Norman Junge

* 1938 in Kiel


Leben

Norman Junge machte eine Lehre als Schriftsetzer und studierte danach an der Werkkunstschule und Werkakademie in Kassel. Er arbeitete als Werbegrafiker und Illustrator für verschiedene Zeitungen.
Für die Sendung mit der Maus gestaltete er Kurzfilme, nach denen einige seiner Bilderbücher entstanden. Mit seinen Bilderbüchern zu Gedichten von Ernst Jandl, etwa fünfter sein und ottos mops wurde er auch international bekannt. So wurde fünfter sein in 24 Sprachen übersetzt.
Junge gewann renommierte Preise, wie den Bologna Ragazzi Fiction Award und hat viele Auszeichnungen erhalten. 2010 stellte er zusammen mit Nikolaus Heidelbach im Museum für Angewandte Kunst in Köln Werke zum Thema Ungeheuer aus.
Norman Junge lebt als freischaffender Künstler in Köln.

Werk und Stil

Bekannt wurde Norman Junge vor allem durch seine Bilderbücher, in denen er komische Gedichte von Ernst Jandl, Joachim Ringelnatz und Christian Morgenstern illustriert hat. Kurios wie die von ihm in Bilder übersetzten Gedichte sind auch seine Skulpturen. Denn neben seiner Arbeit als Illustrator gestaltet er auch ulkige und merkwürdige Kunstgegenstände. So etwa ein schmales Klavier, das nur eine einzelne Taste hat. Wie dieses Klavier tauchen auch andere seiner Skulpturen in gezeichneter Form in seinen Bilderbuchillustrationen wieder. Zum Beispiel in Bildern zum Nonsens-Gedicht Das große Lalula von Christian Morgenstern.
Seine Vorliebe für Merkwürdiges findet sich auch in seinen Illustrationen zu Paul Maars Geschichte Eine gemütliche Wohnung. Weil in der Wohnung der Nilpferdfamilie jeden Tag aufs Neue Geräte kaputtgehen, muss der Elektriker ständig kommen. Bald wird er so zum Freund und gern gesehen Gast der freundlichen Tiere. Was die kaputten Geräte in der Wohnung auslösen, zeigt Norman Junge als turbulente Katastrophen. Etwa dann, wenn ein Wasserrohrbruch die Wohnung unter Wasser setzt und sämtliche Habseligkeiten der Familie davon schwemmt. Dass die Nilpferde, denen das Wasser wörtlich bis zum Hals steht, trotzdem gastfreundlich und zuversichtlich bleiben, zeigt, dass weniger die Wohnung als vielmehr die Nilpferde gemütlich sind. So deutet Junge den Titel der Geschichte mit seinen Bildern um.
Obwohl er seine Kunst nicht nur für Kinder schafft, erklärt er, warum Kinder seine Kunst mögen, so:
„Ich bin nur albern und komisch genug, um von ihnen verstanden zu werden.“

Junges Illustrationen sind leicht an dem Zeichenstil zu erkennen. Dünne fließende, manchmal auch farbige Linien sind die äußeren Grenzen der Figuren und Räume. Oft sind die Linien gitterartig angeordnet und modellieren zusammen mit farbigen Schatten Raum und Figur dreidimensional.
Viele seiner Bilder sind in Blau- und Grautönen, Gelb- und Braun- oder Rottönen gehalten. Da Junge die Aquarellfarben dünn aufträgt, treten die Gittergewebe der Bilder ziemlich stark hervor.
Die oft kühle oder dezente Farbigkeit und die gitterartige Struktur seiner Bilder wirken öfters düster und beklemmend.
Ernst Jandls aus wenigen Sätzen bestehendes Gedicht Fünfter sein interpretiert Junge als eine angstvolle Wartezimmersituation. Auf Stühlen in einer perspektivisch auf eine Tür zulaufenden Wartezimmerecke hocken die Patienten in einer Reihe. Dem einen Patient fehlt ein Bein, dem anderen die Nase, wieder einem anderen das Auge. „Fünfter sein! Tür auf. Einer raus. Einer rein. Vierter sein! Tür auf, einer raus, einer rein ...“ In jeder Strophe des Gedichtes verändert sich die Anzahl der Wartenden, bis die letzte Figur an der Reihe ist. Ironisch durchbrochen oder schon beinahe witzig wird die unangenehme Situation dadurch, dass die Patienten keine Menschen, sondern Spielzeugfiguren sind. Trotzdem lassen die Gesichtsausdrücke und Körperhaltungen der demolierten Spielzeugfiguren auch das Gefühl des ängstlichen Abwartens deutlich werden. Der Zimmerausschnitt ragt wie ein Dreieck in den Bildraum und die Situation wird in einer leichten Untersicht (Froschperspektive) gezeigt, was die Anspannung der Figuren verstärkt. Auch die Lichtregie steigert die besondere Atmosphäre der Situation: Während eine bei jedem Türöffnen umherschwingende Deckenlampe nur ein düsteres, kaltes Licht wirft, scheint durch die Ritzen um die geschlossene Praxistür ein gelbes, leuchtendes Strahlen, das zu einer gelben rechteckigen Fläche auf den dunklen Boden anwächst, sobald sich die Tür öffnet. Am Ende sitzt nur noch ein kleiner Pinocchio mit abgebrochener, roter Nase da, der Fünfte, aus dessen Sicht das Gedicht erzählt. Als sein Vorgänger, ein Aufziehfrosch mit einem großen Satz aus dem Behandlungszimmer springt, hellen sich Pinocchios Gesichtszüge auf, endlich ist er an der Reihe!

Die Räumlichkeiten, die Norman Junge schafft, sind niemals realistisch statisch, sondern gestalten leicht gekrümmte, bewegte Räume, die je nach Stimmung der Geschichte größer oder kleiner werden können.
Wie in Paul Maars Nilpferdgeschichte und Jandls fünfter sein, blickt der Betrachter auch in Antipoden – ebenfalls ein Bilderbuch mit einem Text von Ernst Jandl – anfangs in einen Wohnraum. Von diesem Raum aus arbeitet sich ein Kind Seite für Seite in die Tiefe, durch das Zimmer, das Haus, durch die Erde bis auf die andere Seite des Globus. Die Leere des Zimmers wird durch Gitterschraffuren zu einem plastisch modellierte Raum, der fast organisch erscheint und dem man ansieht, wie er sich anfühlt.
Diese lebendigen Räume stattet Junge mit wenigen Gegenständen und Figuren aus, deren überbordende Bewegungen recht grotesk oder unheimlich wirken. In dem ebenfalls von Jandl stammenden Gedicht ottos mops etwa schwebt wie in einer Momentaufnahme der Mops merkwürdig im Raum, während er Ottos Hut aus der Luft schnappt.
Die Gitterschraffur, die Junge verwendet um dichte, lebendige Bildräume zu gestalten, findet man eigentlich in der Druckgrafik. Die Art und Weise, wie er den Bildaufbau seiner Illustrationen anlegt, folgt jedoch eher filmtypischen Perspektiven und Bildausschnitten. Die Kombination aus Zeichenstil und Bilderfindung macht den besonderen Reiz von Junges Bildern aus.

Auszeichnungen (Auswahl)

1986 Troisdorfer Bilderbuchpreis für Zaubertrottel
1987 Troisdorfer Bilderbuchpreis für Nix Kuckuck
1997 Die schönsten deutschen Bücher für fünfter sein
1998 Bologna Ragazzi Fiction Award für fünfter sein
1998 Deutscher Jugendliteraturpreis 1998 (Auswahlliste) für fünfter sein
2000 Niederländischer Staatspreis Vlag en Wimpel
2008 Illustrationspreis für Kinder- und Jugendbücher für Das-Kinder-Verwirr-Buch

Titelauswahl

fünfter sein / Jandl, Ernst (Text); Junge, Norman (Illu.) - Beltz & Gelberg 1999. Buchvorstellungen: ()
ottos mops / Jandl, Ernst (Text); Junge, Norman (Illu.) - Beltz & Gelberg 2001. Buchvorstellungen: ()
Norbert, der Nachtwanderer / Bee, Donna (Text); Junge, Norman (Illu.) - Aufbau Verlag 2001. Buchvorstellungen: ()
Das große Lalula / Morgenstern, Christian (Text); Junge, Norman (Illu.) - Aufbau Verlag 2005. Buchvorstellungen: ()
Kinder Verwirr Buch / Ringelnatz, Joachim (Text); Junge, Norman (Illu.) - Aufbau Verlag 2008. Buchvorstellungen: ()

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