jedem der Schüler Schwarzer Teufel genannt. Aber weil ich eben deswegen anders war, als die anderen Schüler, nahmen mich Jack und Mona in ihre Gruppe auf. Mona trat dann später aus und ihre Schwester Jenny nahm ihre Position ein.
Jedenfalls nannte mich von da an jeder Schwarzer Teufel."

Und nun kommen wir zu dem dritten Bett, das in unserem Raum stand. Dieses Bett gehörte einem Raumfahrer. Du weißt schon, der Mensch, der mich eben abgeführt hat. Der wohnte auch hier in dem Zimmer. Als Dennis seine dramatische Geschichte, die ich echt traurig und faszinierend zugleich fand, erzählt hatte, schlug die Tür auf und der Mensch kam nervös in unsere Suite gestürmt.
"Dennis, Sabrina! Kommt schnell, ich helfe euch, zu entkommen. Ihr werdet sonst in ein paar Minuten sterben, also schnell jetzt!" rief er.
Ich glaubte ihm und forderte: "Klasse, Danke! Komm, Dennis. Schnell weg von hier!"
Ich sprang begeistert vom Sofa, ergriff meinen Rucksack und setzte ihn auf. Doch töricht, wie dieser Junge eben war, maulte er nur:
"Ich werde garantiert nicht mitkommen!"
Dennis ging total locker zu einem der Betten und schmiss sich darauf. Er sagte: "Ich traue dem Typen da nicht. Basta!"
"Dennis, du doofer Idiot! Echt, jetzt kommt da extra dieser Mann um uns zuhelfen und was machst du? Du sagst einfach Nein und damit ist die Sache gegessen oder was! Du kommst jetzt sofort mit, oder", schrie ich wütend und enttäuscht.
Der Mensch nahm mich am Arm und meinte: "Komm jetzt, Sabrina! Wir haben keine Zeit mehr. Ach, und Dennis? Viel Glück!"
"Darauf kann ich gern verzichten!" sprach Dennis gleichgültig.
Dann rannten wir weg. Auf halben Weg blieben wir abrupt stehen und der Mann nahm von seinem Gürtel eine kleine Flasche.
"Ich bin S.T. Seeler, Agent 01. Aber nenn mich einfach Seeler."
Seeler schüttete den Inhalt der Flasche über unseren Köpfen aus. Dann wurden wir unsichtbar. Als hätte er es geahnt, kam nun Alienkönig Blue mit acht weiteren Aliens. Diese trugen eine riesige Säge. Das Sägeblatt war blutverklebt, sodass von der silbernen Grundfarbe nicht mehr übrig war. Seeler und ich hielten den Atem an und pressten uns an die Wand. Die Aliens hatten uns nicht bemerkt. Als sie in sicherer Entfernung waren, liefen wir weiter. Wir rannten zu der Steinplattform und fuhren nach oben. Ich konnte nur noch sehen, wie Blue in unsere Suite, am Ende des Ganges, trat.
Sie hatten Dennis! Nach exakt sieben Minuten und siebenundzwanzig Sekunden waren wir ganz oben in der höchsten Etage. Wir rannten durch einen langen Gang, bogen um eine Ecke ab und - standen vor einer Armee von Aliens!
Das waren mindestens hundert Außerirdische, die mit Laserpistolen bewaffnet waren und nun begannen auf uns zu schießen.
Im letzten Moment liefen Seeler und ich zurück. Dabei schrie er mir zu: "Ich sage dir jetzt was. Blue will die Erde zerstören! Er ist krank. Pass jetzt gut auf: Du musst gleich nach rechts abbiegen, dann müsste irgendwann eine Abzweigung kommen, die nimmst du nicht! Du musst die zweite nehmen. Wenn du das getan hast, solltest du geradeaus laufen, bis du zu der dritten Abzweigung dieses Ganges kommst, die nächste solltest du nehmen! Dann rennst du geradeaus. Dann links, noch mal links und dann wieder rechts. Bei der dritten Abzweigung musst du nach links und dann müsste irgendwann eine Halle kommen, verstanden?"
Ich rief völlig verwirrt: "Eh, ja! Alles klar!"
Wir bogen um eine Ecke ab und noch mehr Aliens standen vor uns, Mist! Nun waren wir umzingelt. Hinter uns kamen die Aliens näher, die Pistolen auf uns gerichtet. Er nahm etwas und steckte es in meine Hosentasche und Seeler flüsterte: "Ich werfe dich gleich hoch und schmeiße dich dann hinter die Aliens. Nimm dann den beschriebenen Weg, flüchte von hier und flieg nach Hause!" Mit diesen Worten packte er mich und warf mich hoch. Er schmiss sich auf den Rücken und reckte die Füße hoch. An seinem Gürtel drückte er einen Knopf, sodass aus seinen Schuhen Sprungfedern ausgefahren wurden. Auf denen landete ich und wurde über die Aliens katapultiert. Seeler schrie laut: "Blauer Knopf!" Ich flog über die Aliens und landete sehr unsanft auf der Seite.
Dann schossen die Aliens auf ihn! Er war tot. Ich rappelte mich mühsam auf und rannte etwas zitternd weg. Das Problem war allerdings, dass die Aliens mir folgten. Tja, und dann kam es sogar noch schlimmer!

Als ich dann so vor den Aliens wegrannte, bog ich immer und immer wieder um eine Ecke ab, aber ich konnte sie einfach nicht abhängen. Da schossen einige. Einer erwischte mich am Arm, ein anderer am Fuß. Ich klatschte fast hin, doch ich konnte mich zum Glück noch fangen. Ich bog erneut um eine Ecke ab.
"Scheiße!" rief ich.
Ich war in eine Sackgasse gerannt. Die Aliens kamen auch schon an und drängten mich an die Wand. Ich zitterte so sehr, das kannst du dir nicht vorstellen. Ich starb ja förmlich an Angst. Mein Herz pochte laut, sehr laut! Ich hatte Angst, dass es gleich in ein paar Sekunden platzen, explodieren, aussetzen oder stehen bleiben könnte. Dann setzten die Aliens zum Schuss an. Ich kniff die Augen zu. Jetzt hatte mein letztes Stündchen geschlagen. Die verdammte Alienarmee hatte auch noch Spaß daran, mich zu quälen, weil sie sich auch noch Zeit nahmen. Sie warteten noch mindestens zehn Sekunden um mich auf die Folter zuspannen. Warum sie das gemacht haben weiß ich nicht, aber eins kann ich dazu sagen: Äußerst bescheuert.
Dann, endlich, hörte ich, wie ein Alien bis drei zählte. Ich begann nicht mehr richtig zu atmen. Es glich eher einer hysterischen und panischen Schnappatmung. Bei zwei hörte mein Herz auf, zu schlagen und ich atmete nicht mehr. Ich hielt stattdessen die Luft an.
Da brach neben mir die Wand ein! Ein vier Meter hoher, blauer Bulldozer brach ins Geschehen ein. Aus dem Steuerhaus schoss gelber Laser. Dieser brannte die erste Reihe der Armee nieder. Die zweite Reihe reagierte schnell und schoss ihren lilafarbenen Laser ab. Ein unglaubliches Gemetzel entstand. Ich krümmte mich in einer Ecke zusammen und hoffte, dass ich verschont bleiben würde. Ich hielt mir die Ohren zu und stellte mich darauf ein, plötzlich einen Schmerz irgendwo zuspüren. Nach einiger Zeit war alles still und von den grässlichen Aliens war nur noch grüner, stinkender Schleim übrig. Langsam versickerte der Schleim im Boden und die Pistolen blieben allein zurück. Ich stand auf, gespannt auf meine Rettung, die hoffentlich gleich aus dem Steuerhaus springen würde.
Und der, der da raussprang war - Dennis!
Mit ein bisschen Ruß im Gesicht und einer Laserpistole kam er auf mich zu. Ich schrie voller Freude: "Dennis! Du lebst ja. Oh, ich bin so froh." Ich eilte zu ihm und umarmte ihn sehr fest.
Dankbar und verblüfft fragte ich meinen Retter: "Wie hast du das wieder angestellt?"
Da antwortete Dennis: "Ich passe in Technik und Physik eben gut auf. Und ich bin ein absolutes Multitalent!"
"Übertreib es nicht!" meinte ich genervt.
Immer wenn man Jungs ein Kompliment macht, müssen sie gleich übertreiben. Warum? Dennis nahm meine Hand und zog mich hinter sich her. Wir rannten um ein paar Ecken. "Was ist mit Seeler?" fragte Dennis.
Ich glaube, dass er schon ahnte was passiert ist.
"Er hat es nicht geschafft!" sagte ich traurig.
Dennis sagte nichts.
Wir liefen gemeinsam durch ein paar Gänge, bogen um einige Ecken ab und standen schließlich in einer riesigen Halle. Ich sag dir lieber nicht wie groß diese Halle war, weil du es sowieso nicht glauben würdest. Als ich mich gerade staunend umsah, zog mich Dennis an eine Wand.
Er zischte: "Sei still!"
Ich hielt meinen Mund. Da sah ich voller Entsetzen, wie Blue und alle, wirklich alle, Aliens dieser Station durch die Tür kamen. Wie bei der Armee liefen sie herein und trugen Pistolen und sonstige Waffen mit sich. Dennis und ich hatten großes Glück gehabt, weil die Aliens uns nicht gesehen hatten. Blue ging zur größten Maschine, die in der Halle stand. Ungefähr fünfhundert andere Aliens folgten ihm. Die anderen eilten zu kleineren Raumschiffen und stiegen jeweils zu zweit oder zu dritt ein. Dann starteten sie. Drei oder vier Raumschiffe blieben übrig. Dann verschoben sich die Wände der Halle. Die Lücken setzten das große Weltall frei. Blue startete und flog weg, alle anderen hinter ihm her.
Der Sauerstoff entwich, und Dennis und ich rannten, so schnell wir konnten, zu einem Raumschiff. Ich war dabei, meinen Atem zu sparen und Dennis zog an der Tür. Sie klemmte. Dann war der Sauerstoff weg. Wir hoben vom Boden ab. Ich zog ebenfalls an der Tür, vergeblich. Dennis lief jetzt leicht rot an. Doch dann erinnerte ich mich an die Worte meines Vaters: "Wenn du mal in Not bist, dann musst du mit diesem Dennis zusammenarbeiten! In einer Notsituation musst du ihm und vor allem dir selbst vertrauen. Dann ist selbst die größte Gefahr ein Kinderspiel."
Ich fing an, zu suchen. Ich zeigte Dennis einen Hebel neben der Tür. Allein bekam Dennis den Hebel nicht heruntergedrückt. Ich half ihm und wir drückten ihn gemeinsam herunter. Endlich schoss die Tür auf und wir beeilten uns, rein zukommen. Als sich die Tür wieder schloss, war aber immer noch keine Luft da. Dennis lief nun lila an und er schüttelte sich leicht. Ich erblickte einen gelben Knopf mit einem Zeichen darauf. Auf gut Glück drückte ich ihn.
Luft! Vollkommen außer Atem knallten Dennis und ich auf den Boden.
"Da haben wir ja mal was richtig gemacht!" keuchte Dennis lächelnd.
Ich nickte erschöpft, stand etwas unsicher auf und bewegte mich zum Steuersitz. Vorher legte ich meinen Rucksack auf einen Sessel, der etwas weiter hinten im Raumschiff stand. Dennis ging ebenfalls zu einem der Steuersitze. Während Dennis konzentriert das Raumschiff einschaltete und ein paar Passwörter knacken musste, lehnte ich mich kurz zurück und schloss die Augen. Ich hatte fast zwei Tage nicht geschlafen und musste mich körperlich sehr anstrengen. Das macht müde. Meine Wunden schmerzten und ich hatte Hunger. Da tippte mich Dennis an der Schulter an und meinte, dass alles klar zum Starten sei. Ich schnallte mich an und startete. Wieder drehte sich mir der Magen um, doch als wir dann im Weltall waren ging es wieder. Ich seufzte tief, weil ich lebend aus dieser Hölle herausgekommen war. Ich freute mich auf die Erde. Doch vorher mussten Dennis und ich erst Mal die Reise zur Erde antreten.

Wir waren bereits zehn Minuten unterwegs. Es war alles ruhig. Ich konnte die Erde schon sehen, da meinte Dennis: "Neptun, vierzig Meter voraus."
"Was soll das denn heißen? Der Neptun liegt doch zurzeit auf der anderen Seite der Erde!" fragte ich verwirrt.
Dennis antwortete: "Nein! Nicht der Neptun. Ich meine das Raumschiff. Es ist ein Raumschiff, das die Maschine von Blue bewacht. Die sind zwar relativ gefährlich, aber die sind ja erst vierzig Meter voraus. Ich habe Hunger, ich esse kurz was, okay?"
Dennis stand auf und lief zu meinem Rucksack. Plötzlich tauchte diese Neptunrakete auf. Pechschwarz und mit zwei Aliens im Cockpit. Als sie uns erblickten, schossen sie mit grünem Laser. Ich wich dem Schuss nach links aus, sodass Dennis gegen die rechte Wand geknallt wurde.
Er schrie: "Drück den roten Knopf!"
Ich musste nach links und sofort nach rechts ausweichen. Dennis wurde von einer Ecke in die Nächste geschleudert. "Ich sagte, den roten Knopf!" brüllte Dennis gequält.
Aber weil ich mit ausweichen beschäftigt war, blieb keine Zeit, um rote Knöpfe zusuchen. Dennis krabbelte mühevoll nach vorne nach vorne. Ich wich nach vorne aus und er wurde zurück an die Wand geklatscht. "Aua!" schrie er und rief gleich danach: "Roter Knopf! Bitte!"
Ich merkte die Erschöpfung in seiner Stimme und wollte diesen dummen Knopf suchen, aber weil ich unerwartet bremsen musste, wurde er nach vorne an die Frontscheibe geschleudert und klatschte anschließend auf den Boden. "Welchen Knopf denn?!" rief ich.
"Den!" schrie Dennis und schlug mit der Faust auf einen roten Knopf.
Das gegnerische Raumschiff mit samt seinen hässlichen Insassen explodierte mit einem lauten Knall. Die Neptun war erledigt.
"Ich bin total müde. Dennis? Ich bin voll erschöpft und da du ja gerade so aufgeladen bist, kannst du ja kurz fliegen oder?" sagte ich mit einem Schuss Spott in meiner Stimme und setzte Dennis auf meinen Sitz.
Er konnte nur seufzen, weil ich bereits in meinem kleinen Zimmer verschwunden war und mich dankbar auf ein Bett legte.
Fast zwei Stunden später wurde ich von Dennis geweckt: "Komm schnell, wir sind bald da!"
Dieser kurze Schlaf hat schon ein kleines Wunder bewirkt, denn ich fühlte mich fitt und motiviert. Diese Motivation wurde allerdings zunichte gemacht, als ich mich auf meinen Platz setzte und weiter fliegen wollte. Ich wollte gerade das Lenkrad etwas nach links drehen: erstes Problem: Es klemmte. Ich versuchte es nach rechts zudrehen, nichts ging und wir waren nur noch einige Meter von der Erde entfernt.
"Dennis!" rief ich panisch.
Er schrie wutschnaubend und genervt: "Verdammter Mist! Ich hasse Raumschiffe und Aliens!"
Er stampfte zu meinem Rucksack, öffnete ihn und holte eine Dose Öl heraus. "Ha!" rief Dennis triumphierend.
Er rannte zu mir. Ich stand auf und Dennis übernahm meinen Sitz.
Zweites Problem: Die Dose ging nicht auf.
"Taschenmesser!" sagte er und ich lief zum Rucksack, holte ihn und suchte ein Messer.
Gefunden! Ich überreichte es Dennis und er öffnete vorsichtig die Dose. "Oh, Dennis! Nur noch achtzig Meter!" drängelte ich.
"Immer mit der Ruhe." meinte Dennis.
Endlich löste er den Deckel, schmierte das Lenkrad mit Öl ein. Zufrieden gab er mir da das Taschenmesser und machte die Dose wieder zu.
Drittes Problem: Die Dose ging nicht mehr zu. Er drückte und kloppte darauf rum, doch sie ging einfach nicht mehr zu.
Daraufhin schrie Dennis einige Wörter, die ich hier lieber nicht nennen möchte, geschweige denn erklären möchte!
In seiner Not riss er mir den Rucksack aus der Hand und suchte selbst nach irgendetwas, womit er den Deckel vorübergehend verschließen könnte. Zu seinem Glück fand er etwas: Einen Streifen Schinken. Er verschnürte das ganze zu einem Paket. Bitte kein Kommentar dazu! Er steckte die Dose in den Rucksack, warf in hinter den Sitz und bot mir wieder meinen Platz an. Ich nickte und setzte mich grinsend. Dennis überprüfte, wie lange wir noch fliegen würden: "Okay, noch dreißig Sekunden!"
Ich atmete noch einmal tief durch und sagte anschließend:
"Los, Dennis. Wir haben eine Welt zuretten!"

Als Dennis und ich nach einer holprigen Landung wieder festen Boden unter den Füßen hatten, übernahm ich das Kommando und sagte:
"Komm schnell mit. Ich laufe kurz zu meinem Haus. Das ist nur sechs Blocks weiter!"
Schleunigst rasten wir los. Auf unserem Weg sah ich, wie der schöne Antiquitätenladen von dieser alten Frau, mit den drei schwarzen Katzen vollkommen zerstört wurde. Überall sah man Haustrümmerhaufen und leider auch einige Leichen. Unter ihnen meine Nachbarin Sofie. Sie war ungefähr in meinem Alter, aber wir hatten uns nie richtig kennen gelernt. An meinem Haus angekommen, klopfte ich hoffnungsvoll an.
Während ich gespannt darauf wartete, dass mir jemand öffnete, betrachtete ich unser Haus. Das Dach war vollkommen verbrannt, die Fensterscheiben zersplittert. Der Garten sah so aus, als ob hier noch nie Blumen gepflanzt waren.
"Sabrina!" mein Vater öffnete mir.
Ich fiel ihm in die Arme.
"Wer ist denn da?" rief meine Mutter ängstlich aus dem Dunkeln.
Mein Vater antwortete glücklich: "Es ist Sabrina!"
"Mama!" rief ich.
Dennis räusperte sich. Er wollte mir damit zu verstehen geben, dass wir nun wirklich Besseres zutun hatten. Ich meinte daraufhin: "Ach ja! Papa, ich brauche Hilfe!"
Als ich im groben und ganzen die ganze Geschichte erzählt hatte, hoffte ich auf die erfinderischen Ideen meines Vaters. Zu meinem Vater muss ich erwähnen, dass er Erfinder ist. Ja, ich weiß. Kleine Jungs träumen immer davon Roboter zu erfinden, die dann ihre Hausaufgaben machen oder für sie kochen oder ihren Müttern beim Aufräumen helfen.
Mein Vater hat sich allerdings auf das Bauen von Flugmaschinen spezialisiert. Darum hoffte ich, dass er irgendeine Maschine gebaut hat, womit wir Blue besiegen könnten. Warum wir nicht das Raumschiff, mit dem wir eben geflogen sind, benutzten? Ganz einfach, ich hatte ja erzählt, dass unsere Landung holprig war. Tja, leider war sie so holprig, dass dabei einiges Schrott gegangen ist. Darum! Jedenfalls antwortete mein Vater: "Ja, da hätte ich was. Kommt mal mit!"
Wir liefen zu seiner Arbeit. Das Labor war riesig! Auch wenn wir von dem Weg dorthin schon unser Leben riskiert hatten, wollten wir nun auch die Belohnung dafür. In unserem Falle die Flugmaschine von meinem Vater, die er uns nun zeigte: "Also, passt mal auf. Das hier ist die F- Force 2000. Sie ist hoch entwickelt und auf dem neuesten Stand der Technik. Allerdings kann sie vorerst mit nichts schießen, außer vielleicht Bomben. Aber um Alienlaser abzuschießen bräuchten wir erst Mal Laser!"
Dennis rannte wieder nach draußen. Kurz danach kam er zurück und hatte eine kleine Laserpistole in der Hand.
"So etwas?" fragte er.
Mein Vater rief begeistert: "Ja, genau! Moment ..."
Er baute den Laser in die F- Force 2000 ein und erklärte uns kurz und knapp, wie wir sie steuern konnten.
Dann, endlich, konnten wir starten. Dennis und ich flogen zu Blues Maschine. Da war sie! Wer kann die auch schon übersehen? Sie war gerade dabei, die Schule zu zerstören. Überall, egal wo man hinsah, waren Aliens, die gerade irgendwas zerstörten. Wir flogen näher an die Kampfmaschine heran. Ich schoss eine Bombe ab. Nichts passierte. Die Maschine sah sehr doll gepanzert aus, so konnte keine einzige Bombe der Maschine etwas anhaben. Ich sah ein, dass wir nichts tun konnten. Dann fasste ich einen gefährlichen Entschluss: "Ich muss jetzt da rein!"
"Nein, bist du bescheuert? Die murksen dich ab!" schrie Dennis entsetzt. Ich entgegnete: "Besser ich, als die ganze Welt, oder? Flieg schon!"
Dennis seufzte und flog nähe an das Raumschiff heran. Ich war inzwischen auf das Dach unserer F- Force 2000 geklettert. Ich erblickte die große Eingangstür in der Maschine. In regelmäßigen Abständen ging sie auf und eine Hand voll Aliens kamen heraus, um die Stadt erneut zu zerstören. Als die Klappe einmal aufging sprang ich. Ich flog wie ein Vogel. Es war ein komisches Gefühl so hoch in der Luft zu sein. Ich hoffe, du bist dir im Klaren, dass Blues Maschine schwebt! Ich landete auf der Metallklappe und rollte ins Raumschiff. Gerade schloss sich die Klappe wieder. Ich stand schnell auf und sah mich um. Niemand war da. Doch! Ich hörte die Stimmen von ein paar Aliens. Ich suchte verzweifelt nach einem Versteck. Ich fand einen kleinen Luftschacht. Ich quetschte mich hinein und verschloss ihn wieder. Ich hörte, wie die Aliens am Luftschacht vorbei gingen. Ich hörte zufällig, wie aus einer Richtung des Luftschachtes Stimmen drangen. Ich folgte ihnen. Die Stimmen wurden lauter. Mist! Falsch abgebogen. Also wieder zurück. Dann drang Licht durch den Schacht. Es kam durch ein Gitter. Ich versuchte leise hinzukriechen. Ich blickte durch das Gitter. Volltreffer! Die Kommandobrücke. Blue redete aufgebracht mit einem seiner Untertanen. Ich überlegte, wie ich Blue aus der Kommandozentrale weglocken könnte. Dann fiel mir etwas ein. Ich rief mit verstellter Stimme: "Der König wird in den anderen Teil des Raumschiffes gebeten, danke!"
Blue drehte sich sofort um und verließ den Raum. Das Alien folgte ihm. Nun musste es schnell gehen! Ich trat gegen das Gitter. Es ging kaputt und ich kroch aus dem Luftschacht. Als ich aufgestanden war, machte ich mich sofort an die Arbeit. Ich suchte nach irgendeinem Knopf oder Hebel oder Schalter oder nach irgendwas! Ich fand nichts, was einem Zerstörungshebel oder Schalter ähnlich sein könnte. Dann dachte ich scharf nach: "Hey! Hatte Seeler nicht irgendwie so was gesagt wie: ‚Blauer Knopf!'
Ja, hat er."
Ich schaute mich um. Aha, da war einer. Aber ich konnte ihn nicht herunter drücken. Dazu musste ich erst ein Passwort eingeben. Ich dachte wieder scharf nach, da fiel mir ein, dass mir Seeler doch was zugesteckt hatte. Ich suchte in meiner Hosentasche. Ja! Ich fand einen kleinen Zettel und öffnete ihn. Darauf stand folgendes:
"Du musst ein Passwort eingeben. Das Passwort lautet Mars"
Den Schluss konnte ich nicht mehr lesen, weil ein Stück vom Zettel abgerissen war. Ich zerriss den Zettel.
Ich dachte nach, ob ich irgendein Wort mit Mars kannte. Marsmännchen, Marsangriff, Marsangriff, Marsattacke. Marsattacke!
Ich gab Marsattacke ein.
"Das Passwort ist falsch. Bitte geben sie das richtige Passwort ein", sagte eine Stimme.
Ich stampfte mit meinem Fuß auf den Boden. Es klappte aber auch gar nichts! Dann hörte ich Stimmen. Blue!
Ich strengte mein Gehirn an und presste meine Erinnerungen zu einem Wort zusammen: Marsattack. Kannst du dich noch erinnern, als ich durch diese Halle geführt wurde? Da hing doch an der Wand so ein Wappen, wo MarsattackŽ drunter stand. Ich tippte das Wort MarsattackŽ auf der Tastatur ein und: "Das Passwort ist richtig. Betätigen sie nun den Knopf."
Ich wollte gerade den Knopf drücken, da wurde ich an den Schultern gepackt und an die Wand geschleudert. Verblüfft schüttelte ich mich und sah Blue. Er eilte auf mich zu und gab mir eine Ohrfeige.
"Du bist so tot, Mädchen!" brüllte er.
Er packte mich an den Haaren und hob mich hoch. Meine Beine zappelten in der Luft. Ich schrie und schrie vor lauter Schmerzen. Ich schlug auf Blue ein, doch das machte ihm wenig aus. Er warf mich an die gegenüberliegende Wand. Meine Knochen taten weh, ich hatte mir sicherlich etwas gebrochen. Nun lief Blue zu mir herüber, riss mich erneut an den Haaren hoch und fragte: "Wie konntest du das tun? Ich habe dich doch gewarnt!"
Er fuhr, wie eine Katze, die gerade eine arme, kleine Maus zerreißen will, seine langen, schwarzen Krallen aus. Dann holte er aus und ratschte mir damit quer über den Bauch. Ich schrie wie am Spieß und viele Tränen rollten wir über die verstaubten Wangen. Ich wehrte mich verzweifelt, indem ich Blue in seine eisblauen, kalten Augen pickte. Mit seiner linken Hand fasste er sich an sein blutendes Auge, mit der rechten hielt er mich immer noch fest. Ich biss ihm in die Hand und riss an seiner Haut. Blue ließ mich fallen. Ich knallte auf den Boden. Nun kam ich richtig in Fahrt. Ich trat ihn so feste wie ich nur konnte und boxte ihm in seinen mageren Bauch. Blue fiel zu Boden. Ich brach einen Hebel ab und stach ihn damit. Er krümmte sich auf dem Boden zusammen, ich nahm das Gitter von den Luftschächten und stülpte es ihm über den Kopf. Blue regte sich nicht mehr. Ich rannte zum Knopf und schlug darauf.
"Das Raumschiff wird in einer Minute gesprengt. Bitte verlassen sie schleunigst die Rakete. Ich wiederhole: Bitte verlassen sie schleunigst die Rakete!"
Ich atmete tief ein. Ich hatte es geschafft. Na ja, noch nicht ganz. Ich wollte mich gerade umdrehen, um der Anweisung der Durchsage zufolgen, da stand Blue wieder vor mir. Er sah echt mitgenommen aus, sein Pech! Er nahm mich am Arm und warf mich aus dem Fenster. Ich wusste gar nicht wie mir geschah. Ich fiel. Und fiel und fiel und fiel. Plötzlich landete ich auf einem harten Metallboden. Besser gesagt auf einem Dach. Dennis hatte mich anscheinend gesehen und war unter mich geflogen. Ich wusste nicht genau was gerade geschah. Alle Geräusche erreichten mich nur noch schwach und die Bilder vor mir verschwommen. Alle Gefühle waren taub. Das einzige was ich fühlte waren meine verdammten Schmerzen.
Dennis landete vorsichtig auf einer halbwegs grünen Wiese. Unsere Armee hatte alle Fußtruppen der Aliens ausgelöscht. Dennis kletterte auf das Dach und schüttete mir etwas Wasser über mein Gesicht und über die Wunden. Dann erst sah ich wieder alles klar vor mir. Das Chaos, die zerstörten Häuser, die Menschen, Blues Maschine. Ich hörte auch wieder besser. Ich hörte die Sirenen der Polizeiautos und Krankenwagen, ich hörte die Schreie der Menschen und Dennis Stimme: "Sabrina! Du lebst ja. Oh Gott, was haben sie mit dir gemacht? Sabrina? Hörst du mich?"
Ich nickte schwach. Dann setzte ich mich mühsam auf und rutschte vom Dach. Als ich hochkam, taten mir alle Knochen weh. Dennis rutschte ebenfalls herunter und zeigte mir Blues Raumschiff. Meine Wunden taten entsetzlich weh, aber das war in dem Moment egal. Vollkommen erschöpft lächelte ich Dennis an, er lächelte zurück. Zusammen konnten wir uns ansehen, wie das elende Raumschiff von Alienkönig Blue endlich vernichtet wurde.

So. Das war meine Geschichte. Hat sie dir wenigstens ein bisschen gefallen? Wenn nicht ist das auch nicht schlimm. Ich hatte recht, oder? Du musst zugeben, dass meine Geschichte an einigen Teilen sehr, sehr seltsam ist. Aber es ist wahr, was ich erzählt habe. Auch wenn du dir nicht recht vorstellen kannst, dass es tatsächlich Aliens gibt, dann solltest du das erst Mal für dich behalten. Denn wer weiß, vielleicht gewinnst du ja auch mal einen Wettbewerb, der dich dann ins Weltall schickt. Und wo du dann mit Aliens konfrontiert wirst. Vielleicht, vielleicht auch nicht, wirst du mal irgendwo hinreisen, irgendwo, wo es anders ist.