Hans Ticha

* 1940 geboren in Tetschen-Bodenbach (heute Tschechische Republik)


Leben


Hans Ticha
© Hilmar Raddatz

Hans Ticha wurde 1940 in Tetschen-Bodenbach geboren. Nach dem Krieg zog er mit seiner Mutter und den beiden Geschwistern nach Schkeuditz. Sein Vater war nach dem Krieg nicht heimgekehrt und galt als vermisst.
In der Stadtbibliothek lieh sich Ticha viele Bücher aus und wurde ein begeisterter Leser. Zu seinen Lieblingsautoren zählen E.T.A. Hoffmann, Heinrich Heine und Thomas Mann.
Als 12-jähriger begann er regelmäßig zu malen und besuchte einen Zeichenzirkel. Im Jahr 1958 ging er nach Leipzig, um Kunsterziehung und Geschichte zu studieren. Nach dem Studium arbeitete er als Lehrer. Mit 25 Jahren studierte er Malerei in Berlin Weißensee.
Seit 1970 arbeitet Hans Ticha als freischaffender Maler und Buchillustrator.
Nach der Wende zog er von Berlin nach Mainz. Heute lebt und arbeitet Ticha in Maintal bei Frankfurt.

Werk und Stil

Sein erstes Buch illustrierte Hans Ticha bereits im Alter von 19 Jahren. Bis heute hat er über 90 Bücher für Kinder und Erwachsene gestaltet. Zum Beispiel E.T.A. Hoffmanns Klein Zaches genannt Zinnober (1976), Bertolt Brechts Nordseekrabben (1979), oder Kurt Tucholskys Augen der Großstadt (2006).
Seine moderne Bildsprache verschaffte Ticha Anerkennung von Fachleuten und er bekam etliche Preise. Mehr als 25 seiner Bücher wurden als Schönstes Buch des Jahres ausgezeichnet.
Ticha hat für alle großen Verlage der ehemaligen DDR gearbeitet. Seine Arbeit für die Büchergilde Gutenberg machte ihn auch in Westdeutschland bekannt. Heute arbeitet er als Künstler und illustriert vor allem für Erwachsene. Vor der Wende hat er in der DDR auch einige Kinderbücher illustriert.

Hans Tichas Bildsprache ist beeinflußt von den bekannten Künstlern Oskar Schlemmer, Fernand Léger und den russischen Konstruktivisten. Konstruktivismus ist eine abstrakte Kunstrichtung, die Anfang des 20. Jh. entstand. Die Konstruktivisten wollten die bisherige gegenständliche Malerei beenden und mit einer modernen Formensprache neu beginnen. Auf den Bildern der Künstler dieser Stilrichtung sieht man häufig farbige geometrische Formen, zum Beispiel Vierecke und Kreise.

Der Karikaturist Herbert Sandberg bezeichnete Hans Tichas Stil einmal als „Kugelismus“. Das beschreibt seine Illustrationen sehr gut: Auf den Bildern sieht man häufig runde, oft sogar kugelige Formen. Mithilfe von verschiedenartigen Strukturen verleiht er seinen Figuren Volumen. Oftmals haben sie gebogene Glieder und unrealistische Proportionen. Hüfte, Kopf und Schultern sind wie rundgeschliffen. Genauso plakativ wie seine Formensprache sind seine Farben, häufig: rot, gelb, blau und schwarz. Eine deutliche Kontur, also Umrisslinie erinnert an den Comic.
In seinen Pappbilderbüchern für ganz kleine Kinder (4 Jahre) vereinfachte Ticha seine Formen noch mehr.
In Wie spät? Alter Vers scheinen Pferd, Schwein und Ziege aus einzelnen Kugeln und Röhren zusammengesetzt zu sein. Alle Striche sind mit dem Lineal gezogen, auch die Muster auf der Kleidung der Tiere. Bei diesem Buch hat er die Kontur und die weichen Strukturen mit einem Bleistift gezeichnet und mit kräftigen Aquarellfarben koloriert.


Illustration von Hans Ticha
zu Hans Falladas
„Geschichten aus der Murkelei“
 

Bei den Illustrationen zu Hans Falladas Geschichten aus der Murkelei hat sich Ticha eine Technik seiner Illustratorenkollegin Ruth Knorr abgeschaut: Er hat die Zeichnung direkt auf die Druckplatte übertragen. So bleibt die körnige Struktur erhalten. Für dieses Buch verwendete er keine klaren Farben, sondern gedecktere Töne, zum Beispiel braun und ocker. Die Farbgebung unterstützt die Atmosphäre der absurd-fantastischen Geschichten von Hans Fallada.
Tichas Zeichnungen von Hans Geiz, dem Schimmel Unverzagt, oder den Höllenhunden Neid und Gier sind faszinierend schaurige Gestalten, die man so schnell nicht mehr vergisst.
Neben fantastischen Geschichten wie Geschichten aus der Murkelei mag Hans Ticha vor allem ironische Geschichten.
Warum Kinder ihre Zähne gründlich putzen sollten, zeigte er zusammen mit dem Schriftsteller Dieter Mucke in dem Pappbilderbuch Gute Zähne. Die Hauptfigur des Buches ist kein niedlicher Junge, sondern ein richtiger Bengel. Auf dem Umschlag des Buches reisst er seinen Mund wie beim Zahnarzt weit auf und zeigt seine großen Zähne. Er wird rechts und links eingerahmt von listig guckenden Hunden mit scharfen Gebissen.


Illustration aus dem Buch „Gute Zähne“ von Hans Ticha zu einem Text von Dieter Mucke.

In der Geschichte wird der Junge von einem großen Hund verfolgt. Dem Jungen wird dringend empfohlen, seine Zähne zu pflegen. Mit blitzeblank geputzten Zähnen gelingt es ihm, den Hund zu erschrecken. Am Ende der Geschichte putzen Hund und Junge nebeneinander ihre Zähne.
Von manchen Bildern malte Ticha viele Varianten. Auch den Zähneputzer. So existieren bis zu 15 Versionen eines Motivs, die nur in Kleinigkeiten voneinander abweichen. Ticha beginnt lieber von vorn, als ein vorhandenes Bild zu verbessern.
Als das Buch Gute Zähne 1982 erschien, gab es etliche sehr kritische Reaktionen. Einige (erwachsene) Leser fühlten sich provoziert. Zu frech, modern und ironisch erschien dieses Buch. Gleichzeitig gab aber es über 70000 Vorbestellungen zu dem Buch. Soviel Papier stand damals laut Hans Ticha gar nicht zur Verfügung!
In den 70er und frühen 80er Jahren war es noch möglich, freche ironische Bilderbücher mit ungewöhnlichen Bildsprachen zu veröffentlichen.
Einige Bilderbücher von Hans Ticha kann man heute wieder als Neuauflagen kaufen. Zum Beispiel das Buch Hurra! Hurra! Hurra! Die Feuerwehr ist da  zu einem Text: von Heinz Kahlau. Das Buch hat auch heute nichts an seiner Frische und Modernität eingebüßt. Es ist herrlich unpädagogisch, modern in der Bildsprache und mutig: auf der ersten Seite gerät die zigarrenrauchende Tante Jette in lodernde Feuerflammen. Doch ihre Rettung steht schon bereit: eine zuverlässige Armee von kugelköpfigen Feuerwehrmännern.

Auszeichnungen (Auswahl)

1972 und 1973 Auszeichnung für „das schönste Buch der DDR“; 23 weitere Auszeichnungen für das „Schönste Buch des Jahres“ sowie 11 Auszeichnungen der DDR für „den schönsten Buchumschlag“.
1982 Silbermedaille der Internationalen Buchausstellung Leipzig (Handbuch der Heiterkeit von Gerhard Branstner, 1980)
1986 Grand Premio des IOC auf der Biennale Venedig, Ambiente Berlin
1990 Teilnahme an der 44. Biennale, Venedig
1998 2. Preis im Walter-Tiemann-Wettbewerb
2000 3. Preis der Stiftung Buchkunst

Titelauswahl

Der Krieg mit den Molchen / ?apek, Karel (Text); Ticha, Hans (Illu.) - Aufbau-Verlag 1973. Buchvorstellungen: ()
Der Esel als Amtmann - oder das Tier ist auch nur ein Mensch / Ticha, Hans (Text); Ticha, Hans (Illu.) - Buchverlag Der Morgen 1976. Buchvorstellungen: ()
Klein Zaches genannt Zinnober / Hoffmann, E.T.A. (Text); Ticha, Hans (Illu.) - Aufbau-Verlag 1976. Buchvorstellungen: ()
Geschichten aus der Murkelei / Fallada, Hans (Text); Ticha, Hans (Illu.) - Aufbau-Verlag 1978. Buchvorstellungen: ()
Nordseekrabben / Brecht, Bertolt (Text); Ticha, Hans (Illu.) - Eulenspiegel Verlag 1979. Buchvorstellungen: ()
Handbuch der Heiterkeit / Branstner, Gerhard (Text); Ticha, Hans (Illu.) - Mitteldeutscher Verlag 1979. Buchvorstellungen: ()
Gute Zähne / Mucke, Dieter (Text); Ticha, Hans (Illu.) - VEB Postreiter Verlag 1982. Buchvorstellungen: ()
Hurra! Hurra! Hurra! Die Feuerwehr ist da! / Kahlau, Heinz (Text); Ticha, Hans (Illu.) - VEB Postreiter Verlag 1987. Buchvorstellungen: ()
Zehn Gäns im Haberstroh. - Kindervers / Ticha, Hans (Text); Ticha, Hans (Illu.) - VEB Postreiterverlag 1988. Buchvorstellungen: ()
Alter Vers wie spät? - Alter Vers / Ticha, Hans (Text); Ticha, Hans (Illu.) - Der Kinderbuchverlag 1988. Buchvorstellungen: ()
Tichas Arche / Ticha, Hans (Text); Ticha, Hans (Illu.) - Büchergilde Gutenberg 2000. Buchvorstellungen: ()
Aus dem wirklichen Leben / Jandl, Ernst (Text); Ticha, Hans (Illu.) - Büchergilde Gutenberg 2000. Buchvorstellungen: ()
Augen in der Großstadt / Tucholsky, Kurt (Text); Ticha, Hans (Illu.) - Edition Büchergilde 2006. Buchvorstellungen: ()

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