Thé Tjong-Khing

* 1933 in Perworedjo / Indonesien


Leben


Foto: © Moritz Verlag

Thé Tjong-Khing ist ein niederländischer Illustrator mit einem chinesischen Namen. Anders als in Europa üblich steht im Chinesischen der Nachname an erster Stelle: THÉ. Der Vorname ist KHING und TJONG ist der Generationsname, ein Name, den alle Söhne einer Generation einer chinesische Familie tragen.
Als fünftes Kind einer chinesischen Kaufmannsfamilie wuchs Thé Tjong-Khing in der damals noch niederländischen Kolonie Indonesien auf. Nach vier Töchtern hatte sich Thés Vater besonders über einen Sohn gefreut, denn der sollte später die Firma des Vaters übernehmen. Doch Thé wurde eine Enttäuschung für ihn, weil er gar nicht in einer Firma arbeiten, sondern nur zeichnen wollte: „Ich war sehr schüchtern. Nur Zeichnen war von Anfang an meine Passion.“
Nach der Schule besuchte er drei Jahre die Kunstakademie in Bandung, um dann mit 23 Jahren nach Amsterdam an die Kunstgewerbeschule zu gehen. „Es war wichtig einen Ozean zwischen mir und meinen Vater zu haben,“ erklärt der Illustrator, dem die Mutter das Geld für die Überfahrt nach Holland gegeben hatte.
Nach seiner Ausbildung arbeitete Thé für die Werbung und als Comiczeichner, bis er von einem befreundeten Kinderbuchautor gebeten wurde, dessen Abenteuerbücher zu illustrieren. Bis heute hat er über 150 Bücher illustriert, die meisten davon Kinderbücher.
Bekannt wurde er als Illustrator der Fuchs und Hase-Bücher, für die Sylvia Vanden Heede die Texte schreibt. Spätestens seitdem sein erstes Bilderbuch ohne Worte Die Torte ist weg! 2007 für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert war, ist sein Name auch in Deutschland sehr bekannt. Thé Tjong-Khing lebt in Haarlem, einer Stadt in den Niederlanden.

Thé Tjong-Khing „Die Torte ist weg“ © Moritz Verlag

Werk und Stil

Thé Tjong-Khing ist einer der wichtigsten Illustratoren der Niederlande. Er wurde drei Mal mit dem Goldenen Pinsel, der höchsten niederländischen Auszeichnung für Illustration, geehrt. Auch in Deutschland sind seine Bücher beliebt und geachtet.









Skizzen von Thé Tjong-Khing
zu seinen Illustrationen
von „Schneewittchen“
 

Er zeichnet ausschließlich mit schwarzer Tusche und Wasserfarben. Schaut man sich seine Tierfiguren an, fällt auf, dass sie aus sehr einfachen Formen bestehen. Sie sind mit einer sehr feinen dünnen Linie gezeichnet und mit klaren, durchscheinenden Wasserfarben koloriert. Wo und wie sie in die Bildflächen gezeichnet sind, verrät dem Betrachter etwas über ihre Eigenschaften und über das was in einer Geschichte passiert. Seine vereinfachende Art Gesichtsausdrücke, Gesten oder Speedlines, das sind Linien, die Bewegungen anzeigen, zu zeichnen, erinnern an Comics, ohne dass seine Figuren zu Karikaturen werden.
Wie durchdacht und trotzdem einfach Thés Illustrationen sind, sieht man zum Beispiel in dem Buch Zauberkind. Die schönsten Prinzessinnenmärchen. Mit wenigen Strichen und Farben illustriert er in diesem Märchenbuch jeweils wichtige Situationen und Figuren der Geschichten. So zeigt die Illustration für Schneewittchen die böse Stiefmutter in einem dunkelgrauen Kleid aus dem Zeitalter des Barock. Mit ausgestellten Ärmeln, steifen weiten Kragen und starren Korsett steht sie auf einem Balkon und blickt ernst geradeaus. Im Burghof darunter sehen wir Schneewittchen, wie sie in einem rosa farbenen Kleid und langen, schwarzen Haaren fröhlich einen Ball in die Höhe wirft. Ihr Kleid und ihre Haare nehmen den Schwung der Wurfbewegung auf. In dieser Zeichnung drückt sich sowohl das unterschiedliche Machtverhältnis zwischen Tochter und Stiefmutter, sowie deren verschiedenen Wesensarten aus. Die von Neid und Missgunst geprägte Stiefmutter verharrt steif und starr in ihrem überladenen Kostüm auf dem Balkon, während Schneewittchen lebendig und fröhlich ihrem kindlichen Spiel nachgeht. Im Hintergrund sehen wir einen Wald und dahinter Berge, die sowohl auf die Episode mit dem Jäger als auch auf die sieben Berge und damit auf die sieben Zwerge verweisen. Trotz der vielen Informationen, die man dem Bild entnehmen kann, wirkt es ruhig, klar und unaufdringlich.
Bis vor wenigen Jahren war Thé Tjong-Khing ganz darauf spezialisiert, die Texte anderer zu illustrieren. Als er aber auf einen neuen Text für eine Fuchs und Hase-Geschichte von Sylvia Vanden Heede wartete, wurde er selber zum Geschichtenerfinder. Da die Autorin keine Zeit hatte, schlug sie dem Illustrator vor, einfach schon mal mit den Bildern anzufangen. Als sie sich endlich trafen, um den Text für die Geschichte zu besprechen, sagte Sylvia „Das ist toll, aber das ist jetzt deine Geschichte, nicht mehr meine. Mach was Eigenes draus!“
Da ersetzte Thé die Köpfe von Fuchs und Hase durch Hundeköpfe und das Suchbilderbuch Die Torte ist weg!, das nur mit Bildern ganz ohne Worte erzählt, entstand. Es wird darin erzählt, wie zwei Ratten einem Hundepaar eine Torte stehlen und es zu einer wilden Verfolgungsjagd kommt. Die Landschaft, die dabei durchrannt wird, ist von allerhand anderen Tieren und Dingen bevölkert. So ergeben sich, wenn man das Treiben anderer Figuren über die Buchseiten verfolgt, über zehn verschiedene Geschichten. Die auf jeder Doppelseite gezeichneten Landschaftsausschnitte ergeben zwar ein zusammen hängendes Band, aber zwischen den Einzelbildern, also wenn man zur nächsten Seite blättert, ist so viel Zeit vergangen, dass sich von Bild zu Bild große Veränderungen zeigen. Um sich diese zu erklären, muss der Betrachter vor- und zurückblättern und Hinweise suchen, die ihn erschließen lassen, was wann wo wie geschehen ist. Die Wege die die Landschaft durchziehen, stellen dabei Verknüpfungslinien her. Rannten in Die Torte ist weg! alle Tiere von links nach rechts, also in Leserichtung durch das Buch, gibt es in Thés zweiten textfreien Suchbilderbuch Picknick mit Torte einen Richtungswechsel. Bis zur Mitte des Buches bewegen sich alle Figuren von links nach rechts durch die Landschaft, nämlich auf einen Berg hinauf. In der Buchmitte führt die Entdeckung des Tortendiebstahls zur Wende der Geschichte: Von nun an geht's bergab. Bild für Bild geht es zurück bis die wahren Tortendiebe entlarvt sind und das Picknick vor der eigenen Hütte doch noch stattfindet.

Auszeichnungen (Auswahl)

2007 Die Torte ist weg! nominiert für den Deutsch Jugendliteraturpreis.
2008 Nominiert für den Hans Christian Andersen Award
Drei Mal mit dem goldenen Pinsel, der höchsten niederländischen Auszeichnung für Illustration ausgezeichnet.

Titelauswahl

Die wundersame Reise der kleinen Sofie / Pelgron, Els (Text); Thé Tjong-Khing (Illu.) - Annette Betz Verlag 1985. Buchvorstellungen: ()
Der große Fisch Tin Lin / Kordon, Klaus (Text); Thé Tjong-Khing (Illu.) - Ravensburger Verlag 1990. Buchvorstellungen: ()
Die Torte ist weg! / Thé Tjong-Khing (Text); Thé Tjong-Khing (Illu.) - Moritz Verlag 2006. Buchvorstellungen: ()
Zauberkind - Die schönsten Prinzessinnenmärchen / Daele, Henri van (Hrsg.) (Text); Thé Tjong-Khing (Illu.) - Loewe Verlag 2007. Buchvorstellungen: ()
Ich will Kuchen, sagt Fuchs / Heede, Sylvia Vanden (Text); Thé Tjong-Khing (Illu.) - Moritz Verlag 2007. Buchvorstellungen: ()
Picknick mit Torte / Thé Tjong-Khing (Text); Thé Tjong-Khing (Illu.) - Moritz Verlag 2008. Buchvorstellungen: ()
Eule feiert Geburtstag / Heede, Sylvia Vanden (Text); Thé Tjong-Khing (Illu.) - Moritz Verlag 2009. Buchvorstellungen: ()

http://www.rossipotti.de/ausgabe01/rossipottis_leibspeise.html#sofie
http://www.thetjongkhing.nl/sneak-preview.aspx
http://www.kinderbuch-couch.de/vanden-heede-sylvia-ich-will-kuchen-sagt-...